Stand: 13.06.2019 14:30 Uhr

Mit der Kamera durch Tschechien

Prag bei Nacht © NDR/Luca Bittner
Prag bei Nacht

Es ist 7.45 Uhr an einem Montagmorgen und die ersten Schüler der Mediengestalterklasse 17b versammeln sich mit verschlafenen Blicken vor dem Gelände der Berufsschule BS19 in Farmsen. Eine unbeliebte Uhrzeit an einem unbeliebten Wochentag. Und trotzdem liegt auch eine freudige und aufgeregte Stimmung in der Luft. Die erste und wohl auch einzige Klassenfahrt der Gruppe steht bevor. Es geht in die Tschechische Republik; genauer gesagt zunächst ins Erzgebirge nahe der deutschen Grenze und danach nach Prag mit einem Zwischenstopp in Theresienstadt.

Stadtführung durch Prag © NDR/Luca Bittner
Stadtführung durch Prag

Hier sollen durch sportliche Aktivitäten sowie das allgemeine Miteinander-Zeit-verbringen der Gruppenzusammenhalt noch weiter gestärkt werden und wir uns untereinander noch besser kennen lernen. Außerdem steht durch den Besuch im ehemaligen KZ Theresienstadt und eine Stadtführung durch Prag in dieser Woche deutsche Geschichte und tschechische Kultur auf dem Lehrplan. Allerdings wären wir ja nicht Mediengestalter für Bild und Ton, wenn bei so einem Ausflug nicht auch ein dutzend Kameras mit im Gepäck hätten! Daher haben wir zusätzlich den Auftrag bekommen, die bevorstehenden Aktivitäten (abgesehen natürlich vom KZ-Besuch) mit den Kameras zu begleiten und nach der Fahrt kleine Imagefilme daraus zu produzieren. So ausgerüstet geht es dann also los.

Der Blick auf das Tal vom Hotel aus. © NDR/Luca Bittner
Der Blick auf das Tal vom Hotel aus.

Auf der acht-stündigen Reise dürfen die kollektiven "Mario Kart"-Rennen auf dem Nintendo DS natürlich nicht fehlen. Und bereits hier wird mit einem oldfashioned Camcorder Material für unseren ganz persönlichen Klassenfahrt-Aftermovie gedreht. Je näher wir dem Erzgebirge kommen, desto grauer, kälter und nebliger wird es außerhalb unseres kleinen Reisebusses und wir machen uns bereits Sorgen, dass das Wetter uns eventuell die Imagefilm-Drehs versaut. Es liegt sogar noch teilweise alter Schnee an den Straßenrändern. Als wir am Nachmittag am Hotel ankommen kann man den schönen Ausblick auf das untenliegende Tal nur erahnen. Der dichte Nebel und die menschenleere Umgebung mit ihren dichten Nadelwäldern lassen beim gängigen Mediengestalter natürlich nur einen Gedanken zu: perfekte Kulisse für einen Horrorfilm!

Nachtwanderung auf den stillgelegten Skipisten. © NDR/Luca Bittner
Nachtwanderung auf den stillgelegten Skipisten.

Im Hotel werden wir mit einer warmen Mahlzeit begrüßt und direkt im Anschluss von unserem Veranstalter zu einer nächtlichen Schnitzeljagd durch die dunklen Wälder und verlassenen Skipisten um das Hotel herum eingeladen. Während des steilen Aufstiegs müssen trotz der Kälte bald die dicken Winterjacken ausgezogen werden. Die geborenen Spurensucher die wir sind finden wir natürlich schnell zum Hotel zurück; ohne Verluste, aber mit ein paar blauen Flecken von Versuchen, den Abhang wieder herunter zu schlittern. Oder einfach aus Tollpatschigkeit. Zurück im Hotel starten wir die Tradition der abendlichen "Werwölfe vom Düsterwald"-Sessions, die auch in den beiden darauf folgenden Nächten stattfinden werden. Danach fallen alle erschöpft ins Bett.

Felswand © NDR/Luca Bittner
Die nächste Aktivität steht an: klettern.

Nach einem üppigen Frühstück am nächsten Morgen starten wir mit dem Bus zur ersten Aktivität: Mountainbiking. Glücklicherweise verziehen sich im Laufe des Vormittags die Wolken und es wird sogar einigermaßen sonnig. Perfekte Bedingungen für den ersten Imagefilm. Und so radeln wir gemütlich durch die wunderschöne Landschaft des Erzgebirges während die Leute aus dem Film-Team immer wieder an die Spitze strampeln müssen, um die besten Shots für ihr Video zu bekommen. Gegen Ende wir es dann sogar nochmal einigermaßen anspruchsvoll, als wir mit den Bikes steinige Wanderwege heraufkraxeln und steile Berge hinunterrasen müssen. Es folgt eine Erholungspause in einem kleinen tschechischen Bergdörfchen, wir geben die Räder ab und dann geht es auch schon weiter zu der nächsten Aktivität: Klettern.

Ein junger Mann mit rotem Helm beim Abseilen. © NDR/Luca Bittner
Abseilen aus schwindelerregender Höhe.

Unser Guide führt uns über einen Wanderweg tief in einen Wald und plötzlich stehen wir vor einem ca. sieben Meter hohen Felsbrocken, den wir nun gesichert von Experten auf mehreren Wegen erklimmen sollen. Es macht viel Spaß und wer gerade nicht klettert unterstützt die an der Wand hängenden mit mehr oder auch weniger klugen Tipps. Danach geht es noch zu einer weiteren Felswand, an der wir uns mit Hilfe der Guides von acht und sogar 20 Meter Höhe abseilen sollen; alles begleitet von einer hübschen Bergkulisse im Hintergrund. In dieser Nacht schlafen alle noch tiefer als am Vortag.

Der dritte Tag der Reise bricht an und leider sieht er nicht so vielversprechend aus wie der Letzte. Wir beginnen unser erstes Event - Seilrutschen über einen kleinen See - im Nieselregen. Leider passiert dann auch noch ein Unfall, der zum Glück "nur" in einer Prellung endet. Das Wetter sowie dieser Vorfall ziehen die Stimmung ganz schön runter.

Ein gespannter Bogen- © NDR/Luca Bittner
Eine weitere Aktivität wird auch im Regen realisiert: Bogenschießen.

Das Bogenschießen im Anschluss kann dann auch nur zwischenzeitlich aufmuntern. Es macht zwar Spaß aber wir werden dabei immer und immer nasser. Dementsprechend hat es auch die Imagefilm-Gruppe nicht leicht. Zum einen sehen die Bilder wegen des Regens nicht besonders toll aus und zum anderen ist es schwierig dabei die Kameras vor dem Wasser zu schützen (Im Nachhinein ist der Film tatsächlich trotzdem sehr gut geworden. Die Gruppe hatte die kluge Idee den wilden Regen als spannendes Element bewusst in den Film einzubauen. Was sich nicht alles in der Postproduktion retten lässt). Die Motivation für die weiteren Aktivitäten des Tages ist nun dementsprechend niedrig und der geplante Floßbau wird auch direkt abgesagt. Nun steht als letztes noch "Rafting" auf dem Plan. Man kann auf den Gesichtern der meisten Leute ihre Gedanken lesen: "Bitte, nicht schon wieder nass werden!". Am Ende finden sich dann doch noch sechs wagemutige Kämpfer, den Autor mit eingeschlossen, die ohne Furcht vor dem Wasser und mit Paddeln bewaffnet in das Boot steigen. Wir hatten uns auf reißende Stromschnellen und metertiefe Wasserfälle eingestellt. Allerdings entpuppt sich das ganze dann eher als entspannte Kanutour mit schönem Ausblick auf die Berge, umliegende Natur und Dörfchen. Auch nett.

Während wir so gemütlich die Eger hinab schwimmen, vergnügt sich der Rest der Klasse im nahe gelegenen Ort Karlsbad, geht auf Erkundungstour durch die Stadt, verkostet traditionell tschechisches Essen und entspannt sich in den ortsansässigen Thermalbädern. So sind am Ende des Tages doch alle glücklich. Am nächsten Morgen ist es in unserem kleinen Reisebus etwas stiller als sonst. Das liegt nicht etwa wieder an schlechtem Wetter - tatsächlich ist es der schönste und sonnigste Tag bisher -, sondern an dem anstehenden Besuch des ehemaligen KZ Theresienstadt, auf den sich alle mental vorbereiten. Dort angekommen erhalten wir eine zweistündige Führung durch die alte Festung und ihre Gefangenenhöfe. Wir werden erdrückt von der Enge der Zellen, der Anzahl an Gefangenen und Verstorbenen, von denen uns unsere Tourleiterin berichtet und von der Gesamtatmosphäre dieses schrecklichen Ortes, die hier in der Luft liegt. Kaum jemals haben wir Geschichte so nah und intensiv erleben können. Es ist fast absurd, was für einen Kontrast das gute Wetter und die objektiv sehr schöne Festung zu den Geschwüren, die in ihr gebaut wurden, und der schlimmen Vergangenheit bilden, über die wir heute gelernt haben. Es war eine wichtige Erfahrung. Jeder sollte sie einmal gemacht haben.

Blick auf die Prager Innenstadt. © NDR/Luca Bittner
Blick auf die Prager Innenstadt.

Nach einer kleinen Erholungs- und Verarbeitungspause fahren wir zu unserer letzten Station in Tschechien: der Hauptstadt Prag. Langsam und vorsichtig hebt sich die Stimmung Gruppe wieder etwas. Die Sachen werden im Hotel abgeladen und weiter geht es zum Abendessen in der Stadt. Schmeckt mittelmäßig, dafür ist die Aussicht vom Hügel auf die Innenstadt und Moldau umso besser. Im Anschluss macht sich der Teil der Gruppe, der nach den letzten Tagen noch Energie übrig hat auf den Weg, die nächtliche Prager Innenstadt zu erkunden. Hier spürt man den Tourismus um einiges mehr als im Erzgebirge. Menschenmassen drängen sich durch die engen Gassen, überall riecht es nach Essen, Souvenir-Shop reiht sich an Restaurant, reiht sich an Trdelník-Laden (traditionelles Gebäck), reiht sich an Wechselstube, reiht sich an Souvenir-Shop.

Doch wir haben es auf etwas anderes abgesehen: Wir suchen eine Karaoke-Bar. Ein Klassenkamerad, der heute Geburtstag hat, hatte sich das als Abendprogramm gewünscht und wir anderen haben interessiert zugestimmt. Somit wird der größte Raum in der nächstgelegenen Karaoke-Bar gemietet und 14 Azubis sowie zwei Lehrer trällern zwei Stunden lang (mitunter beflügelt durch das umgerechnet zwei Euro teure Bier) Oldies und aktuelle Hits vor sich hin. Ein spaßiger Abschlussabend. Am letzten Tag bewundern wir noch einmal während einer Stadtführung die Architektur und Geschichte von Prag. Dann werden auch schon die letzten Besorgungen gemacht, Souvenirs gekauft und plötzlich sitzen wir wieder im Bus zurück nach Hamburg. Das ging dann doch alles sehr schnell. Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man Spaß hat", sagt man ja. Das können wir bestätigen.