Stand: 20.10.2014 12:07 Uhr

Poesiealbum: Zwei Frauen und ihre Erinnerungen

Zwei Poesiealben liegen auf einem glänzenden weißen Tisch © NDR Foto: Silvia Stoll
Die Poesiealben von Sabine Nickel sehen wie neu aus. Warum sie sich damals zwei angeschafft hat, weiß sie nicht mehr.

In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken: Jede Seite ist mit bunten Glanzbildern verziert und die Texte sind fein säuberlich geschrieben. Heute scheinen Poesiealben aus der Mode gekommen zu sein. Schüler verteilen eher Freundschaftsbücher als Poesiealben. Aber es gibt sie noch. Sie stehen in Regalen oder liegen gut verstaut auf dem Dachboden. NDR 1 Niedersachsen Reporterin Silvia Stoll hat einen Blick in die Poesiealben von Waltraud Güttler und Sabine Nickel geworfen.

Waltraud Güttler: "Es ist lange her"

Eine Frau sitzt an einem Tisch udn schaut sich ein Poesiealbum an © NDR Foto: Silvia Stoll
Waltraut Güttlers Poesiealbum ist sehr gut erhalten. Sie hat es 45 Jahre lang bei den Büchern verwahrt, die ihr wichtig sind.

"Wer in dieses Büchlein schreibt, den bitte ich um Sauberkeit. Wer hier Blätter reißt heraus, mit dem ist meine Freundschaft aus. Drei Ausrufezeichen. Und unterschrieben habe ich natürlich mit meinem Mädchennamen Waltraud Baden." Waltraud Güttlers Poesiealbum ist 45 Jahre alt, sieht aber noch sehr gepflegt aus. Dem lilafarbenen Stoffeinband hat die Zeit zwar ein wenig zugesetzt, die Farbe ist leicht verblichen und auch die golden geprägten Seiten glänzen nicht mehr ganz so kräftig. Eselsohren oder abgestoßene Ecken sind allerdings nicht zu finden. Kein Wunder - das Album war Jahre lang gut verstaut: "Es war ordentlich geschichtet bei meinen Büchern, die mir wichtig waren und die ich aufheben wollte."

Erinnerungen konserviert

Waltraud besuchte damals die Grundschule Jeggen, als sich ihre Klassenkameraden und Verwandte ins Poesiealbum eintrugen: "Mir fällt gerade auf, es haben sehr viele Lehrer eingetragen. Ich wusste gar nicht, dass das damals so viele waren." Zum Teil ist sie sich auch nicht mehr sicher, welcher Lehrer welches Fach unterrichtet hat, bis auf einen, bei dem Waltraut Güttler Schwimmen gelernt hat. Er hatte das junge Mädchen einfach ins Wasser geschmissen, weil sie sich nicht traute zu springen. Danach hatte sich das mit dem Ein-Meter-Brett für sie erledigt. Den Lehrer hat Güttler bis heute nicht vergessen, trägt ihm aber nichts nach. "Das ist lange her", sagt die 55-Jährige. Die ersten Einträge in ihr Album stammen aus der Grundschulzeit, doch Waltraud hat es auch noch mit zum Käthe-Kollwitz-Gymnasium genommen: "Hier hat die Birgit ins Büchlein geschrieben. Mit der war ich wirklich gerne zusammen. Ich weiß, dass sie damals auch ein bisschen krank war - und da würde ich schon gerne mal wissen, ob es ihr noch gut geht, wie es ihr heute geht und wo sie jetzt wohnt."

Sabine Nickel: Gleich zwei Alben transportieren Vergangenheit

Eine Frau schaut in ein Buch © NDR Foto: Silvia Stoll
Sabine Nickel würde gerne ihre Sitznachbarin aus der Schule wiedertreffen. "Mit Petra habe ich mich wirklich gut verstanden!"

Nicht ganz so alt sind die Poesiealben von Sabine Nickel. Der erste Eintrag ist von 1977. Damals ging Sabine zur Orientierungsstufe nach Osnabrück und hieß noch Sabine Hettlich. Warum die 45-Jährige gleich zwei Alben hat, weiß sie nicht mehr. Das eine hat einen Einband mit bunten Blumen, das andere ist knallrot: "Das riecht so alt das Papier, als wenn es schon ewig im Archiv gelegen hat." Auch wenn die Alben seit Ewigkeiten im Regal in der zweiten Reihe standen, beim Durchblättern werden schnell alte Erinnerungen wach: "Ja, Bernd Altenkirch, an den erinnere ich mich auch noch. Das war so ein Mädchenschwarm. Und ein ganz gut aussehender junger Mann." Auch ihre ehemalige Sitznachbarin Petra Ellerbrake aus der Möser Realschule hat sich im Poesiealbum verewigt: "'Vergiss die schönen Jahre nicht, die wir nebeneinander sitzend verbringen durften. Dank Kerstin und Bettina'. Weil sich die beiden Mädchen in der Schule immer fürchterlich abgelenkt haben, sind wir alle umgesetzt worden. Petra musste neben mir sitzen. Das wäre echt ganz witzig zu wissen, wo sie abgeblieben ist."

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 22.10.2014 | 13:20 Uhr