Der wegen Mordes angeklagte Hartmut M. (M.) trifft am 16.01.2007 im Landgericht in Würzburg (Unterfranken) zum Prozessbeginn ein. © picture alliance/dpa Foto: Daniel Karmann

2004: Als der Shell-Erpresser "Garibaldi" gefasst wird

Stand: 24.11.2024 00:00 Uhr

2004 erpresst ein Unbekannter den Shell-Konzern. Er droht mit Brandanschlägen. Bei der Geldübergabe am 24. November 2004 wird der Mann geschnappt. Später stellt sich heraus: Er hat auch zwei Frauen getötet.

von Jochen Lambernd

Von September 2004 an meldet sich ein Mann mehrfach telefonisch und schriftlich beim in Hamburg ansässigen Mineralöl-Konzern Shell. Er fordert eine Summe von vier Millionen Euro. Falls Shell nicht zahle, werde er Brandanschläge auf das Unternehmen verüben. Auch Tankstellen droht er, in die Luft zu jagen. Außerdem werde er Molotowcocktails von Autobahnbrücken werfen.

Die Hamburger Polizei richtet daraufhin eine Sonderkommission (Soko) ein. Sie trägt den Tarnnamen des Täters: "Garibaldi", nach dem italienischen Freiheitskämpfer (1807-1882).

Festnahme statt Geldübergabe

Es wird eine Geldübergabe vereinbart. Sie ist inszeniert und soll am 24. November 2004 bei Lüneburg stattfinden. Offenbar hatte der Täter geplant, dass das Geld aus einem Zug geworfen werden sollte. Eine ähnliche Übergabe hatte bereits der Kaufhaus-Erpresser "Dagobert" zehn Jahre zuvor initiiert. Doch dieses Mal kommt es nicht zu einem Abwurf des Geldes.  "Als der Mann aus einer Telefonzelle nahe der Bahnstrecke bei Bardowick die Modalitäten für die Übergabe durchgeben wollte, wurde er geortet", schreibt die "Welt" 2004. Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) nehmen den Erpresser kurz darauf fest. Er leistet keinen Widerstand.

Das Auto des Erpressers wird sichergestellt, anschließend die Wohnung des Mannes in Bayern durchsucht und ein Computer beschlagnahmt. Laut Polizei war der Mann "äußerst mobil und hat bundesweit agiert". Reinhard Bromm, der Leiter der Soko, sagt damals dem Hamburg Journal des NDR Fernsehens: "Wir haben seine Drohungen ernst genommen."

Täter war der Justiz bereits bekannt

Bei dem Täter handelt es sich um Hartmut M., einen damals 54 Jahre alten Kaufmann aus Bayern. Er ist ein ehemaliger Manager eines renommierten Porzellanherstellers. Der Vater zweier Kinder war seit Juli 2003 arbeitslos. Er wollte sich selbstständig machen und investierte viel Geld. Der Plan ging schief. Offenbar hatten ihn Geldsorgen zu der Tat getrieben. Von rund 400.000 Euro Schulden ist die Rede.

Der bayerischen Justiz ist Hartmut M. bereits bekannt - und zwar als Angeklagter in einem spektakulären Mordprozess. Ihm wurde vorgeworfen, 2001 eine Anhalterin getötet zu haben, indem er ihr die Kehle durchschnitt. Angeblich wollte er an ihr Reisegeld gelangen. Aus Mangel an Beweisen wird er 2004 vom Schwurgericht des Landgerichts Bayreuth zunächst freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legt Revision ein, der Bundesgerichtshof hebt den Freispruch Anfang 2005 auf und entscheidet, dass das Verfahren neu verhandelt werden muss.

Vier Jahre Haft wegen der Shell-Erpressung

Mauern, Zäune und Stacheldraht sichern den Eingangsbereich der JVA Fuhlsbüttel. © picture alliance Foto: Christian Charisius
M. kommt wegen der Shell-Erpressung 2005 in die JVA Fuhlsbüttel.

Die Millionen-Erpressung des Shell-Konzerns wird Anfang 2005 vor dem Hamburger Landgericht verhandelt. M. wird wegen versuchter räuberischer Erpressung zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Urteil fällt vergleichsweise milde aus, weil der Mann ein umfassendes Geständnis ablegt und seine Tat bereut. Die Erpressung sei "eine Dummheit" gewesen. Auch seine schwere persönliche und wirtschaftlich angeschlagene Situation wird bei der Urteilsfindung berücksichtigt. M. kommt in die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, um seine Haftstrafe zu verbüßen.

In Berufungsprozess wegen Totschlags verurteilt

Dann kommt es Anfang 2007 zum Berufungsverfahren im Mordfall der Anhalterin in Würzburg. Das Gericht ist von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Ein winziger Rest eines von ihm gekauften Klebebandes, der beim Opfer gefunden wurde, hat den Ausschlag gegeben. So wird Hartmut M. wegen Totschlags zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Mit der Verurteilung aus Hamburg ergibt sich eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten.

Noch eine tote Frau: Nach der Haft wieder vor Gericht

Der Angeklagte in einem Prozess um einen Mord vor rund 25 Jahren steht am 7. Juli 2021 in einem Gerichtssaal des Landgerichts Stuttgart und hält eine Zeitung vor sein Gesicht. © picture alliance/dpa Foto: Marijan Murat
Wegen des Mordes an einer Frau 1995 wird M. zu lebenslanger Haft verurteilt.

2017 wird Hartmut M. aus der Haft entlassen. Er wohnt in einer Schrebergartensiedlung in Hamburg. Doch am 12. Februar 2020 wird er erneut festgenommen. Grund: Er soll eine weitere Frau getötet haben und das bereits 1995 in Sindelfingen. Die damals 35 Jahre alte Frau wurde auf dem Heimweg von der Arbeit mit mehreren Messerstichen umgebracht.

Moderne DNA-Analysemethoden bringen die Fahnder auf die Spur von M. Unter den Fingernägeln des Opfers war eine fremde DNA festgestellt worden, die erst nach einem Vierteljahrhundert zugeordnet werden konnte. Das Landgericht Stuttgart verurteilt Hartmut M. 2021 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. M. legt Revision ein. Der Bundesgerichtshof gibt ihm Recht und kassiert das Urteil, weil es Mängel festgestellt hat. Doch M.s Hoffnung auf Freiheit zerschlägt sich: Vor dem Stuttgarter Landgericht wird dem ehemaligen Manager 2023 erneut der Prozess gemacht. Das Gericht weist nach, dass das Opfer arg- und wehrlos war - ein Mordmerkmal. Erneut wird M. zu lebenslanger Haft verurteilt.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 23.02.2005 | 19:30 Uhr

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