Horst Janssen, 1992. © picture-alliance/dpa Foto: Uwe Zucchi

Horst Janssen: Ein exzessives Leben und eine expressive Kunst

Stand: 13.02.2024 12:00 Uhr

Der Künstler Horst Janssen lebte exzessiv, galt als Frauenheld und Rauf- und Saufbold. Der Hamburger saß wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft - und war ein international anerkannter Vollblutzeichner.

von Vivienne Schumacher

Horst Janssen war ein Zeichner. Sein Leben lang blieb er in seiner Technik konstant: Zeichnen war für ihn nicht - wie für viele andere - eine Vorbereitung für ein späteres Werk, sondern das Werk an sich. Als international bekannter Künstler prägte er maßgebend das Bild der Hamburger Kunstszene in den 1960er-Jahren. Er galt als intelligent, intensiv und verrückt, lebte exzessiv. Aus seinem Alkoholismus hat er nie ein Geheimnis gemacht.

Janssen studiert an der Landeskunstschule am Lerchenfeld

Am 14. November 1929 wird Horst Janssen in Hamburg geboren. Mit seiner alleinerziehenden Mutter und seinen Großeltern wächst er in Oldenburg auf. Seinen leiblichen Vater lernt er nicht kennen. Als zuerst sein Großvater und dann seine Mutter an Tuberkulose sterben, nimmt Tante Anna ihren 16-jährigen Neffen zu sich nach Hamburg. Schon als junger Schüler in der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) im Emsland hatte sich seine Begabung für das Zeichnen gezeigt. In Hamburg schreibt seine Tante ihn an der Landeskunstschule am Lerchenfeld ein, an der er von 1946 bis 1951 studiert, und finanziert seine Ausbildung. Von Anfang an ist er Meisterschüler bei Alfred Mahlau, noch während seines Studiums veröffentlicht er erste Zeichnungen.

Horst Janssen, 1992. © picture-alliance/dpa Foto: Uwe Zucchi
AUDIO: Horst Janssen: Unstillbarer Hunger auf neue Erfahrungen (15 Min)

Erste Ausstellung in der Galerie von Hans Brockstedt

1947 erscheint eine Zeichnung von ihm in der Wochenzeitung "Die Zeit". Ein Jahr später wird das Kasperl-Buch "Seid ihr alle da?" veröffentlicht, in dem der 18-jährige Horst Janssen die im Zweiten Weltkrieg von Rolf Italiaander verfassten Kasperl-Verse illustriert. Später schreibt er auch selbst Texte zu seinen Werken. Mit 23 Jahren erhält Janssen ein Lichtwark-Stipendium der Hansestadt Hamburg. Es folgen erste berufliche Erfolge und weitere Stipendien. 1956 stellt der junge Künstler Farbholzschnitte in seiner eigenen Wohnung aus. Ein Jahr später findet seine erste öffentliche Ausstellung statt - in der Galerie von Hans Brockstedt in Hannover.

Seine erste Ehrung ist der Kunstpreis der Stadt Darmstadt 1964. Im Jahr darauf verleiht die Stadt Hamburg Janssen den Edwin-Scharff-Preis, ein Preis, der Künstler auszeichnet, deren Werke das Kulturleben der Hansestadt prägen. Den Durchbruch seiner Karriere erlebt er 1965 mit seiner Ausstellung in der Kestner Gesellschaft in Hannover, die danach in verschiedenen deutschen Großstädten gezeigt wird: Darmstadt, Stuttgart, Düsseldorf, Lübeck und im Schweizerischen Basel. 1968 gewinnt Janssen den Ersten Preis für Grafik auf der Biennale in Venedig.

Viele Hochzeiten und Kinder: Turbulentes Privatleben

Parallel zu seiner künstlerischen Karriere durchlebt Horst Janssen privat eine turbulente Zeit. Zu Beginn seiner Laufbahn zeugt er seinen ersten Sohn mit einer verheirateten Frau. Clemens kommt 1950 zur Welt. Drei Jahre später sitzt Janssen wegen Mordverdachts aus Eifersucht in Untersuchungshaft und wird schließlich wegen Trunkenheit zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt. 1955 heiratet er Marie Knauer, mit der er ein Jahr später eine Tochter bekommt. 1959 lassen die beiden sich scheiden. Im selben Jahr heiratet er erneut, allerdings hält die Ehe mit Birgit Sandner nur wenige Wochen. 1960 versucht er es schließlich noch einmal und tritt mit Verena von Bethmann Hollweg vor den Traualtar. Ein Jahr später erblickt sein Sohn Philip das Licht der Welt. 1968 wird jedoch auch diese Ehe geschieden.

In den 1970er-Jahren widmet Janssen sich dem Thema Natur

Horst Janssen: Ein Anfang (1979), Zeichnung © Horst Janssen-Nachlass
Janssen malte neben Porträts auch viele Blumen wie dieses bekannte Motiv aus dem Jahr 1979.

In den 1970er-Jahren entdeckt der Lebemann, der seinen Ruf als Frauenheld, Rauf- und Saufbold nicht mehr los wird, die Landschaft. Hatte er zuvor überwiegend Karikaturen, Porträts und Blumen gezeichnet, widmet er sich nun zunehmend dem Zeichnen und Radieren der Natur. Die Stadt Mannheim verleiht ihm 1975 den Schillerpreis und zeigt ein Jahr später in der Kunsthalle eine Retrospektive seiner zeichnerischen Werke. Zwei Jahre später stellt das Stadtmuseum Oldenburg viele seiner Plakate aus, die er selbst auch genutzt hat, um seine Werkschauen anzukündigen.

Wien, Tokio, Moskau: Bilder in der ganzen Welt ausgestellt

Horst Janssen: "Allah ist bunt", Pastell, 1982 © VG Bild-Kunst Foto: VG Bild-Kunst
"Allah ist bunt" betitelt Horst Janssen dieses Pastell-Bild 1982.

Anfang der 1980er-Jahre gelingt dem Künstler der internationale Durchbruch. Ausstellungen seiner Kunstwerke finden in Wien, Tokio, Oslo und Paris, Nowosibirsk und Moskau statt. Große amerikanische Museen zeigen eine Wanderausstellung seiner Werke. Zeitgleich widmet er sich mehr und mehr der Schriftstellerei. 1987 erscheint der erste Band seiner Autobiografie "Hinkepott", zwei Jahre später der zweite Band "Johannes".

Seine zahlreichen Beziehungen zu Frauen nehmen Zeit seines Lebens nicht ab. Seit seiner dritten Scheidung lebt Horst Janssen mit Gesche Tietjens zusammen. Anfang der 1970er-Jahre bereisen sie gemeinsam die skandinavischen Länder. Kurz darauf trennt sich Janssen jedoch von seiner schwangeren Partnerin, die 1973 sein viertes und letztes Kind zur Welt bringt. Es folgen noch weitere Frauen in Janssens Leben. Diese Beziehungen spiegeln sich in vielen unterschiedlichen Porträts und erotischen Darstellungen der jeweiligen Frauen wider.

Horst Janssen stirbt 1995 an einem Schlaganfall

Am 19. Mai 1990 erleidet Horst Janssen einen schweren Unfall. Im Alter von 61 Jahren stürzt er mit dem Balkon seines Hauses in Hamburg-Blankenese aus 3,40 Metern in die Tiefe - und mit ihm mehrere Wannen voll Säure, die er zum Radieren benutzt. Janssen zieht sich eine Schädelplatzwunde, eine Schienbeinfraktur und einen doppeltem Beckenbruch zu, außerdem erleidet er eine beidseitige Hornhautverätzung wegen der Säure. Ihm droht eine Erblindung die jedoch zum Glück nicht eintritt.

Janssen arbeitet intensiv weiter und feiert Erfolge: In den 1990er-Jahren finden Ausstellungen in Dresden, Tokio, Oslo, Leipzig und Hamburg statt. 1992 erhält er die Ehrenbürgerwürde der Stadt Oldenburg, die 1995 eine große Werkschau seines Könnens zeigt. Im selben Jahr erleidet Janssen einen Schlaganfall und stirbt am 31. August. Beerdigt wird er auf dem Gertrudenkirchhof in Oldenburg.

Oldenburg ehrt Horst Janssen mit Museum

Horst-Janssen-Museum in Oldenburg © picture-alliance / dpa Foto: Ingo Wagner
Das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg ermöglicht auf insgesamt 1.000 Quadratmetern Fläche eine Begegnung mit dem Werk und der Persönlichkeit des Künstlers.

1997 - zwei Jahre nach seinem Tod - errichtet die Hamburger Kunsthalle das Janssen-Kabinett. In der Galerie der Gegenwart wird in ständig wechselnden Ausstellungen das zeichnerische Schaffen von Horst Janssen gezeigt. 2000 eröffnet das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg seine Pforten. Es verfügt über eine Bibliothek, die 25.000 Kunstbände zur Verfügung stellt, darunter nahezu alle Veröffentlichungen Janssens. Zum 80. Geburtstag Janssens veranstaltet das Museum vom 30. August bis 15. November 2009 die erste breit angelegte Retrospektive seit dem Tod des Künstlers mit rund 300 Werken.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | ZeitZeichen | 14.11.2009 | 20:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Porträt

Malerei

Grafik und Design

Mehr Geschichte

Kaufhaus-Chef Franz Weipert 1974 bei der ersten offiziellen Fahrt der Gondelbahn über den Bootshafen in Kiel. © Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Foto: Friedrich Magnussen

Als man in Kiel zum Einkaufen mit der Gondelbahn fahren konnte

Am 28. März 1974 wurde in Kiel eine ganz besondere Attraktion eingeweiht: die Weipert-Bahn, die über den Bootshafen führte. mehr

Norddeutsche Geschichte