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Fotoklau: Wie Pädosexuelle Alltagsbilder aus dem Netz stehlen

Dienstag, 04. Mai 2021, 21:15 bis 21:45 Uhr
Donnerstag, 06. Mai 2021, 01:20 bis 01:50 Uhr

Harmlose Alltagsfotos von Kindern, die von Eltern und Kindern in den Sozialen Medien veröffentlicht werden, stehen verstärkt im Fokus von Pädosexuellen. Das hat eine umfangreiche Recherche von Panorama und STRG_F ergeben. Demnach klauen die Täter massenhaft Aufnahmen aus privaten Social Media-Profilen, um sie anschließend in Foren hochzuladen, in denen auch Fotos getauscht werden, die schweren Kindesmissbrauch zeigen. Allein auf einer der größten illegalen Foto-Plattformen für Pädosexuelle stammt mindestens jedes vierte Bild ursprünglich von Facebook oder Instagram. Häufig werden die Aufnahmen obszön kommentiert, manchmal nennen die Täter auch Namen und Alter des Kindes und verlinken sogar die ursprünglichen Social Media-Profile.

Mehrere Millionen Fotos untersucht

Ermittlungsbehörden und Kinderschutz-Organisationen appellieren deshalb seit Jahren, keine Kinderfotos zu teilen. Doch wie groß das Interesse von Pädosexuellen an solchen  harmlosen Bildern von Mädchen und Jungen etwa beim Sport oder am Strand ist, das war bisher unbekannt. Dem Recherche-Team von Panorama und STRG_F ist es nun erstmals gelungen, die Herkunft von vielen Aufnahmen auf einschlägigen Plattformen zu klären. Dafür hat es automatisiert - und mit rechtlicher Beratung - mehrere Millionen Fotos untersucht. In Hunderttausenden Fällen entdeckte es den Nachweis, dass die Fotos ursprünglich von Facebook- und Instagram-Accounts stammen. Beide Dienste speichern einen eindeutigen Hinweis in jeder Bilddatei - in den sogenannten Metadaten. Dieser Hinweis bleibt bestehen, wenn das Bild an anderer Stelle unverändert hochgeladen wird. In vielen Foren fanden sich auch Anhaltspunkte auf YouTube, TikTok und WhatsApp als Quelle der gestohlenen Bilder.

 

Weitere Informationen
Kollage aus vielen Kinderfotos © NDR /ARD Foto: Screenshot

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Am besten gar keine Bilder ins offene Netz stellen

Den Ermittlungsbehörden ist der Diebstahl von Alltagsfotos von Kindern aus sozialen Medien bekannt: "Es ist erschreckend, wie häufig solche Alltagsbilder missbraucht und gegen den Willen der Abgebildeten verwendet werden", sagt Staatsanwältin Julia Bussweiler von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) im Interview mit Panorama. Dennoch würden die Behörden nur in den seltensten Fällen aktiv, wenn sie Alltagsbilder in Kinderpornografie-Foren entdecken. Denn die Aufnahmen an sich sind nicht strafbar; strafrechtlich relevant sind  hingegen die Kommentare, die etwa eine sexuelle Handlung beschreiben. Darüber hinaus könnte jeder Abgebildete das Recht am eigenen Bild geltend machen. "Dafür bräuchte es eine Anzeige der Eltern, aber die wissen zumeist gar nicht, dass ihre Fotos geklaut und in entsprechende Plattformen hochgeladen wurden. Das ist ein Problem", erklärt Bussweiler. Der sicherste Schutz für Kinder und Jugendliche sei es deshalb, gar keine Bilder offen ins Netz zu stellen.

Ermittler schließen "Boystown"

Eine der größten Plattformen, auf der im sogenannten Darknet kinderpornografische Inhalte getauscht wurden, war "Boystown". Ein Rechercheteam des ARD-Politikmagazins Panorama und von STRG_F konnte einen Datensatz einsehen, der Aufschluss über die Aktivitäten des Forums "Boystown" bis Ende 2020 gibt - und dessen Aufstieg zu einer der größten Tauschbörsen für Kindesmissbrauch bis zu deren Abschaltung nachzeichnet.

 

Wie die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main bestätigte, wurden die Betreiber bereits Mitte April festgenommen. Die Ermittlungen werden vom Bundeskriminalamt durchgeführt und dauern noch an. Hauptbeschuldigte sind vier Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit: ein 40-Jähriger im Kreis Paderborn, ein 49-Jähriger im Landkreis München, sowie ein 54-Jähriger in Paraguay sollen den Ermittlungen zufolge die Administratoren und Betreiber der Plattform gewesen sein. Ein 64-Jähriger in Hamburg wird beschuldigt, eines der aktivsten Mitglieder gewesen zu sein.

Die Ermittlungsbehörden sprechen nun von "mehr als 400.000 Mitgliedern", welche "Boystown" bis zur Abschaltung gehabt habe. Trotz der immensen Dimension des Forums ist allerdings davon auszugehen, dass tatsächlich deutlich weniger Menschen für Aktivität im Forum gesorgt haben. Panorama und STRG_F konnten in ihrem Datensatz berechnen, wie aktiv die User waren. Demnach haben 95 Prozent der Accounts nie etwas in diesem Forum gepostet.

Die jahrelangen und aufwändigen Recherchen begannen bereits vor der Corona-Pandemie. Dies erklärt, warum die Autor*innen bisweilen keine Masken tragen.

 

Redaktion
Schiffermueller, Dietmar