Stand: 13.04.2015 15:11 Uhr

Ein Wiedersehen im Lager Oberlangen

von Hedwig Ahrens

Es sind ausgerechnet Soldaten einer polnischen Panzerdivision, die am 12. April 1945 im emsländischen Lager Oberlangen eintreffen. Mit ihrer Ankunft bringen sie 1.700 Frauen aus ihrer eigenen Heimat die Freiheit zurück, die acht Monate zuvor den Nazis in Warschau die Stirn geboten hatten. Jedoch vergeblich, der Warschauer Aufstand blieb erfolglos, die Widerstandkämpferinnen wurden verschleppt und schließlich im Lager inhaftiert. 70 Jahre nach Kriegsende sind einige der Frauen ins Emsland zurückgekehrt, um dort die Orte ihrer Gefangenschaft und Befreiung zu besuchen. In der errichteten Gedenkstätte Esterwegen blicken sie zurück in ihre Vergangenheit.

"Wir sind sehr berührt"

Eugenia Maria Cegielska betrachtet ein Foto. Es zeigt die jungen polnischen Frauen im Lager Oberlangen am Tag der Befreiung. Sie halten sich gegenseitig, müssen sich auf Krücken stützen. Doch ihre Gesichter strahlen, die Frauen lächeln. Genau dieses Gefühl komme nun zurück, sagt die 90-jährige, ehemalige Widerstandskämpferin. Cegielska hat Tränen in den Augen und erklärt: "Das war ein Tag der Befreiung." Die Frauen seien überglücklich gewesen. Nun, sieben Jahrzehnte nach der Befreiung, seien sie wieder glücklich, weil sie zurückkehren durften. "Wir sind sehr berührt", sagt sie.

Frauen erkennen sich auf Bildern wieder

Ihre Gefühle teilen sie mit ihren mitgereisten Angehörigen, die sie immer wieder zu den ausgestellten, schwarzweißen Fotografien rufen: Einige entdecken sich wieder, etwa in einer Sanitäterin in weißer Schwesterntracht. Oder in einem Baby, das gerade von seiner Mutter auf eine Militärdecke gelegt wird. Maria Sapinska ist im Lager Oberlangen geboren. "Dieses Foto hier zu sehen, an diesem Ort, in dieser Größe - es ist sehr berührend", erklärt sie.

Im Kampf gegen das Nazi-Regime

Ihre Mutter war wie die 1.700 Gefangenen im Lager beim Aufstand in Warschau beteiligt. 63 Tage lang kämpfte der polnische Widerstand gegen die Soldaten des NS-Regimes, doch ohne Erfolg. Die erschreckende Bilanz: In der fast völlig zerstörten Stadt starben rund 200.000 Menschen. Die Widerstandskämpferinnen wurden von den Deutschen in Gefangenenlager verschleppt. Bei ihrem Besuch erinnern sich die Zeitzeuginnen noch genau an heruntergekommene Baracken mit eingeschlagenen Fensterscheiben. Sie litten an Durst und Hunger.

Bürgermeister: "Geht durch Mark und Bein"

Neben den Frauen steht nun Oberlangens Bürgermeister Georg Raming-Freesen (CDU). Er war es, der die Überlebenden zu dem Besuch in seine Gemeinde eingeladen hat. Gemeinsam haben sie am Sonntag einen Kranz am Gedenkpavillon für das Lager niedergelegt. Auch ihm geht die Zusammenkunft mit den ehemaligen inhaftierten Frauen nahe: "Das ist sehr, sehr beeindruckend", sagt Raming-Freesen. Ihm gehe es durch Mark und Bein. Als Gedenkstätten-Mitarbeiter kennt Kurt Buck dieses Gefühl: "Man hat es auch an der Reaktion der anderen Gäste gemerkt, dass es immer etwas Besonderes ist, wenn man Zeitzeugen zuhören kann." Menschen, die dabei waren und nun ihre Geschichte erzählen.

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