Ein Hinweisschild mit Kontaktdaten am Zuhör-Kiosk in der U-Bahn-Haltestelle Emilienstraße. © Anina Laura Pommerenke Foto: Anina Laura Pommerenke

Wirklich zuhören geht tiefer als gedacht

Stand: 20.03.2023 07:45 Uhr

Der Zuhör-Kiosk mit seinen Ehrenamtlichen empfängt Passantinnen und Passanten in der U-Bahnhaltestelle Emilienstraße in Hamburg. Menschen finden hier ein offenes Ohr - und können ihre Geschichte erzählen.

von Pastorin Susanne Richter

In diesem Kiosk gibt es keine Süßigkeiten oder Kaffee. Im "Zuhör-Kiosk" wird, wie der Name schon sagt: zugehört. Susanne Hartig ist eine aus dem Team der "Ohren", der ehrenamtlich Zuhörenden: "Ich lasse meinen Alltag da oben in der Stadt und dann gehe ich darunter in den Untergrund und setze mich in den Glaskasten auf dem Bahnsteig. Der sich so kurios anfühlt, so außergewöhnlich ist, dass das schon ein besonderer Ort ist."

Susanne Hartig © Kirche im NDR
Der Zuhör-Kiosk ersetzt keine Therapie. Aber Susanne Hartig und ihre Kollegen haben für alle ein offenes Ohr.

Jeder und jede kann kommen, sprechen, eigene Geschichten erzählen, was einem gerade so durch den Kopf geht. Zuhören ist heilsam, sagt Susanne Hartig, aber therapeutische Ziele stehen ausdrücklich nicht im Vordergrund. Es gehe nicht um Ziele, es gehe nicht darum, irgendetwas zu erreichen. Dieser Moment zähle, diese Zeit, die wir zusammen dort verbringen würden und nur das.

"Mit allen Sinnen und dem Herzen zuhören"

Die Begegnung von Mensch zu Mensch ist für Susanne Hartig eine erfüllende Aufgabe: "Dass jemand etwas erleichtert oder unbeschwerter oder bereicherter aus dem Kiosk rausgeht, als er reingekommen ist. Ich empfinde dieses Zuhören als etwas sehr Sinnvolles, das bereichert mich."

Wirklich zuzuhören, das geht viel tiefer als man denkt. Dass es eben nicht reiche, die Stöpsel herauszunehmen und die Ohren aufzusperren oder hinzuhalten, sondern dass man mit allen Sinnen zuhöre und eben auch mit dem Herzen. Es brauche eine gewisse Herzensöffnung, um den anderen wirklich zum Sprechen zu bringen, so dass in so einem Gespräch wirklich auch etwas Neues entstehen könne, sagt Susanne Hartig.

Zuhör-Kiosk ist ein Spenden finanziertes Projekt

Der Zuhör-Kiosk finanziert sich alleine über Spenden und ist kein kirchliches Projekt. Glaubensfragen spielen für Susanne Hartig persönlich aber schon eine Rolle: "Ich bin Mitglied der evangelischen Kirche und fühle mich auch mit deren Grundwerten verbunden. Wenn es mit gelingt die in meinen Taten irgendwie wirksam sein zu lassen, dann spielt dieser Glaube auf jeden Fall da hinein. Nicht so bewusst oder vordergründig. Aber mehr so in Form einer selbstverständlichen Mitmenschlichkeit."

Entscheidend ist hier aber keine Religionszugehörigkeit, sondern wirklich ganz konkret die Haltung der Zuhörenden, sagt Susanne Hartig. "Ich sehe dich, ich bin da. das finde ich ganz treffend für das, was wir dort tun."

Weitere Informationen
Eine junge Frau hält sich eine Konservendose ans Ohr, aus der ein Strick herausragt. © Photocase Foto: David Dieschburg

Von Herzen zuhören ist eine Kunst

Viele Menschen fühlen sich einsam, weil ihnen niemand zuhört. Da setzt eine Fortbildung der Evangelischen Kirche an und lehrt das heilsame Zuhören. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 2 | Moment mal | 19.03.2023 | 09:15 Uhr

Info

Die Evangelische und Katholische "Kirche im NDR" ist verantwortlich für dieses Onlineangebot und für die kirchlichen Beiträge auf allen Wellen des NDR.