Stand: 11.04.2019 11:00 Uhr

Emil Noldes „Sonnenblumen“ nach Jahrzehnten wieder ausgestellt: ab 13. April im Sprengel Museum Hannover

Das lange verschollene Ölbild „Sonnenblumen“ des Expressionisten Emil Nolde (1867 – 1956) ist erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert wieder in einer öffentlichen Ausstellung zu sehen: Als Leihgabe des NDR zeigt das Sprengel Museum Hannover ab 13. April das gerade restaurierte Werk. Es ist Teil der Ausstellung „Elementarteile“, die anlässlich des 50. Jahrestages der Schenkung von Bernhard und Margrit Sprengel an die Stadt Hannover und des 40-jährigen Bestehens des Museums stattfindet. Das Gemälde „Sonnenblumen“ steht neben weiteren Arbeiten von Nolde, der mit dem Ehepaar Sprengel befreundet war, in einem von zehn Themenräumen im Kontext von Naturdarstellungen des 20. und 21. Jahrhunderts.

Lutz Marmor, NDR Intendant: „Die öffentliche Auseinandersetzung mit Emil Nolde und seine historische Einordnung sind wichtig. Sie ist eine Aufgabe für unsere eigenen Programme, aber ebenso für Kunsthallen und Museen. Deshalb möchten wir Noldes Bild allen Menschen in Norddeutschland zugänglich machen. Gemeinsam mit großen Häusern in allen vier NDR Ländern haben wir ein Ausstellungskonzept für die ‚Sonnenblumen‘ entwickelt. Die Zusammenarbeit mit den beteiligten Museen ist sehr konstruktiv und erfreulich, wofür ich mich herzlich bedanke. Start ist in Niedersachsen - wir freuen uns auf die Premiere im Sprengel Museum Hannover!“

Dr. Reinhard Spieler, Direktor Sprengel Museum Hannover: „Der umfangreiche Bestand von Werken Emil Noldes im Sprengel Museum Hannover beruht auf der Sammlerleidenschaft von Bernhard und Margrit Sprengel. Der Nolde-Bestand war zugleich Anlass für das Museum, in die Provenienzforschung einzusteigen. Ein 1999 veröffentlichter Katalog arbeitet ein umfangreiches Korrespondenzkonvolut auf, das Einblick in Sprengels Erwerbungen gibt. Das 1926 entstandene Gemälde ‚Sonnenblumen‘ fügt sich hervorragend in den Hannoveraner Sammlungsbestand ein: als wichtiges Bindeglied zwischen den Arbeiten aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und der Zeit des Nationalsozialismus. Wir freuen uns, im Jubiläumsjahr erster Gastgeber des Werkes auf seiner Reise zu sein.“

Auch die weiteren Stationen für die Ausstellung der „Sonnenblumen“ stehen bereits fest: Voraussichtlich im kommenden Jahr präsentiert die Kunsthalle Hamburg das Gemälde. Anschließend wird es in der Kunsthalle zu Kiel zu sehen sein, und für 2022 hat das Staatliche Museum Schwerin zugesagt. Zuletzt war das Bild 1967 im Kunstmuseum von Nyköbing (Dänemark) ausgestellt gewesen, bevor es zwölf Jahre später unter mysteriösen Umständen gestohlen wurde.

Das 1926 entstandene Ölgemälde „Sonnenblumen“, das als kunsthistorisch bedeutsam gilt, war noch im Besitz seines Schöpfers, als es Nolde 1950 an den NDR-Vorläufer Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR) verkaufte. Damals kostete das Bild vergleichsweise bescheidene 10.000 Mark – heute taxieren es Sachverständige von Sotheby’s auf einen Betrag zwischen 900.000 und 1,2 Millionen Euro. In den ersten Nachkriegsjahren waren gelegentliche Kunst-Ankäufe kein ungewöhnlicher Vorgang: Der Rundfunk war wie andere öffentliche Institutionen verpflichtet, auch die bildende Kunst zu unterstützen. Anfangs hingen die „Sonnenblumen“ im Arbeitszimmer von Adolf Grimme, dem ersten NWDR-Generaldirektor, danach in verschiedenen Räumen des Hamburger Funkhauses.

1979 dann die böse Überraschung: Das Gemälde des Malers aus Seebüll (Schleswig-Holstein) war aus einem verschlossenen Raum des NDR Funkhauses gestohlen worden. Der Kriminalpolizei gelang es nicht, den Diebstahl aufzuklären. Bis zum Mai 2017 blieb das Bild verschwunden. Dann trat eine Berliner Witwe über eine Anwältin an den NDR heran: Sie sei im Besitz des verschollenen Noldes. Nachdem Echtheitsprüfungen des Bildes positiv ausgefallen waren, erklärte sich der NDR zur Zahlung eines „Finderlohns“ von 20.000 Euro bereit und erhielt die „Sonnenblumen“ nach fast 40 Jahren wieder zurück.

Der Diebstahl des Gemäldes „Sonnenblumen“ konnte nun zumindest teilweise aufgeklärt werden. Laut der Anwältin habe der Ehemann ihrer Mandantin die „Sonnenblumen“ von einem Freund als Geschenk erhalten. Auf ihn, einen früheren Produktionsmitarbeiter des NDR, fällt jetzt ein schwerwiegender Verdacht. Offenbar hatte der inzwischen verstorbene Mann damals behauptet, das Bild für „kleines Geld“ aus dem Requisitenfundus des Senders erworben zu haben. Das habe das Berliner Ehepaar lange Zeit auch geglaubt.

Bei den aktuellen Überlegungen zur Präsentation des 72 mal 90 cm großen Bildes „Sonnenblumen“ stand die NDR Kunstausstellung „Weite und Licht“ Pate. Sie zeigt seit mehr als 20 Jahren an wechselnden Orten überall in Norddeutschland Arbeiten aus der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Den Grundstock der Wanderausstellung bildeten Kunstwerke, die in den ersten Nachkriegsjahrzehnten zunächst der NWDR, dann der NDR erworben hatte. Aus diesem Bestand wurde Ende der 90er-Jahre eine Sammlung mit dem Titel „Weite und Licht – Norddeutsche Landschaften“ geformt. Der NDR ist der erste Sender, der auf diese Weise seinen Kunstbesitz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. An Noldes „Sonnenblumen“ reicht der Wert der Exponate dieser Sammlung allerdings nicht annähernd heran. Derzeit ist die Ausstellung „Weite und Licht“ im Emslandmuseum Schloss Clemenswerth zu sehen (bis 23. Juni 2019).

11. April 2019 / MG

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