Unangenehme Fragen von "mystischem Deutschen"
Journalistinnen und Journalisten stellen Fragen. Und wenn sie keine befriedigende Antwort bekommen, dann stellen sie ihre Fragen einfach noch einmal. Für mich ist das eigentlich völlig normal. Gerade dann, wenn ein Land in der Corona-Krise einen so auffällig anderen Weg einschlägt wie Schweden das bisher tut.
Trotz Corona-Krise: Fast normaler Alltag in Schweden
Hier haben Kindergärten und Schulen bis Klasse neun noch geöffnet. Man kann abends in Restaurants gehen, das Schwimmbad besuchen oder am Wochenende shoppen. Der Corona-Alltag ist hier ein anderer als in Deutschland. Aber warum machen die Schweden das so? Und warum gehen sie beispielsweise davon aus, dass nur Menschen mit Symptomen für die rasche Ausbreitung des Virus entscheidend sind?
"Mystischer Deutscher" stellt unangenehme Fragen
Das wollte ich auf den Pressekonferenzen vom obersten Epidemiologen das Landes, Anders Tegnell, wissen. Und das nicht nur einmal. Und irgendwie muss das den schwedischen Journalisten aufgefallen sein. Jedenfalls tauchte meine Frage am Freitag vergangener Woche plötzlich in den Hauptabendnachrichten "Rapport" bei SVT (öffentlich-rechtliche Fernsehgesellschaft Schwedens, Anmerk. d. Red.) auf. Dann wurde kurz der Ausschnitt im wichtigsten Politmagazin des Landes gezeigt. Und plötzlich war da die Rede vom "mystischen Deutschen", der Anders Tegnell mit seinen Fragen in die Enge treibt.
Viele Schweden wollen anderen Corona-Kurs
Die größte schwedische Tageszeitung "Dagens Nyheter" enthüllte schließlich, um wen es sich bei diesem hartnäckigen deutschen Journalisten handelte, nämlich um mich, den ARD-Korrespondenten Christian Stichler. Auf einmal bekam ich viele Zuschriften und Tipps von Wissenschaftlern, Ärzten und Betroffenen. Sie schickten mir ihre Fragen, damit ich diese doch bitte auf den Pressekonferenzen stellen sollte, um die Regierung von ihrem liberalen Corona-Kurs abzubringen.
Andere Sicht auf Schweden
Ich wurde unter anderem von Sveriges Radio P3 in die größte Morning-Show des Landes eingeladen. Eine Boulevard-Zeitung schickte einen Fotografen vorbei. Man wollte etwas über die deutsche Streitkultur wissen und warum vielleicht im schwedischen Journalismus etwas zu viel "lagom" ( Im übertragenen Sinne: Mittelmaß, Anmerk. d. Red.) herrschte. Ich wurde zum Thema in den sozialen Medien. Und die schwedische Tageszeitung "Svenska Dagbladet" titelte sogar: "Was schwedische Journalisten von den Deutschen lernen können."
Dabei gibt es in Schweden natürlich hervorragende Reporterinnen und Reporter sowie Redakteurinnen und Redakteure. Vielleicht ist es einfach die andere Perspektive, die wir als Auslandskorrespondenten auf ein Land haben. Und schön, wenn das in einem Berichtsgebiet in Krisenzeiten in dieser Form eine solche Anerkennung findet.
