Stand: 15.01.2016 15:26 Uhr

"Nicht jeder Lügner ist ein Mörder"

Panorama - die Reporter: Wie erklären Sie sich, dass die Grevesmühlener zufällig in der Nacht in der Nähe des Brandortes waren, drei von ihnen zufällig frisch versengte Haaren hatten, die zufällig unabhängig voneinander entstanden sein sollen. Ist das nicht etwas zu viel Zufall?

Heinrich Wille war zur Zeit des Brandanschlags Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck.
Heinrich Wille war zur Zeit des Brandanschlags Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck.

Heinrich Wille: Ich erkläre mir das gar nicht. Das ist nicht mein Job. Es ist geprüft worden, die haben es geschildert. Wie es wirklich gewesen ist, weiß man nicht. Einiges mag wahr sein. Es ist denen zuzutrauen, obwohl das auch nicht sehr nett von mir ist, dass jemand auf die Idee kommt Tiere anzustecken, was auch eine Straftat ist. Sie waren verdächtig, brauchten nichts zu sagen, aus keinem sachlichen Grund. Und wenn sie gelogen haben - nicht jeder Lügner ist ein Mörder, sonst würden wir aussterben.

Sind diese abstrusen Erklärungen, wie diese Sengspuren entstanden sein sollen - einer will sich beim Ofenbeheizen verkokelt haben, der andere beim Benzinumfüllen und der dritte beim Anzünden eines Hundes - nicht etwas zu abenteuerlich?

Wille: Wissen Sie, das mag ja sein. Das interessiert mich nicht. Es reichte jedenfalls nicht aus, um sie zu überführen. Und dann mag das die Wahrheit sein oder nicht, so ist es nun mal. Ich bin kein Erklärer der Spinnereien von irgendwelchen Männern aus Grevesmühlen. In diese Köpfe reinzuschauen, trau ich mir nicht zu, tut mir leid. Ich habe auch Angst, dass ich da nicht viel finden werde.

Wieso glaubt die Staatsanwaltschaft diese Erklärungen?

Wille: Sie glaubt das nicht. Sie sagt, das ist egal, es sind keine belastenden Gesichtspunkte. Ich kann mich doch nicht lächerlich machen und sagen: der hat angekokelte Augenbrauen und jetzt klage ich ihn an wegen Mordes. Das ist doch absurd.

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Nochmal: Diese Männer haben zufällig Brandspuren, die nicht älter sind als 24 Stunden und waren in der Nacht in der Nähe des Tatortes.  

Wille: Ja und? Was besagt das? Wo sollen die sich die denn geholt haben? Mal ins Haus rein geguckt haben: Oh es brennt? Das ist doch absurd. Es gibt keine sachlichen Zusammenhänge.

Es kann dafür sprechen, dass sie vielleicht den Brand gelegt haben?

Wille: Die wollten ein Auto klauen und haben das gemacht. Da werden sie doch nicht so bescheuert sein, noch solche Geschichten zu machen. Also ich halte diese Vorstellung für absurd. Das ist reine Spekulation. Das waren Kleinkriminelle. Wenn man das merkwürdig findet - ja, das ist merkwürdig. Aber Merkwürdigkeiten sind keine Beweise. Vor allem keine belastenden Beweise.

Hätten Sie nicht intensiver in Richtung der Grevesmühlener ermitteln müssen?

Heinrich Wille war zur Zeit des Brandanschlags Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck.
"Merkwürdigkeiten sind keine Beweise" - Heinrich Wille hält die Indizien gegen die Grevesmühlener für nicht ausreichend.

Wille: Wir haben ermittelt, so intensiv es geht. Und wir hatten weiß Gott kein Personal das eigentlich zu tun. Wir haben das gemacht, um hier einer Legendenbildung vorzubeugen. Und irgendwo müssen wir uns auch rechtfertigen, wir können nicht immer nur ins Blaue arbeiten. Was wir in Richtung dieser Leute gemacht haben, ist überobligationsmäßig. Und es war aus der Sicht unserer personellen Belastung ein Luxus, den wir uns eigentlich nicht leisten konnten, den wir uns im Interesse der Sache geleistet haben, um hier wirklich sicher zu gehen.

Warum hat die Staatsanwaltschaft kein Interesse trotz der Unstimmigkeiten, den Fall noch einmal aufzurollen?

Wille: Weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt und wir an Gesetz und Recht gebunden sind. Alle die, die es fordern, fordern dies gegen das Gesetz und sollten sich besser informieren. Die Forderung ist unseriös, weil man entweder die Fakten nicht kennt oder nicht wahrhaben will.

Warum ist die Forderung unseriös?

Wille: Es gibt keinen Anlass, der von Gesetzes wegen ein Verfahren ermöglicht. Dafür braucht man einen Tatverdacht, einen Anfangsverdacht. Die Verfahren sind eingestellt, die gegen diese vier Männer gelaufen sind. Dagegen ist Beschwerde eingelegt worden beim Generalstaatsanwalt. Die ist verworfen worden. Dagegen gibt es einen Rechtsweg, dieser Rechtsweg ist beschritten mit einem Klageerzwingungsverfahren. In diesem konkreten Fall hat das Oberlandesgericht in Schleswig ganz bewusst in der Sache entschieden, dass ein Verdacht nicht besteht, dass also Ermittlungen gegen diese vier Männer nicht zulässig sind. Und mehr können wir als Staatsanwaltschaft an gesetzlich definierten Begrenzungen nicht bekommen und wer das ignoriert, den bezeichne ich als unseriös. Gegen diese Tatsache kann man nur angehen, wenn es neue Tatsachen gibt, wirklich neue Tatsachen gibt. Und all das was jetzt angesprochen wird, sind im Grunde die alten Geschichten von damals. Es gibt nichts Neues. Wenn irgendjemand einen wirklich neuen, tatsächlichen Gesichtspunkt hat, dann wird die Staatsanwaltschaft die letzte sein, die das nicht in Betracht zieht.

Was wäre für Sie ein tatsächlicher Gesichtspunkt?

Wille: Ein glaubhaftes Geständnis eines Täters beispielsweise.

Das Interview führte Panorama - die Reporter Autorin Birgit Wärnke

 

Dieses Thema im Programm:

Panorama - die Reporter | 19.01.2016 | 21:15 Uhr