Kolumne: "'Reality'. Ein Träumchen für Heute"
Der Song "Reality" ist untrennbar mit dem Film "La Boum - Die Fete" verbunden. Das One-Hit-Wonder von Richard Sanderson weckt noch heute bei vielen Menschen Erinnerungen an ihre Jugend.
Es gibt so Lieder, die konservieren Gefühle, Träumereien, Erinnerungen. Neulich habe ich das im Studio erlebt. Da basteln ein Kollege und ich an einem Beitrag zu "Reality" von Richard Sanderson. Der Schmusesong gehört zum Soundtrack von "La Boum - die Fete" und hat einen sehr markanten Refrain. Während wir die Regler aufziehen, Audiospuren abmischen, bleibt immer wieder jemand an der Tür stehen, blickt zu uns hinein. Eine Kollegin seufzt verträumt: "Meine Generation, unser Lied." Mir geht es ähnlich. Ich denke an den Schüleraustausch mit Frankreich, Engtanz im Jugendzentrum, den Kuss von Gabi.
In spontanen Träumereien liegt Kraft
Schon erstaunlich, was für eine Kraft in solchen spontanen Träumereien liegt. Noch viel mehr gilt das für das bewusste Gedenken. Wenn Menschen einander ihre Glückserlebnisse erzählen, breitet sich Segen aus. Glaube zehrt von dem, was wir und andere erfahren haben. Genau darauf macht die Bibel übrigens immer wieder aufmerksam. Das Erinnern prägt die Spiritualität im Alten und Neuen Testament. Die Psalmen ermuntern zu solchem Rückblick mit den Worten "vergiss nicht, was der Herr dir Gutes getan hat". Das jüdische Passah lebt aus der Erinnerung an geschehenes Heil, die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten. Und Jesus trägt den Jüngerinnen und Jüngern ausdrücklich auf, an seine Geschichten zu erinnern. Weihnachten, Karfreitag, Ostern. Bis heute geschieht das und verändert die Gegenwart, unsere Realität.
Zurück zum Ausgang, hinein ins Studio, zum Schmachtfetzen "Reality" von Richard Sanderson. "I try to live in dreams", heißt es im Refrain. "Ich versuche mit meinen Träumen zu leben, sie verändern die Wirklichkeit." Für diese Kraft von Pop, Schlager, Klassik können wir alle dankbar sein. Klar, nicht immer ändert sich gleich die komplette Realität. Vielleicht der Moment. Aber manchmal reicht das ja. Herzklopfen, Kopfkino, wohliger Segen. Deshalb geht heute ein Herz der Liebe an Richard Sanderson.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Regelmäßig vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.
