Stand: 03.10.2006 09:00 Uhr

"Sicherheitsrisiko" - deutsch-deutsche Städtepartnerschaften

von Eva Storrer und Bert Lingnau

Gesellige Tage: Begegnungen nach der Wende

Trabi-Kolonne im November 1989. © Kai-Uwe Wärner Foto: Kai-Uwe Wärner
Trabi-Kolonne im November 1989.

Anfang 1990: Die Mauer ist gefallen, die Wiedervereinigung ist nur noch eine Frage der Zeit. Die Vertreter der Wuppertaler Stadtverwaltung versuchen, die Beziehungen nach Schwerin zu intensivieren. So werden beispielsweise im Frühjahr 1990 Schweriner Künstler nach Wuppertal eingeladen. Der Schweriner Kunstwissenschaftler und Galerist Ulrich Kavka ist mit dabei. "Das waren einfach drei, vier schöne Tage dort. Und wir haben dann bei einer Familie gewohnt, bei einem Grafiker, ich glaube, in der ersten Nacht haben die zwei Flaschen Sekt aufgefahren", erinnert er sich. Es bleibt jedoch nicht beim geselligen Trinken: Organisiert werden auch gemeinsame Kunstprojekte. So werden in den Folgemonaten Werke Wuppertaler Künstler im Schweriner Museum ausstellt sowie anders herum Schweriner Kunst in Wuppertal. Heute hat Ulrich Kavka keine Kontakte mehr in die Partnerstadt. Das liege "in der Natur der Sache", sagt er: Mittlerweile sei man mit dem Leben und Schaffen der westdeutschen Künstler eben ausreichend vertraut.

Auch die Stadt Bremen versucht nach der Wende, die Beziehungen nach Rostock zu festigen. Sie lädt die Rostocker Bürger zu einem Besuch ein. Zu denen, die sich nicht lang bitten lassen, gehört die Familie Böttcher. In Bremen meldet sie sich bei einer sogenannten Sammelstelle. Dort werden Adressen von Bremer Bürgern verteilt, die bereit sind, ostdeutsche Gäste zu beherbergen. Familie Böttcher findet Quartier bei einer freundlichen älteren Dame. In langen Gesprächen tauschen sie sich über das Leben in Ost und West aus. Auf dem Plan steht auch ein Stadtbummel. "Unser Sohn hat sich manches Mal die Nase an den Schaufensterscheiben platt gedrückt", erzählt Barbara Böttcher. "Gott sei Dank hatten wir das Begrüßungsgeld. Damit konnten wir ihm wenigstens kleine Wünsche erfüllen."

Die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Leipzig besteht seit 1987. © (c) dpa - Report Foto: Holger Hollemann
Die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Leipzig besteht seit 1987.

Heute gilt die Städtepartnerschaft zwischen Bremen und Rostock als überholt. Beendet wurde sie zwar nicht, aber sie "ruht", heißt es offiziell aus dem Bremer Rathaus. Der Kontakt der Böttchers zu ihrer Bremer Gastgeberin ruht ebenfalls. Schade sei das, aber verständlich, meint Klaus Böttcher: "Als die Neugier befriedigt war, haben diese Veranstaltungen automatisch nachgelassen." Auch andere Städtepartnerschaften sind mit der Zeit weitgehend eingeschlafen: ob zwischen Neubrandenburg und Flensburg, Stralsund und Kiel oder Güstrow und Neuwied. Inzwischen haben sie ihren ursprünglichen Sinn - Grenzen zu überwinden und für Begegnungen zu sorgen - weitgehend verloren. Mittlerweile sind in den meisten Städten die internationalen Partnerschaften in den Vordergrund gerückt.

"So schnell gibt man so etwas nicht wieder auf"

Eine der wenigen heute noch lebendigen Partnerschaften ist die zwischen Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern und der holsteinischen Gemeinde Oststeinbek. Organisiert über die jeweiligen Partnerschaftsvereine, machen Bürger aus Neustadt-Glewe und Oststeinbek noch immer gemeinsame Städte- oder Radtouren durch den norddeutschen Raum. Eine besonders enge Verbindung besteht zwischen den Chören, in denen, hier wie dort, plattdeutsche Lieder gesungen werden. Jährlich treffen sich die Chöre zu einem gemeinsamen Konzert.

Harmonisch war es, gerade in den frühen Neunzigerjahren, bei den Begegnungen nicht immer. "Es wurde auch manchmal hart miteinander diskutiert", erzählt Siegfried Eichler, der Vorsitzende des Neustädter Partnerschaftsvereins. Zum Beispiel über die Vor- und Nachteile des DDR-Bildungssystems. Doch letztlich seien die Streitigkeiten produktiv gewesen: "Man musste das dann erst so ein bisschen setzen lassen und auch für sich selbst verarbeiten, was einem der andere da gerade an den Kopp geknallt hat", sagt Siegfried Eichler. Uwe Menz, Bürgermeister von Neustadt-Glewe, ist sich sicher, dass die Freundschaft mit Oststeinbek noch lange Zeit besteht: "So schnell gibt man so etwas nicht wieder auf", sagt er.

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Deutsch-deutsche Städtepartnerschaften - Originalversion

Die ungekürzte Fassung des Textes aus der Reihe "Erinnerungen für die Zukunft" von NDR 1 Radio MV. Download (151 KB)

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 03.10.2006 | 19:00 Uhr

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