Stand: 07.10.2016 10:28 Uhr

Die "Ätherwelle": Erinnerung an den Physiker Heinrich Hertz

von Holger Röttgers
NDR Intendant Lutz Marmor vor der Skulptur "Ätherwelle".
NDR Intendant Lutz Marmor bei der Einweihung der "Ätherwelle".

Vor Haus 20 auf dem NDR Gelände am Rothenbaum hat eine ganz besondere Skulptur einen neuen Platz gefunden: die "Ätherwelle" des aus Hamburg stammenden Künstlers Friedrich Wield. Sie ist dem Hamburger Physiker Heinrich Hertz gewidmet, der mit seinen Forschungsergebnissen die Grundlage zur Entwicklung unter anderem des Radios lieferte. Das Bronzewerk stand bislang im Eichenpark im Stadtteil Harvestehude.

"Der Hamburger Heinrich Hertz war ein Pionier der Radioentwicklung", sagte Intendant Lutz Marmor bei der Einweihung am 30. September 2016. "Deshalb ist unsere Traditionsadresse am Rothenbaum ein guter Platz für die an ihn erinnernde Plastik."

"Schlusspunkt einer bewegenden Geschichte"

Holger Hertz, Lutz Marmor, Henrik Hertz, Gabriele Hertz, Boris und Inge Kegel-Konietzko, Dr. Carsten Brosda (v.l.).
Holger Hertz, Lutz Marmor, Henrik Hertz, Gabriele Hertz, Boris und Inge Kegel-Konietzko, Dr. Carsten Brosda (v.l.).

"Bei der heutigen Einweihung der Bronzeplastik 'Ätherwelle' am neuen Standort beim NDR handelt es sich um den Schlusspunkt einer ebenso bewegten wie bewegenden Geschichte eines Kunstwerks, seines Schöpfers sowie dessen Freunden und engagierten Unterstützern", so Dr. Carsten Brosda, Kulturstaatsrat der Hamburger Kulturbehörde. "Ihrem Zusammenwirken ist es zu verdanken, dass wir das Werk nun endlich an seinem ursprünglich geplanten und inhaltlich passenden Standort am NDR aufstellen können."

Rückblick

Als die Nordische Rundfunk AG (NORAG) und der Hamburger Senat 1931 dem Bildhauer Friedrich Wield den Auftrag erteilten, ein Denkmal für Hertz zu schaffen, ahnte wohl niemand, mit welch' bewegender Geschichte dieses Werk einmal verknüpft sein würde.

Wield entwarf die Bronzeplastik 1931 als Denkmal für den 1857 in Hamburg geborenen Physiker Heinrich Hertz. Der Künstler gewann damit einen vom Hamburger Senat auf Initiative des damaligen Reichsrundfunkkommissars Staatssekretär Dr. Bredow ausgelobten Wettbewerb. Die Realisierung des Siegerentwurfs wurde jedoch vom nationalsozialistischen Senat 1933 aus rassistischen Gründen verhindert. Ein gussfertiges Gipsmodell des Kunstwerks lagerte mehr als 50 Jahre im Keller der Hamburger Kunsthalle, wo es später wiederentdeckt wurde. Im Auftrag der Kulturbehörde wurde ein Bronzeguss gefertigt, der 1994 im Eichenpark an der Außenalster aufgestellt wurde.

2015 wurde auf die Initiative von Henrik Hertz, einem Nachkommen von Heinrich Hertz, und Boris Kegel-Konietzko, dem Erben des künstlerischen Nachlasses von Friedrich Wield, beschlossen, die "Ätherwelle" an den ursprünglich favorisierten Standort auf dem NDR Gelände zu versetzen. Die Kosten für die Umsetzung übernahm die Firma Arnold Hertz & Co. Seit vergangener Woche steht die Skulptur auf einem aus Backsteinen gemauerten Sockel an der Rothenbaumchausse.

Skulptur soll Tonwellen darstellen

Die Skulptur "Ätherwelle".
Die "Ätherwelle" auf dem NDR Gelände am Rothenbaum.

Die Skulptur zeigt einen männlichen und einen weiblichen Körper, deren auf- und niederfließende Bewegungen den Verlauf von Tonwellen darstellen sollen. Der Künstler selbst definierte sein Denkmal einst so: "Die kauernde Frauengestalt stellt die Erde dar, über sich der Genius der Ätherwelle, die schwebende männliche Figur mit den weit ausgebreiteten Armen."

Friedrich Wield (1880-1940), Schüler von Auguste Rodin, war ein bedeutender Bildhauer seiner Zeit. Die Nationalsozialisten entzogen ihm systematisch seine Existenzgrundlagen, weil er neben dem Denkmal für den jüdischen Wissenschaftler Heinrich Hertz auch weitere künstlerische Arbeiten für zum Teil jüdische Auftraggeber ausgeführt hatte. Er wurde von der Liste staatlicher Aufträge gestrichen, für sein Atelier im Keller der Kunsthalle sollte er kurzfristig eine immens erhöhte Miete bezahlen, er wurde gesellschaftlich diffamiert und immer mehr isoliert. 1940 nahm sich Wield, kurz nach seinen 60. Geburtstag, in seiner Wohnung an der Ulmenau das Leben.