Szene aus "Große Freiheit Nr. 7" mit Hans Albers und Ilse Werner. © picture alliance/United Archives Foto: United Archives / kpa Publi.

NS-Propaganda: Ein Film durchkreuzt die Pläne

Stand: 05.01.2021 14:41 Uhr

"Große Freiheit Nr. 7" mit Hans Albers soll 1944 für Ablenkung vom Krieg sorgen, doch der Film ist den Nazis zu wenig linientreu und zu melancholisch. Statt in Hamburg wird er am 15. Dezember in Prag uraufgeführt.

von Simone Stoffers

Ein Film über zackige Seeleute, ein maritimes Heldenepos mit vielen eingängigen Seemannsliedern und Ufa-Star Hans Albers als bewährtem Draufgänger - so stellt sich Propagandaminister Joseph Goebbels den Farbfilm vor, der im Kriegswinter 1944 für Ablenkung von den Bombennächten sorgen soll.

Hans Albers als alternder Ex-Matrose Hannes

Hans Albers und Hilde Hildebrand im Spielfilm "Große Freiheit Nr. 7" von 1944. © picture alliance / Keystone Foto: Keystone
Nicht für Volk und Vaterland sticht Hans Albers in "Große Freiheit Nr. 7" am Ende wieder in See, sondern wegen seines gebrochenen Herzens.

Doch Hans Albers spielt nicht den kernigen Draufgänger, sondern den alternden, trinkenden Ex-Matrosen Hannes, der als Stimmungssänger im halbseidenen Hamburger Vergnügungslokal "Hippodrom" arbeitet. Als er Gisa (Ilse Werner), die ehemalige Geliebte seines verstorbenen Bruders, bei sich aufnimmt, verliebt er sich bald in das junge Mädchen und hofft, dass es ebenso für ihn empfindet. Er plant sogar, für Gisa seinen anrüchigen Beruf aufzugeben und als Barkassenkapitän sesshaft zu werden. Doch Gisa ist bereits in den frechen Werftarbeiter Willem verliebt. Als Hannes vom Scheitern seiner Liebe erfährt, beschließt er verzweifelt, Hamburg und das "Hippodrom" hinter sich zu lassen und wieder zur See zu fahren.

"Große Freiheit Nr. 7": Mit NS-Geldern finanziert

Goebbels, der selbsternannte "Schirmherr des deutschen Films", setzt darauf, dass Regisseur Helmut Käutner einen ähnlich unterhaltsamen Erfolg landen würde wie zuvor mit der Komödie "Wir machen Musik", und genehmigt in geldknappen Kriegszeiten rund 1,5 Millionen Reichsmark. Der Propaganda-Minister fordert ausdrücklich die Produktion von Unterhaltungsfilmen: "Auch die Unterhaltung ist heute staatspolitisch wichtig, wenn nicht sogar kriegsentscheidend", notiert er am 8. Februar 1942 in seinem Tagebuch. Doch statt fröhlicher Durchhalte-Lieder liefert "Große Freiheit Nr. 7" eher schwermütige Weisen wie "La Paloma" oder "Beim ersten Mal, da tut's noch weh".

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Dabei versucht die Reichsfilmkammer, wie bei allen deutschen Produktionen seit 1933, schon früh Einfluss zu nehmen. Aus dem ursprünglich geplanten Namen "Johnny" für den Hauptdarsteller wird ein deutscher "Hannes". Und damit keine subversiven Gedanken an eine große Freiheit entstehen, die es unter der Herrschaft der Nationalsozialisten nicht gibt, muss Regisseur Helmut Käutner "Nr. 7" im Titel hinzufügen, damit klar wird, es handelt sich hierbei nur um den Namen einer Seitenstraße der Reeperbahn.

Bomben auf Hamburg erschweren die Dreharbeiten

Regisseur Helmut Käutner (Bild: dpa) © dpa-Bildfunk
Regisseur Helmut Käutner muss die Reeperbahn wegen der Bombardements im Studio nachstellen.

Die Reeperbahn lässt Käutner wegen der Bombardements auf Hamburg im Studio nachstellen. Am 5. Mai 1943 beginnen die Dreharbeiten in den Berliner Ufa Ateliers Neubabelsberg und später Tempelhof, die ebenfalls bald unter den Bombenangriffen der Alliierten leiden. Darum muss die Produktion in die Barrandow-Ateliers im sicheren Prag umziehen. Dort ist Käutner, der ebenso wie Albers bemüht ist, Distanz zu den Nationalsozialisten zu wahren, weit weg vom Einfluss des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. So sorgt der Regisseur bei den im Herbst wiederum in Hamburg stattfindenden Außenaufnahmen zwar dafür, dass die Tarnnetze, mit denen der kriegswichtige Hafen bedeckt ist, nicht ins Bild geraten. Es erscheint aber auch kein einziges Hakenkreuz auf den Schiffen.

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"Große Freiheit Nr. 7": Aus Helden werden frivole Rabauken

Das Bild, das Käutner von den Besuchern des Hamburger Vergnügungsviertels St. Pauli zeigt, entspricht so gar nicht den Vorstellungen der Nationalsozialisten: Seeleute sind in "Große Freiheit Nr. 7" keine strammen Helden zur See, sondern frivole Rabauken. Frauen rauchen, trinken und richten ihre Strumpfbänder in der Öffentlichkeit und Protagonistin Gisa wird sogar im Bett mit ihrem Willem gezeigt, ohne mit ihm verheiratet zu sein. Zu allem Überfluss fährt Ufa-Star Albers am Ende nicht für Volk und Vaterland zur See, sondern wegen seines gebrochenen Herzens.

Besonders Großadmiral Dönitz protestiert. Er soll befunden haben, der Film mache die Marine verächtlich und sei abzulehnen. Die NS-Prüfstelle verbietet den Film am 12. Dezember 1944 für die Aufführung in Deutschland. Goebbels ordnet Schnitte für die Inlandsfassung an. Die geplante große Premiere in Hamburg wird abgesagt. Stattdessen findet am 15. Dezember die Uraufführung im Lucerna-Palast in Prag statt. Goebbels gibt nur einige Kopien zur Truppenbetreuung in den besetzten Ländern Polen, Tschechoslowakei und Frankreich frei. Darüber hinaus soll der Film in Schweden, Dänemark und der Schweiz für Devisen sorgen.

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Überraschend erhält "Große Freiheit Nr. 7" im Jahr 1945 den Schwedischen Kritikerpreis. Danach gibt die Kontrollstelle der Alliierten den Streifen frei, als eine der ersten deutschen Filmproduktionen nach dem Zweiten Weltkrieg. Am 9. September 1945 findet in Berlin die deutsche Erstaufführung statt. Die Geschichte vom Seemann Hannes und seiner unglücklichen Liebe feiert, trotz moralischer Einwände der Kirchen, große Erfolge an den Kinokassen und macht Hans Albers zum Nachkriegsstar. "Große Freiheit Nr. 7" wird einer der erfolgreichsten frühen Farbfilme.

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NDR Info | 14.12.2019 | 11:51 Uhr

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