Verfassungsschutz: Rechtsextremisten derzeit gefährlicher
Für Erik Schaller aus Schafflund steht fest, dass es "irgendein rechter Spinner" war. Erst bekam der SSW-Kommunalpolitiker Anfang des Jahres einen Drohanruf. Dann fehlten Radmuttern an seinem Auto. Er merkte es beim Rangieren auf der Hofeinfahrt. Erik Schaller hatte zuvor eine Informationsreise zur KZ-Gedenkstätte Auschwitz organisiert. Das, meint er, habe wohl einem Rechtsextremen nicht gepasst.
Politisch motivierte Gewalt nimmt zu
Der Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein ist wegen der zunehmenden politisch motivierten Kriminalität von rechts wie links alarmiert. Immer öfter werden auch Politiker bedroht.
Claus Schaffer von der AfD sieht sich dagegen im Fokus von Linksextremen: Er wachte eines Nachts auf, als sein Auto brannte. "Da ist dann offensichtlich das passiert, was ich eigentlich schon seit Jahren befürchten musste." Bundesweit stünden AfD-Politiker im Fokus von Linksextremisten, sagt Schaffer.
Verfassungsschutz: Rechte Szene derzeit stärker
Joachim Albrecht, den Leiter des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein, erfüllen solche Taten mit Sorge. Er spricht von "Verrohung" - und erklärt: Bei Angriffen auf Abgeordnete oder Kommunalpolitiker attackieren Extremisten einerseits den politischen Gegner - andererseits aber auch das politische System an sich. Denn, das System zu ändern, sei der Antrieb eines jeden Extremisten, egal welchen Lagers, so Albrecht.
Angriffe auf Politiker sind nur eine Variante der politisch motivierten Kriminalität. Doch welche Szene ist in Schleswig-Holstein eigentlich stärker? Lange Zeit galten linke und rechte Szene im Land als etwa gleich schlagkräftig - die Zahl der Extremisten stagnierte auf beiden Seiten. Seit ein paar Wochen sieht es anders aus. Das hat nach Einschätzung des Verfassungsschutzes mit dem Anschlag von Halle zu tun - aber auch mit dem Auftreten des Neonazis Bernd T. in Sülfeld im Kreis Segeberg. Er sprach Schüler an, bedrohte Andersdenkende. Solche medienträchtigen Ereignisse verstärkten in der Szene das Bedürfnis, selbst in Aktion zu treten, so der Verfassungsschutz.
Mit Bernd T. habe die rechte Szene eine Identifikationsfigur. Für den Verfassungsschutz ist das Auftreten von T. ein typisches Beispiel dafür, wie das Lagebild von einzelnen Personen abhängen kann. Die Bedrohungslage sei ohnehin immer nur eine Momentaufnahme, die sich schnell ändern könne.
Folgt die Reaktion der Linksextremisten?
Albrecht warnt: "In dem Moment, wo eine rechte Gruppierung derart in der Öffentlichkeit präsent ist, fühlt sich dann natürlich auch die linksextremistische Szene aufgerufen, etwas dagegen zu tun."
Einen politischen Mord - wie es ihn in Kassel gegeben hat - traut Albrecht den Extremisten in Schleswig-Holstein aber nicht zu. Die Szenen würden nach solchen Ereignissen zwar aktiver, es würden auch Taten verherrlicht, aber generell würden "terroristische Straftaten - jedenfalls von den Linksextremisten und Rechtsextremisten in Schleswig-Holstein - nicht akzeptiert und eher kritisiert." Menschen zu töten sei "keine Aktion, die in Schleswig-Holstein auf Verständnis stößt, auch nicht bei Extremisten."
Weil Extremisten sich heutzutage nicht mehr im Hinterzimmer der Kneipe treffen, sondern sich im Internet verabreden, baut der Verfassungsschutz derzeit eine Abteilung auf, die Radikale im Netz aufspüren soll. Schwerpunkt dabei ist der Rechtsextremismus. Die norddeutschen Innenminister wollen verhindern, dass Rechtsextreme sich unbeobachtet im Internet austauschen können.
Verfassungsschutz: Von Extremisten abgrenzen
Joachim Albrecht vom schleswig-holsteinischen Verfassungsschutz appelliert aber auch die Bürger, sich nicht von Extremisten - welcher Seite auch immer - vereinnahmen zu lassen. Etwa, wenn diese Demonstrationen unterwandern oder organisatorische Hilfe bei Veranstaltungen anbieten. "Es ist ganz wichtig, sich nicht zum Spielball von Extremisten machen zu lassen." Die Unterscheidung ist simpel: Die einen wollen ihre Ziele auf der Basis der demokratischen Grundordnung erreichen - die anderen wollen eben diese kippen.
Die beiden schleswig-holsteinischen Politiker, die offenbar in den Fokus von Extremisten geraten sind, ziehen ihre ganz persönlichen Konsequenzen aus den Angriffen gegen sie. Der AfD-Politiker Schaffer sagt, dass Rechtsextremismus zu recht gesellschaftlich geächtet sei. Er kritisiert aber, dass linksextremistische Taten eine gesellschaftliche Akzeptanz erfahren würden. Wenn man der politisch motivierten Gewalt nicht bald Herr werde, sei eine Eskalation unvermeidlich, warnt Schaffer. "Das ist eine große Gefahr."
Der Kommunalpolitiker Erik Schaller vom SSW will sich von rechten Bedrohungen nicht einschüchtern lassen. Die Vorfälle zeigen aus seiner Sicht, dass Informationsreisen nach Auschwitz nötig sind. Sein Ziel: "Klare Kante gegen rechts zeigen."
