Abtreibung: Oberstes US-Gericht kippt bestehendes Recht
Das Oberste US-Gericht, der Supreme Court, hat im Juni das landesweit geltende Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gekippt. Nun gelten wieder die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten. Hintergründe zum Thema.
Die Richter entschieden sich damit gegen ein 50 Jahre altes Grundsatzurteil. Der Oberste Gerichtshof in Washington hat das 1973 durch ein Grundsatzurteil im Fall Roe gegen Wade bundesweit eingeführte Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt. Die gesetzliche Regelung von Abtreibungen ist seit dem 24. Juni 2022 nun wieder Sache der Bundesstaaten.
Die konservative Mehrheit des Gerichts befand mit sechs zu drei Stimmen, das Grundsatzurteil von 1973 sei "ungeheuer falsch" gewesen. Manche Kritiker befürchten, mit der Logik des Urteils werden republikanische Politiker weitere Urteile des Obersten Gerichts anfechten, etwa das von 2015 zur Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe.
Rund 40 Millionen Frauen in den USA betroffen von der Rücknahme Roe v. Wade
Nach der Entscheidung wird erwartet, dass insgesamt 26 und damit etwa die Hälfte der 50 Bundesstaaten Abtreibungen nun verbieten oder zumindest stark einschränken werden. 13 Bundesstaaten, vor allem im konservativen Süden der USA, hatten bereits entsprechende Gesetze vorbereitet, die nun wie in South Dakota quasi automatisch in Kraft treten. Rund 40 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter betrifft diese neue Entscheidung, da sie in diesen Bundesstaaten leben.
US-Präsident Biden: Urteil des Supreme Court "ein tragischer Fehler"
Kurz nach dem Urteil zum Abtreibungsrecht kochen die Gemüter in den USA hoch. US-Präsident Biden sprach von einem "tragischen Fehler". Sein Vorgänger, der den Weg für das Verbot geebnet hatte, jubelte über eine "Entscheidung Gottes".
Scharfe Kritik an dem Urteilsspruch kam von der Beauftragten für Menschenrechte der Vereinten Nationen. Dies sei "ein schrecklicher Schlag gegen die Menschenrechte der Frauen", erklärte UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet. "Der Zugang zu sicheren, legalen und wirksamen Abtreibungen ist fest im internationalen Menschenrecht verankert."
Der ehemalige US-Präsident Barack Obama rief kurz nach dem Urteil zum Widerstand auf. "Heute hat der Oberste Gerichtshof nicht nur fast 50 Jahre Präzedenzfälle rückgängig gemacht, er hat die persönlichste Entscheidung, die jemand treffen kann, den Launen von Politikern und Ideologen überlassen - und die grundlegenden Freiheiten von Millionen von Amerikanern angegriffen", schrieb Obama bei Twitter.
Entsetzte Reaktionen auf das Urteil in den USA
Auch international reagierten Politiker auf das Urteil des Supreme Court. Kanadas liberaler Premier Justin Trudeau äußerte sich entsetzt über die Entscheidung. Der britische Premierminister Boris Johnson bezeichnete die Entscheidung der US-Richter als "großen Rückschritt". Bundesfamilienministerin Lisa Paus äußerte sich "fassungslos" über das Urteil.
US-Künstler äußern sich zum Urteil
Pop-Sängerin Pink hatte das Urteil bereits am Sonnabend auf Twitter kritisiert: "Wenn du denkst, die Regierung sollte sich in die Gebärmutter einer Frau, in die Angelegenheiten einer schwulen Person oder ihre Ehe einmischen oder dass Rassismus in Ordnung ist: Dann hör bitte im Namen deines Gottes nie wieder meine Musik". Auf Instagram teilte sie ein Video der Kampagne BansOff.
Auch der Green-Day-Sänger Billie Joe Armstrong äußerte bei einem Auftritt in London seinen Ärger: Ich gebe verdammt noch mal meine Staatsbürgerschaft auf", sagte er. "Da ist einfach zu viel verdammt Dummes auf der Welt, um zurück in diese miserable, verdammte Lächerlichkeit von einem Land zu gehen." Auch Sängerin Cher äußert sich auf Twitter.