Stand: 30.04.2020 16:00 Uhr

Mord an Walter Lübcke: Geldstrafe für Waffenkäufer von Stephan E.

Der jetzt angeklagte mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Stephan E., hat wohl illegal mit Pistolen und Gewehren gehandelt. Wegen illegalen Waffenbesitzes muss ein Arbeitskollege von Stephan E. nach NDR Informationen nun eine Geldstrafe zahlen. Die Staatsanwaltschaft in Kassel geht davon aus, dass der Beschuldigte die Waffe von Stephan E. gekauft hatte.

Die Staatsanwaltschaft Kassel hat gegen den 47-jährigen Timo A., einen Arbeitskollegen von Stephan E., wegen unerlaubten Waffen- und Munitionsbesitzes einen Strafbefehl erwirkt. Wenn Timo A., der bisher nicht als Straftäter aufgefallen war, nicht binnen zwei Wochen Einspruch gegen den Strafbefehl in Höhe von 3000 Euro einlegt, gilt er als verurteilt. Laut Staatsanwaltschaft Kassel soll Timo A. seit 2016 "einen funktionsfähigen schwarzen Revolver" vom Typ "Smith & Wesson" und dazugehörige Munition besessen haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass Timo A. die Waffe vom mutmaßlichen Mörder Stephan E. gekauft hatte. Sie war im vergangenen Jahr bei einer Durchsuchung sichergestellt worden. Das Amtsgericht Eschwege hat auf NDR Anfrage bestätigt, dass der Strafbefehl erlassen wurde.

In Stephan E.s erstem Geständnis im Juni 2019 hatte er auch über seine Tätigkeit als Waffenhändler ausgesagt. So kamen die Ermittler seinem Kollegen Timo A. auf die Spur. Stephan E. erwähnte nicht nur, dass er Timo A. eine Schusswaffe verkauft hatte. Auch zu Timo A.s mutmaßlich rechtsextremer Gesinnung machte der Mordverdächtige Angaben. Sie beide hätten ähnliche politische Ansichten, gab Stephan E. nach Recherchen des NDR zu Protokoll. In einem Gespräch hätte Timo A. sich verächtlich über Walter Lübcke geäußert, sagte Stephan E. bei seiner Vernehmung. In seiner Ablehnung gegen das spätere Mordopfer habe Timo A. den Neonazi Stephan E. bestärkt. Gegenüber dem NDR bestritt der Anwalt von Timo A., dass sein Mandant eine rechtsextreme Gesinnung habe. Timo A. weise es "als üble Diffamierung" zurück, dass er Stephan E. in seinem Hass auf Walter Lübcke bestärkt haben soll, teilte der Verteidiger mit.

Einem anderen Arbeitskollegen soll Stephan E. gleich mehrere Waffen verkauft haben. Gegen den 48-jährigen Jens L. laufen deswegen ebenfalls Ermittlungen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung bei Jens L. im Juni 2019 fanden die Beamten acht Lang- und Kurzwaffen sowie Devotionalien aus der Nazizeit. Jens L. steht außerdem unter Terrorismusverdacht. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Konkrete Anschlagspläne hätten die Ermittlungen bislang nicht ergeben, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt auf NDR Anfrage.

Stephan E., der sein erstes Geständnis inzwischen widerrief, behauptete in einer neuen Aussage Anfang Februar, dass Jens L. nach dem Mordanschlag auf Walter Lübcke beim Vergraben der Tatwaffe Schmiere gestanden haben soll. Bei der Befragung im Polizeipräsidium Nordhessen in Kassel, bei der auch ein Vertreter der Bundesanwaltschaft anwesend war, sagte Stephan E. nach NDR Informationen aus, dass Jens L. beim Verstecken des Revolvers auf dem Firmengelände des Arbeitgebers anwesend gewesen sei. Als die Mordermittler Jens L. mit der Aussage von Stephan E. konfrontierten, bestritt dieser, beim Verstecken der Tatwaffe dabei gewesen zu sein. Die Polizei schätzt die Aussage von Jens L. als "glaubhaft" ein. Jens L.s Anwalt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

30. April 2020 / IB

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