Am seidenen Faden: Hamburgs Weg zur Kapitulation
Ende April 1945 stehen die britischen Streitkräfte kurz vor Hamburg. Die Frontlinie verläuft lediglich 15 Kilometer südlich der Hansestadt. Die Lüneburger Heide befindet sich in der Hand der Briten, die am 15. April das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreien. Lüneburg ergibt sich am 18. April kampflos, Bremen fällt am 27. April - und erleidet große Verluste und massive Zerstörung, weil sich die Stadt bis zum Schluss widersetzt.
Hamburg kapituliert
Am 3. Mai 1945 war in Hamburg der Zweite Weltkrieg zu Ende. Die Hamburger wünschten sich Frieden in der Stadt, die in Trümmern lag.
Hitler fordert Kampf bis zum bitteren Ende
Der Weg Hamburgs scheint klar. Auf Hitlers Befehl wird die Stadt zur Festung erklärt. Das heißt: Sie soll unter allen Umständen verteidigt werden. Dabei ist die Hansestadt nach dem Bombenkrieg bereits schwer gezeichnet. Ende Februar 1945 erfolgt der 190. Bombenangriff. Von den 563.533 vor Kriegsbeginn vorhandenen Wohnungen sind im Mai 1945 lediglich 114.757 unbeschädigt geblieben. Zehntausende Menschen sind Opfer der Bomben geworden.
Volkssturm soll Abwehrkampf bestreiten
Am 22. April beginnt die offizielle "Festungskampfzeit“ in Hamburg. Panzersperren auf der Reeperbahn sollen den Briten Einhalt gebieten. Zudem sollen die Hafenanlagen für den Feind unbrauchbar gemacht werden, etwa durch das Versenken von Schiffen. Allerdings kann die Hamburger Militärführung Großadmiral Karl Dönitz davon überzeugen, den Befehl zur Zerstörung des Hafens zunächst auszusetzen. Neben den 20.000 verbliebenen regulären Soldaten steht der so genannte Volkssturm - alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren - zum Abwehrkampf bereit.
Alibi-Angriffe durch Kampfkommandanten
Doch Kampfkommandant Alwin Wolz ist die Aussichtslosigkeit der Lage bewusst. Wohl um dem Befehl offiziell nachzukommen, lässt Wolz Ende April zwei kleine Angriffe auf die südlich gelegenen Ortschaften Hoopte und Vahrendorf unternehmen, die sich bereits in britischer Hand befinden. Der Historiker Jan Heitmann bewertet Wolz' Verhalten als Tarnmanöver: "Um nicht abgelöst zu werden oder dieses Misstrauen zu zerstreuen, hat er sich gedacht, ... ich muss jetzt hier einmal den wilden Mann spielen, dann ist man in Berlin beruhigt."
Harburg unter Beschuss
Unterdessen verharren die Briten vor der Stadt und zeigen laut Heitmann "keine Neigung, in sinnlosen Kämpfen noch Opfer zu erbringen." Die britische Artillerie ist bereits so nah, dass sie gelegentlich Hamburger Außenbezirke beschießt. Im Visier der Briten stehen insbesondere wichtige Knotenpunkte wie der Harburger Bahnhof. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofs liegen die Phoenix Werke, wo Reifen für Wehrmachtsfahrzeuge hergestellt werden. Zudem befindet sich im Werk ein Lazarett, in dem auch britische Kriegsgefangene liegen.
Mutiger Plan zur Rettung des Lazaretts
Um das Lazarett zu schützen, lässt Stabsarzt Hermann Burchard ein Rotes Kreuz auf dem Werksdach anbringen und fasst mit Phoenix-Generaldirektor Albert Schäfer einen mutigen Entschluss: Sie wollen den Briten als Unterhändler entgegentreten und so das Lazarett retten. Burchard lässt sich die geplante humanitäre Rettungsaktion von Wolz genehmigen.
Mit weißer Fahne zu den britischen Linien
Am Morgen des 29. April startet ihre Mission: Gemeinsam mit ihrem Dolmetscher Leutnant Otto von Laun nähern sich Burchard und Schäfer den britischen Linien - und werden trotz weißer Fahne zunächst beschossen. Die Engländer erklären später, dass sie fürchteten, mit diesem Trick von der Wehrmacht ausspioniert zu werden. Die drei Unterhändler werden mit verbundenen Augen zum britischen Captain Thomas Martin Lindsay nach Buchholz gebracht. Dort versichern sie den Briten, dass das Werk seine Produktion vollständig eingestellt hat, und erhalten die Zusage, dass das Lazarett ab sofort nicht mehr beschossen wird.
- Teil 1: Hitler fordert Kampf bis zum bitteren Ende
- Teil 2: Briten loten Möglichkeit einer Kapitulation aus
