Stand: 21.01.2020 12:00 Uhr

Hamburg: Zu wenig Plätze für psychisch Kranke

von Kira Gantner und Simone Horst

Wenn Menschen psychisch erkranken, zum Beispiel an einer Psychose, kommen sie zunächst in die Psychiatrie. Dort erhalten sie Medikamente und professionelle Hilfe in Form von Therapie. In der Regel sind die Patienten nach einigen Wochen auf die Medikamente eingestellt und dürfen das Krankenhaus verlassen. Manchen Patienten fällt es aber schwer im Alltag mit der Krankheit umzugehen. Sie nehmen die Medikamente nicht richtig ein und fallen zurück in ihre Psychose. Diese Menschen brauchen eigentlich einen Platz in einer sogenannten "hochstrukturierten Einrichtung". Dort werden sie geschlossen untergebracht, werden rund um die Uhr betreut, sollen lernen mit ihrer Krankheit zu leben und werden langsam wieder an den Alltag gewöhnt.

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Nur 16 Plätze für ganz Hamburg

Eine geschlossene Unterbringung für psychisch kranke Patienten ist allerdings nirgendwo in Norddeutschland so schwierig zu finden wie in Hamburg. Hier gibt es nur eine Einrichtung mit 16 geschlossenen Plätzen. Im Jahr 2017 wurden darum 105 psychisch Kranke aus Hamburg in anderen norddeutschen Bundesländern geschlossen untergebracht.

In jedem Bundesland ist die Versorgung von psychisch kranken Menschen anders geregelt und die Plätze werden anders berechnet: Nach Informationen von Panorama 3 hat Schleswig-Holstein im Gegensatz zu Hamburg mindestens 850 Plätze. Davon sind viele aber auch von Hamburger Bürgern belegt. In Niedersachsen gibt es 406 geschlossene Plätze. Mecklenburg-Vorpommern hat insgesamt 611 Plätze, allerdings kann uns das Land nicht sagen, wie viele davon geschlossen sind.

Soziales Umfeld wichtig für die Heilung

"Die geschlossenen Langzeit-Einrichtungen in Hamburg kann man im Grund an einer Hand abzählen. Es ist eigentlich immer schon vorhersehbar, dass man kurzfristig einfach keinen Platz in einer Pflegeeinrichtung findet", berichtet uns ein Betreuer, der seinen Namen nicht veröffentlichen möchte. Er vertritt die Rechte dieser Patienten, weil sie es selbst nicht mehr können. Da in Hamburg regelmäßig keine Plätze in Langzeit-Einrichtungen zur Verfügung stehen, muss der Betreuer seine Klienten oft hunderte Kilometer entfernt unterbringen. Viele Betroffene sind damit unzufrieden, denn sie können ihre Familie und Freunde nicht mehr regelmäßig sehen. Dabei betonen Experten immer wieder, wie wichtig das soziale Umfeld für die Heilung ist. Doch die Stadt Hamburg nimmt das nicht ernst genug.

Behörden verweigern Auskunft

Eine Kommission, die die Psychiatrien in Hamburg beaufsichtigt, weist in ihren regelmäßigen Berichten auf diesen Mangel an hochstrukturierten Einrichtungen hin - seit fast 20 Jahren. Doch Sozialbehörde und Gesundheitsbehörde schieben sich das Problem gegenseitig zu. Beide Senatorinnen, Melanie Leonhard und Cornelia Prüfer-Storcks, lehnen ein Interview ab. Unsere Nachfragen werden wochenlang nicht beantwortet. Von der Sozialbehörde erhalten wir lediglich einen allgemeinen Text zur Versorgung psychisch Kranker.

"Hamburg ist eine Millionenstadt: Die zur Verfügung stehenden Plätze in geschlossenen Langzeit-Einrichtungen stehen dazu in keinerlei Verhältnis. Ich finde das vermittelt kein positives Bild von einer modernen Stadt wie Hamburg, dass wir hier überhaupt einer solchen Problematik ausgesetzt sind", findet der Betreuer.

In der Hansestadt müssten mindestens 100 geschlossene Plätze geschaffen werden, schätzen Experten. Doch solange das nicht passiert, geben manche Betreuer ihre Fälle sogar wieder ab. Sie sagen, sie können die Verantwortung nicht mehr übernehmen.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 21.01.2020 | 21:15 Uhr

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