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Sind unsere Dörfer noch zu retten?

Montag, 26. September 2022, 22:00 bis 22:45 Uhr

Heruntergekommene Fassade eines leerstehenden Hauses. Zwei von drei Fenstern sind mit Brettern verschlossen. Davor stehen ein großer Müllcontainer sowie Kartons. © MDR/Hoferichter & Jacobs
Abwanderung und Überalterung sind die größten Probleme im ländlichen Raum.

Knapp 60 Prozent der Deutschen leben auf dem Land. Ihnen stehen laut Grundgesetz "gleichwertige Lebensverhältnisse" zu, so interpretieren Experten das Grundgesetz. Das Problem: An einer haltbaren Definition, was gleichwertig überhaupt bedeutet, ist die Politik bisher gescheitert. Stattdessen ist sie vielmehr jahrelang der Spirale aus Abwanderung, schwacher Wirtschaftskraft und weiterer Abwanderung aus dem ländlichen Raum hinterhergerannt und hat versucht, die Zahlen durch Verwaltungs- und Gemeindereformen schönzurechnen, kritisiert Felix Rösel vom ifo Institut Dresden.

Populisten profitieren von Gemeinde-Fusionen

Jetzt gibt es in Deutschland Landkreise, die größer als das Saarland sind, bei denen man bis zum nächsten Amt mehrere Stunden fährt. Die Folge: Die Einwohnerinnen und Einwohner werden entmündigt, haben keine Entscheidungsgewalt. Dort, wo Kreise oder Gemeinden fusionieren, sinkt das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, es sinkt die Wahlbeteiligung. Und es profitieren Populisten.

Auf dem Land fehlen Schulen, Ärzte und Supermärkte

Die Zahlen sind düster: 15.000 Kilometer Bahngleise wurden in den vergangenen 70 Jahren deutschlandweit stillgelegt, seit 1990 hat sich die Zahl der Supermärkte halbiert. Im ähnlichen Zeitraum haben allein in Sachsen knapp 40 Prozent der Grundschulen auf dem Land geschlossen. Bis 2035 werden deutschlandweit etwa 11.000 Hausärzte fehlen, die meisten von ihnen auf dem Land.

Lohnt es sich, alle Dörfer zu erhalten?

Blick auf ein Dorf im Frühling von einem erhöhten Standpunkt aus: Häuser, grüne Bäume und blauer Himmel. © MDR/Hoferichter & Jacobs
Knapp 60 Prozent der Deutschen leben auf dem Land. Ihnen stehen laut Grundgesetz "gleichwertige Lebensverhältnisse" zu.

"Einen echten Paradigmenwechsel. Einen neuen Politikansatz, den es so seit der Wiedervereinigung nicht gab", nannte "Heimatminister" Horst Seehofer Anfang des Jahres den Zwischenbericht der extra eingerichteten Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse", die Fachwelt spricht dagegen von einem schwachen Rettungsversuch, der weit unter den Möglichkeiten bleibt. Denn was bringen unzählige neue Fördertöpfe, wenn diese nur den eh gut dastehenden Kommunen helfen und Bürokratie jedes Engagement im Keim erstickt?

Schließlich werden schon jetzt in Mecklenburg-Vorpommern gerade einmal 21 Prozent der möglichen Fördergelder abgeholt, während es in Baden-Württemberg 83 Prozent sind. Und über allem schwebt die Frage: Lohnt es sich, rein wirtschaftlich und ökologisch betrachtet, tatsächlich, alle Dörfer zu erhalten? Und sollte Daseinsvorsorge nicht besser komplett neu gedacht werden? Die Dokumentation begibt sich deutschlandweit auf die Suche nach einer Antwort.

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Autor/in
David Holland
Redaktion
Astrid Harms-Limmer
Silke Heinz
Kathrin Becker

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