Käpt'ns Dinner

Mit Michel Abdollahi und Politiker Gregor Gysi

Samstag, 12. November 2022, 01:00 bis 01:30 Uhr

Im Talk mit Michel Abdollahi blickt Gregor Gysi auf sein Leben zurück. Bei Rollmops und Leberwurstschnittchen sagt der langjährige Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag zu seinem Einstieg in die Politik aus heutiger Sicht: "Ich würde im Dezember ´89 Nein sagen. Ich würde den Job nicht übernehmen. Dafür war er in den ersten Jahren zu hart." Gysi hatte im Wendejahr 1989 den Vorsitz der SED übernommen, die er dann zur PDS umbaute und mit der er in den gesamtdeutschen Bundestag einzog.

Gysi warnt davor, Familie und Freunde zu vernachlässigen

Gregor Gysi (l.) und Michel Abdollahi. © NDR/Stefan Mühlenhoff
Diesmal zu Gast im U-Boot: Gregor Gysi.

Wer in der ersten Reihe der Politik stehe, so Gysi, nehme sich zu wichtig. Rückblickend habe er seiner Arbeit zu viel untergeordnet: "Man vernachlässigt den Alltag, die Familie, die Freundinnen und Freunde. Und irgendwann zerbricht die Freundschaft. Und dann kannst du nicht nach zehn Jahren anrufen und sagen, jetzt ist wieder alles wie es mal war. Das kannst du vergessen." Er habe diese Erfahrung selbst gemacht und möchte andere davor warnen: "Wenn ich nochmal leben könnte, was ich gar nicht will und gar nicht vorhabe, das würde ich anders machen."

Anekdoten aus der ehemaligen DDR

Im Gespräch mit Michel Abdollahi auf der Kommandobrücke eines alten U-Boots im Hamburger Hafen erzählt Gregor Gysi Anekdoten aus der ehemaligen DDR, wo er als Rechtsanwalt arbeitete. Auf die Frage, ob er schon mal etwas Illegales gemacht habe, antwortet Gysi: "Selbstverständlich. Ich habe, als es in der DDR noch verboten war, einer Frau geholfen, die verzweifelt war und eine Möglichkeit zur Abtreibung suchte. Und ich kannte einen Arzt."

Gysi verärgert über die Art und Weise der Wiedervereinigung

Noch heute ärgert sich Gysi über die Art und Weise der deutschen Wiedervereinigung: "Wenn man fünf, sechs Sachen übernommen hätte, den Rest nicht. Dann wäre das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen angestiegen, weil die gesagt hätten: Trotz der Diktatur, sechs Sachen sind so gut, dass sie jetzt in ganz Deutschland gelten. Und die Westdeutschen hätten erlebt, dass wegen des Hinzukommens des Ostens sich ihre Lebensqualität erhöht hätte. Das tut mir noch heute leid, weil es auch das Bewusstsein der Einheit in der Bevölkerung prägt."

Beim "Käpt'ns Dinner" zwischen rostigem Stahl und russischem Kriegsmobiliar ist alles anders: keine Kerzen, kein Tischtuch und erst recht keine Zeit für belanglose Plaudereien. Hier wird's eng und intensiv und persönlich, jenseits aller Politik. Es geht um Privilegien, den Glauben an Gott und Drogen. Eine halbe Stunde Talk an Bord eines russischen U-Boots aus dem Kalten Krieg, zur Lage der Nation und allem, was sonst noch wichtig ist.

Moderation
Michel Abdollahi
Produktionsleiter/in
Frederik Keunecke
Redaktion
Christine Gerberding
Regie
Stefan Mühlenhoff
Autor/in
Stefan Mühlenhoff
Nicole Kraut
Redaktion
Anke Haverkemper