Mit Stroh ausgestopfte Räder aus Eichenholz rollen in der Osternacht 1952 vom Osterberg in Lüdge im Weserbergland brennend zu Tal. Das traditionelle Spektakel lockt Jahr für Jahr tausende Besucher an. © picture-alliance / dpa

Alte Osterbräuche im Norden: Feuerräder und Eiertrullern

Stand: 29.03.2024 00:00 Uhr

Von Eiertrullern über Feuerräder bis Osterwaschen: In Norddeutschland gibt es verschiedene alte Bräuche und gelebte Traditionen zum Osterfest. Besonders die Ostfriesen tun sich mit ungewöhnlichen Disziplinen hervor.

von Stefanie Grossmann

Eierrollen, Eierschieben oder Eiertrudeln: In einigen Regionen in Deutschland wird dieser Osterbrauch mit seinen verschiedenen Bezeichnungen schon seit mehr als 400 Jahren begangen. Im sächsischen Bautzen existiert eine urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1550. Auch bei den Ostfriesen gibt es diese Tradition. Der 1909 gegründete Leeraner Heimatverein lässt sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder aufleben. Allerdings ruht der Brauch dann jahrzehntelang, erst seit 2011 treffen sich Familien aus Leer wieder an Orten wie dem Plytenberg, dem höchsten Hügel Ostfrieslands, zum Eiertrullern oder auch Eiertrüllern. Die Teilnehmer werfen hart gekochte und bunt gefärbte Eier etwa einen halben Meter weit, damit diese anschließend auf angelegten Bahnen weiter einen Hügel hinunterrollen. Derjenige, dessen Ei als erstes unten ankommt, geht als Sieger aus dem Osterspaß hervor. 

Norderney: Eiertrullern in den Dünen

Kinder lassen bunte Eier eine Düne hinunter rollen. © picture-alliance / dpa Foto: Jannis Meyer
Am Ostersonntag messen sich Kinder in den Dünen von Norderney im Eiertrullern.

Auf den Ostfriesischen Inseln - speziell auf Norderney - spielen Einheimische und Touristen das Eiertrullern traditionell in den Dünen. Die Mitwirkenden stellen sich dabei auf die Sandseite und lassen die Eier auf planierten Rampen, einer "Lünskebahn", hinunterkullern, ohne sie dabei zu werfen. Sieger ist derjenige, dessen Ei am weitesten kommt und dabei unbeschädigt bleibt. Als Gewinn erhält er das Ei des Gegners. Aus Naturschutzgründen findet das Eiertrullern heutzutage nur noch auf künstlich aufgeschütteten Sanddünen am Strand statt.  

Eine andere Tradition ist das sogenannte Eiersmieten, eine Art Osterei-Weitwurfdisziplin, die bevorzugt Jugendliche spielen. Es geht dabei darum, die Eier möglichst weit fliegen zu lassen. Beim Landen sollten sie unbeschädigt bleiben.

Eierbicken gehört zum Programm bei Osterfesten

Zu den weit verbreiteten Osterbräuchen in Ostfriesland gehört das Eierbicken, das die Emder auch als Eierhicken oder Eierticken bezeichnen. Im Jahr 1871 taucht es in Lingen erstmals im Programm eines Ostereier-Festes auf. 

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Tradition des Eierbickens am Ostermontag wieder aufgenommen. 1936 etwa wurde per Anzeige auf die Wilhelmshöhe geladen. Aus der einstigen "Unterhaltungs-Musik" war inzwischen ein "Großes Militärkonzert" geworden, und es wurde Eintritt verlangt. Auch in Baccum fand ein Eierbicken statt, und der Lingener Männerturnverein lud seine Mitglieder ebenfalls zum Eierbicken ein. Quelle: Stadt Lingen

Beim Eierbicken stoßen zwei Mitspieler ihre hart gekochten Ostereier leicht gegeneinander - mit dem Ziel, das Ei des jeweils anderen zu zerbrechen. Dabei gibt es unterschiedliche Varianten, etwa nur die Spitzen oder aber auch nur die flachen Seiten der Eier anzubicken. Derjenige, dessen Ei dabei zuerst beschädigt wird, hat verloren. In anderen Regionen Deutschlands ist diese Tradition auch als Eierklopfen oder Eiertitschen bekannt. 

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Osterfeuer: Vom heidnischen zum christlichen Brauch

Osterfeuer entfachen bereits die alten Germanen zur Tag- und Nachtgleiche. Diese Frühlings- oder Freudenfeuer sollen die Wintergeister, und damit alles Böse, vertreiben - und den Frühling und die Wiederkehr der Natur begrüßen. Das Feuer symbolisiert die Sonne und das Licht, das die Dunkelheit besiegt. Die Asche dient außerdem als Dünger für die Felder.

Osterfeuer in Ostfriesland im Jahr 1973 © picture-alliance / dpa Foto: Klaus Rose
In der Nacht zum Ostersonntag brennen wie hier in Ostfriesland zahlreiche Osterfeuer.

Mit der Christianisierung bekommt der populäre Brauch des Osterfeuers auch eine christliche Bedeutung. Der älteste schriftliche Beleg für diesen Brauch stammt aus dem Jahr 751: In einem Briefwechsel zwischen Papst Zacharias und dem Missionar Bonifatius wird über ein Passahfeuer gesprochen. Der älteste Beleg für das Osterfeuer als weltlichem Brauch geht auf eine Nennung in Hasselfelde im Harz 1559 zurück. In vielen norddeutschen Regionen brennen Osterfeuer hauptsächlich in der Nacht zum Ostersonntag. In anderen Teilen Deutschlands wird das Feuer, angelehnt an die Ostergeschichte, zwischen Karsamstag und Ostermontag entfacht - als Symbol für die Auferstehung Jesu.

"Hildebrand" in Hamburg häufig an der Elbe

In Hamburg sind die Feuer in früheren Zeiten unter dem Namen "Hildebrand" bekannt, was so viel wie "heiliger Brand" bedeutet. In der Hansestadt brennen entlang der Elbe üblicherweise noch heute große Osterfeuer und bieten dort ein besonderes Schauspiel. Besonders schön ist der Anblick vom Wasser aus.

Osterräder: Mit einem Sonnensymbol den Frühling begrüßen

Ein brennendes Osterrad rollt einen Hang hinunter. © Pressestelle Lügde
Wie Feuerwalzen rollen die traditionellen Lügder Räder Ostersonntag hinab ins Tal.

In ländlichen Regionen Norddeutschlands und im Harz ist das Anzünden von Osterrädern, die anschließend einen Hügel hinunterrollen, ein über 2.000 Jahre alter Brauch, um den Frühling zu begrüßen. Wie das Osterfeuer symbolisiert auch das Osterrad die Sonne. Einer Überlieferung nach will Karl der Große das heidnische Ritual im Jahr 784 verbieten. Doch auf Druck der Bevölkerung lässt sich der Herrscher umstimmen, er verfügt allerdings, dass die Speichen der Räder ein Kreuzsymbol darstellen soll. Aus der heidnischen Tradition wird eine christliche, die der Auferstehung Christi gedenkt. 

Osterräder von Lügde sind Weltkulturerbe

In den Tagen vor Ostern im April 1962 werden auf dem Osterberg in Lügde die Eichenräder für den traditionellen Osterräderlauf vorbereitet, das heißt mit Stroh ausgestopft. Am Osterabend rollen sie dann brennend ins Tal. © picture-alliance / dpa
In den Tagen vor Ostern werden in Lügde alte Eichenräder für den traditionellen Osterräderlauf mit Stroh ausgestopft (Aufnahme von 1962).

Berühmt für den Osterräderlauf ist der Ort Lügde zwischen Weserbergland und Teutoburger Wald. Dort rollen die imposanten Räder vom Osterberg ins Tal der Emmer. Die Mitglieder des Dechenvereins als Veranstalter des Lügder Osterräderlaufs setzen sich als Brauchtumswächter für die Ausführung des Räderlaufs ein. Die Vorbereitung der bis zu 280 Kilogramm schweren Räder ist sehr zeitaufwendig und dauert einige Wochen. Die Laufflächen für den Osterräderlauf müssen abgegrenzt werden, die Räder überholt und - wenn nötig - kleinere Schäden repariert werden. Damit die historischen Räder aus Eichenholz trotz des Feuers unbeschädigt bleiben, werden sie knapp eine Woche lang in der Emmer gewässert. Nur das Roggenstroh, mit dem die Räder von einem Durchmesser von 1,70 Metern ausgekleidet oder gestopft werden, soll trocken sein - und schließlich brennen. Traditionell rollen die Räder am Ostersonntag ab 21 Uhr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometern wie Feuerwalzen ins Tal. 

Als ein Brauch mit einem zentralen Beitrag zur Identitätsstiftung der Bewohner von Lügde gehört der Osterräderlauf seit Dezember 2018 zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

Osterwaschen: Fließwasser verspricht heilende Kräften

Ein heidnischer Volksbrauch ist das Osterwaschen. Schon in vorchristlicher Zeit laufen Jungfrauen in Pommern vor Sonnenaufgang am Ostersonntag schweigend zum nahen Fluss oder Bach, um das Osterwasser zu schöpfen. Das zu diesem Zeitpunkt frisch geschöpfte Wasser soll dem Volksglauben nach lange halten und nicht so schnell verfaulen. Das Fließwasser gilt als Ursymbol des Lebens und der Fruchtbarkeit schlechthin. Und so soll seine belebende und heilende Wirkung bei den Mädchen für Schönheit und eine reine Haut sorgen. Es kann angeblich sogar Augenkrankheiten lindern. Vieh, das zu Ostern mit diesem kühlen Nass besprengt wird, bleibt in diesem Jahr vor Krankheiten geschützt. Heutzutage wird dieser Brauch noch in Teilen Polens gepflegt, zum Beispiel auf der Insel Wollin.

Ratschen ersetzen lautstark das Glockengeläut

Jungen stehen mit einer Rassel oder Ratsche auf der Straße. © picture-alliance / United Archives
Kinder ziehen am Karfreitag mit Ratschen - wie hier in den 70ern - durch die Orte. Das Klappern ersetzt das Glockengeläut.

Zu den alten Traditionen gehört auch das Osterratschen, das vor allem in katholischen Regionen in Deutschland Popularität genießt. Schriftlich dokumentiert wird der Brauch erstmals im Jahr 1482 im nordbayerischen Coburg. Beim Osterratschen ziehen Kinder und Jugendlichen an Karfreitag mit Rasseln und Ratschen durch die Straßen. Die lauten Klangkörper ersetzen das Glockengeläut und rufen die gläubigen Christen zum Gottesdienst. Hintergrund dieses Brauchtums: In der Zeit von Gründonnerstag bis Karsamstag - dem Leidensweg Jesu Christi - läuten keine Kirchenglocken. Darüber hinaus vertreibt der Lärm der Rasseln laut Brauchtumskalender außerdem den Winter und wehrt böse Geister ab.

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Unsere Geschichte | 31.03.2024 | 12:15 Uhr

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