Stand: 25.11.2015 17:30 Uhr

Klimafreundlich? CO2-Bilanz in TV-Produktionen

von Daniel Bouhs und Dominik Schottner

Wir hier in Deutschland, wir lieben Bio. Bio-Fleisch, Bio-Tofu, Bio-Jeans, sogar Bio-Wasser lassen wir uns verkaufen. Ja, dank uns Medien könnte man sogar denken, Deutschland sei längst Einig-Bioland, so grün sind wir!

Stimmt aber gar nicht! Bio ist immer noch eine Nische, wenn auch eine, die wächst. Nur in den Redaktionen, da ist der vermeintlich-echte Bio-Boom, über den wir ja so gerne berichten, noch nicht angekommen. Im Gegenteil: Gerade wir beim Fernsehen setzen weiter hübsch auf Opulenz!

Soll das so? Es kann. Aber es geht eben auch sparsamer. Länder, die wir deutschen Ökostreber sonst immer belächeln, sind da schon deutlich weiter. In vielen europäischen Ländern, besonders in Frankreich, in England, sogar in den USA wissen Sender, Redakteure und Produzenten seit Jahren: Grün ist in Film und Fernsehen nicht nur die Farbe der Wand in virtuellen Studios. Sondern Grün kann auch ein Leitmotiv für die Herstellung von Inhalten sein. Nachhaltig, ressourcenschonend, oft sogar günstiger als althergebrachte Produktionsweisen.

Dasselbe machen - aber nachhaltig

Verschiedenfarbige Mülltonnen für die Mülltrennung während einer TV-Produktion. © NDR
Den Müll trennen kann man nicht nur Zuhause, sondern auch am Set.

Entscheidend dafür ist eine Frage, die wir auch aus dem Privatleben, kennen, wenn es um Nachhaltigkeit geht: Kann man das nicht auch anders machen? Kann man den Stromanbieter wechseln? Kann man die Glühbirnen austauschen gegen LED-Leuchten? Kann man an die Ostsee in den Urlaub fahren statt nach Thailand? Kann man den Pappbecher stecken lassen und stattdessen eine Tasse nehmen? In den meisten Fällen lautet die Antwort: Ja, man kann!

Die schlechte Nachricht ist: Übertragen auf Film und Fernsehen bedeutet das vor allem erst einmal, ein schnödes Protokoll zu führen. Eine Inventur der Prozesse zu machen. Die gute Nachricht ist: Das machen Produktionen sowieso in aller Regel schon. Wer fährt wann von wo nach wo und wie? Welche Fahrzeuge stehen im Fuhrpark? Wie viele und welche Leuchten sind im Einsatz? Wer liefert den Strom? Wer das Catering? Das alles und noch viel mehr Daten werden bereits erhoben und analysiert. Was zum "Grünen Fernsehen" fehlt, ist nur noch jemand, der die Daten auf ihr ökologisches Veränderungspotenzial hin überprüft. Der mit der Unterstützung der Entscheider fragt: Kann man das nicht auch anders machen? Und dann Vorschläge macht, wie es eventuell auch anders gelänge, ohne dass die Inhalte darunter leiden.

Brauchen die Sender Nachhaltigkeitsbeauftragte?

Was jetzt folgt, ist die beste Nachricht und wird Teile der Film- und Fernsehbranche vermutlich verunsichern: Für genau diese Aufgabe gibt es bereits erprobte Fachkräfte. Sie heißen Nachhaltigkeitsbeauftragte und werden in vielen Bereichen, wo es um Optimierung von Prozessen geht, bereits gewinnbringend eingesetzt.

Konventionelle Schweinwerfer beim Dreh können immer öfter durch LEDs ersetzt werden. © NDR
Scheinwerfer sind einer der Hauptenergieverbraucher bei Filmproduktionen.

Das wurde jetzt erstmals bei einem großen 20:15-Uhr-Fernsehfilm getestet, Ergebnisse liegen aber noch nicht vor. Vier Wochen vor Beginn des Drehs des Freiburger Tatorts "Fünf Minuten Himmel" stieß Christian Schega zum Team. Seine Hauptaufgabe: den CO2-Ausstoß der Produktion zu minimieren. Am Schnellsten geht das beim Transport: Bahn statt Flugzeug, Elektroauto statt Benziner, für besonders kurze Wege das Fahrrad. Kleinteiliger und komplizierter hingegen die Frage nach den Leuchten: Welcher Verleih hat eigentlich schon ausreichend LED-Lampen im Angebot? Taugen die was? Und schließlich der Punkt, an dem fast alle am Film Beteiligten in Kontakt mit dem Thema kommen: beim Catering. Bio und regional statt konventionell und vom Großmarkt. Dazu Mülltrennung statt Einheitstonne. Fertig.

Nachhaltige Produktion ist mühevoller als konventionelle

Dass das zum Teil mühselig ist und man einen ausgeprägten Glauben an die langfristigen Erfolge haben sollte, haben wir von ZAPP am eigenen Leib erfahren, als wir diesen Beitrag recherchiert haben. Wann immer möglich sind wir mit der Bahn gefahren, haben telefoniert und gemailt haben statt Menschen vor Ort zu besuchen, haben auf Ausdrucke verzichtet. Trotzdem produzierten wir rund 1,5 Tonnen CO2, ein Siebtel des Jahresaufkommens eines Einwohners von Deutschland.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 25.11.2015 | 23:20 Uhr