Göttinger Forscher rechnen Infektionsrisiken aus
In den vergangenen Monaten haben sich die Menschen in Niedersachsen wegen der Corona-Pandemie an diverse Hygieneregeln gewöhnt. Eine Pflicht ist das Tragen von Mund-Nase-Schutz in Geschäften, Behörden, öffentlichen Gebäuden, Bussen, Bahnen und Zügen. Denn das Coronavirus verbreitet sich durch eine Art Tröpfcheninfektion über sogenannte Aerosole, größere und kleinste Partikel, an denen Viren haften bleiben und eingeatmet werden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in Göttingen erforschen die Verbreitung von Aerosolen in geschlossenen Räumen unter verschiedenen Voraussetzungen.
Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen errechnen
Ziel der Forschung sei es herauszufinden, wie groß die Aerosolbelastung in geschlossenen Räumen ist. "Die Größe der Tröpfchen ist wichtig, weil das Volumen bestimmt, wie viele Viren in diesen Tröpfchen gefangen sind", sagte Bodenschatz. "Wenn ich das weiß, kann ich vorhersagen, wie groß die Ansteckungsgefahr ist in geschlossenen Räumen oder wie gut sie sich schützen durch eine bestimmte Maske. Diese Zahlen können wir unter bestimmten Tätigkeiten ausrechnen." Dadurch sei es beispielsweise für Veranstalter einfacher, anhand der Aerosolanzahl Infektionsrisiken für Events zu ermitteln und geeignete Belüftungskonzepte zu erstellen.
Besonders viel Ausstoß beim Singen und Tanzen
Der Ausstoß wurde bei unterschiedlichsten Aktivitäten überprüft: normales Atmen durch Nase und Mund, Sprechen, lautes Sprechen, Singen und Schreien wie im Fußballstadion. Dazu haben die Forscher Schauspieler, Balletttänzer, Chor- und Opernsänger sowie Musiker getestet - insgesamt 70 gesunde Probanden. Beim Musizieren mit Instrumenten habe es überraschende Resultate gegeben. "Die Trompete hat mich völlig überrascht. Die ganzen Instrumente haben mich überrascht, weil ich davon ausgegangen bin, dass da Tröpfchen rauskommen. Es scheint so zu sein, dass durch die Schallentwicklung in den Instrumenten die Tröpfchen wirklich zerhackt werden", vermutet Bodenschatz.
Es kommt auf den Inhalt des Schreis an
Auch beim Schreien habe man überraschende, weil unterschiedliche, Ergebnisse bekommen. Beim Torschrei im Fußball oder bei anderen Ballsportarten beispielsweise mache es einen Unterschied, ob man "Tor" oder "Goal" rufe. "'Tor!', also das 'T', ist wirklich schlimm, bei 'Goal' weniger", sagte Bodenschatz. Bei dem T komme "ein richtig starker Regen raus und sehr, sehr viele Aerosole". Bei "Goal" sei die Belastung deutlich geringer.
Messungen umfangreicher als anderswo
Die Göttinger Forscher sind zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Sprechen etwa doppelt so viele Aerosole ausgestoßen werden wie beim Atmen. Beim Singen und Tanzen seien es sogar zehnmal so viele Mikroteilchen. Die Messungen in Göttingen unterschieden sich von ähnlichen Forschungsansätzen dadurch, "dass wir uns alle Tröpfchen anschauen: von den kleinsten Partikeln, zehn Nanometern, bis hoch zu einem Millimeter", so der wissenschaftliche Leiter. Geplant ist, dazu demnächst auch Covid-19-Patienten heranzuziehen.
