Die von der Sturmflut 1962 zerstörte Stöpe am Sandberg in Elmshorn © Ernst-Gerhardt Scholz Foto: Ernst-Gerhardt Scholz

Zeitreise: Erinnerungen an die Sturmflut vor 60 Jahren

Sendedatum: 13.02.2022 19:30 Uhr

Noch nie zuvor und nie wieder hat das Wasser in der Stadt im Kreis Pinneberg so hoch gestanden - die Sturmflut in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 in Elmshorn.

von Corinna Below

Am Abend des 16. Februar 1962 bewegt sich ein Sturmtief mit Orkanstärke auf die Nordseeküste zu. Um 20:33 Uhr sendet der Norddeutsche Rundfunk: "Verehrte Hörer, wir unterbrechen unsere Sendung für eine Meldung des Deutschen Hydrologischen Instituts. Für die gesamte deutsche Nordseeküste besteht die Gefahr einer sehr schweren Sturmflut. Das Nachthochwasser wird etwa drei Meter höher als das mittlere Hochwasser eintreten."

Ein Islandtief war von Grönland nach Mittelnorwegen gezogen und bringt nun ein extrem beständiges Sturmtief mit Dauergeschwindigkeiten um zwölf Windstärken. 20 Stunden tobt es über die schleswig-holsteinische Westküste.

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Das Hochwasser drückt nicht nur in die Elbe und richtet schwere Schäden in Hamburg an. Auch in den Nebenflüssen Stör, Krückau und Pinnau steigt das Wasser immer höher. Elmshorn ist besonders schwer getroffen. Ernst-Gerhardt Scholz ist damals 25 Jahre alt und hatte sich gerade erst seine erste Leica Camera gekauft. Gegen Mitternacht zieht er zusammen mit seiner Frau los, um zu sehen, wie sich die Sturmflut in der seiner Geburtsstadt entwickeln würde. "Ich wusste, das Wasser wird höher steigen als sonst." Und da fließt das Wasser auch schon in den Keller seines Hauses an der Feldstraße 9.

Ernst-Gerhardt Scholz dokumentiert mit seiner Kamera, wie die Ladeninhaber in der Königstraße mit Barrieren versuchen, ihre Geschäfte zu schützen und wie sie dann barfuß vor dem steigenden Wasser fliehen. Er erzählt: "Sie waren nicht begeistert, dass ich fotografierte."

Aus Steckdosen strömte Wasser

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Zur gleichen Zeit wird Familie Boldt, vom Spielzeug- und Haushaltswaren-Laden Boldt, klar, dass es möglicherweise eine schlimme Sturmflut werden könnte. Gisela Neels, die damals 21 Jahre alt ist und noch Boldt heißt, hatte gerade mit ihrer Familie zu Abend gegessen. Die Wohnungen liegen über dem Laden der Familie in der Königstraße 59 und 61. Gisela Neels erinnert sich, wie das Wasser im Keller aus den Steckdosen schoss. Bereits um 20 Uhr steht das Wasser in der Krückau etwa 3 Meter höher als normal. Sie läuft direkt hinterm Haus der Boldts entlang und steht längst im Garten. Um 21:20 Uhr signalisiert der mittlerweile achte Böllerschuss, dass ein Hochwasserstand von mindestens 4,10 Meter zu erwarten sei. 20 Minuten später wird der Katastrophenalarm ausgelöst. Um 22 Uhr werden noch mal Böllerschüsse abgefeuert, da der Cuxhavener Pegelmesser keine exakte Messung mehr liefern kann. Die äußerste Messgrenze von 5 Meter über Normalnull ist zu diesem Zeitpunkt längst überschritten. Es kommt zum Deichbruch und auch die Stöpe am Sandberg zerbricht unter dem hohen Wasserdruck.

Wasser in den Straßen und Stadt ohne Strom

Die Zeitreise rekonstruiert mithilfe von Ernst-Gerhardt Schulz und Gisela Neels diese einzigartige Sturmnacht. War die Nacht für Erst-Gerhardt Scholz vor allem faszinierend, war sie für die Familie Boldt beängstigend, unberechenbar und existenziell. In der ganzen Stadt bricht das Stromnetz zusammen. Durch die Straßen wälzen sich die Wassermassen. Um 3:00 Uhr erreicht die Flut die Höchstmarke von 5,08 Meter über Normalnull. Zwei Drittel des Stadtgebietes sind überschwemmt. In den Geschäften, auch bei Boldts, wird ein Wasserstand von 1,50 Meter gemessen.

Große Schäden nach der Flut

Am Morgen fließt das Wasser langsam ab und die Schäden werden sichtbar. Während Familie Boldt damit beschäftigt ist, aufzuräumen, zu putzen und zu retten, was zu retten ist, denn "wir mussten ja am Montag das Geschäft öffnen. Es musste ja weitergehen", zieht Ernst-Gerhardt Scholz wieder durch die Straßen und schießt Fotos von aufgerissenen Straßen und Schäden an der Stöpe. Der wirtschaftliche Schaden allein für die Stadt Elmshorn wird mit 30 Millionen D-Mark beziffert.

Ernst-Gerhardt Scholz verkauft seine Fotos an die Elmshorner Nachrichten. Die Sturmnacht, für ihn der Durchbruch für seine spätere Laufbahn als Fotograf und Journalist. Mithilfe seiner Fotos werden 2014 dann sogar Hochwassermarken in der Stadt angebracht. 5,08 Meter über Normalnull. Das sollte für Elmshorn einmalig bleiben.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 13.02.2022 | 19:30 Uhr

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