Stand: 18.09.2014 20:10 Uhr

Jens Voigt: Immer hart gegen sich selbst

von Johannes Freytag, NDR.de

Jens Voigt gehörte zu den härtesten Kämpfern im Profi-Radsport. Auch mit über 40 Jahren startete der Grevesmühlener noch bei internationalen Top-Rennen. Sein Motto: "Man muss kämpfen! Nicht aufgeben - Siegen lernen". Zum Abschluss seiner Karriere verbesserte er den Stundenweltrekord.

Jens Voigt, der Kämpfertyp. © picture alliance / dpa Foto: Alexandre Marchi
"Immer weiter, immer weiter": Aufgeben ist für Jens Voigt ein Fremdwort.

Kurz vor seinem 40. Geburtstag hat Jens Voigt turbulente Tage erlebt, die - mal wieder - das ganze Auf und Ab seiner Radsportkarriere widerspiegeln und zugleich zeigen, dass Aufgeben für den Grevesmühlener ein Fremdwort ist. Nach der Fusion seines Rennstalls Leopard-Trek mit RadioShack scheint das Karriereende besiegelt. Eine Vertragsverlängerung für Voigt soll es nicht mehr geben, heißt es. Doch dann gibt es doch noch die Kehrtwende. Der Routinier unterschreibt beim neuen Team RadioShack-Nissan-Trek für ein weiteres Jahr und findet auch danach mit dem amerikanischen Team Trek Factory Racing einen Rennstall.

Seine Karriere endet erst im Jahr 2014. Zum 17. Mal nimmt er an der Tour de France teil und wird damit zum Rekordstarter. Einen Tag nach seinem 43. Geburtstag verbessert der Mecklenburger den Stundenweltrekord.

Unbändiger Kampfgeist, ungeheures Stehvermögen

Jens Voigt 2005 kämpferisch © picture alliance / dpa Foto: Yves Boucau
So sehen die Fans Jens Voigt häufig: oft allein oder in Ausreißergruppen unterwegs.

"Man muss kämpfen! Nicht aufgeben - Siegen lernen" - so lautet der Titel des Buches, in dem Voigt seinen Werdegang beschreibt. In der Tat, der Mecklenburger steht wie kaum ein anderer Radprofi für unbändigen Kampfgeist und ungeheures Stehvermögen. Alle seine Erfolge erarbeitet er sich im wahrsten Wortsinn, er ignoriert Alarmsignale seines Körpers, er fährt auch nach schweren Stürzen weiter und ist sich nicht zu schade, als "Buhmann der Nation" vor der TV-Kamera Klartext zu reden. Im dopingverseuchten Radsport ist er lange Zeit einer der wenigen mit einem sauberen Image. Doch nach den Enthüllungen um Lance Armstrong im Herbst 2012 musste sich auch Voigt kritische Fragen anhören: Ist es glaubwürdig, dass ein Fahrer, der zur Hochzeit des Dopings viele Jahre im Peloton gefahren ist, nichts von den Vergehen seiner Konkurrenten und Teammitglieder gewusst hat? Der dopinggeständige Jörg Jaksche glaubt Voigt dessen Unschuldsbeteuerungen nicht. Beide fuhren 2004 unter dem umstrittenen dänischen Sportchef Bjarne Riis gemeinsam beim Team CSC. "Wer bei CSC nicht mitbekommen hat, dass andere Fahrer - inklusive mir - gedopt haben, dem kann ich nicht glauben", sagte Jaksche der "Süddeutschen Zeitung".

Nie in einem deutschen Team

Jens Voigt geht nicht den geraden Weg: Kein einziges Mal in seiner Karriere fährt er für einen deutschen Radrennstall. Nach den Anfängen beim australischen Team ZVVZ-GIANT-AIS heuert er beim französischen Team Crédit Agricole an. Es folgen CSC, Saxo Bank und Team Leopard-Trek. Dadurch steht Voigt immer ein wenig im Schatten des deutschen Radsportbooms, für den die Telekom-Stars Erik Zabel oder Jan Ullrich mit ihren Erfolgen bei der Tour de France sorgen. Die beste Tour-Platzierung von Voigt hingegen ist Rang 28 (2007), drei Mal kommt er nicht einmal in Paris an. Aber ihn ficht das nicht an. Er kämpft sich mit seiner offensive Fahrweise in den Focus der Fans. Regelmäßig ist er bei langen Ausreißversuchen dabei. Im Jahr 2001 krönt er seine Leistung erstmals mit einem Etappensieg bei der Tour de France und erobert sogar für einen Tag das Gelbe Trikot des Spitzenreiters.

Kritische Worte im Fernsehen

2004 folgt eine denkwürdige Frankreich-Rundfahrt, bei der Voigt auch zeigt, dass er sich nicht verbiegen lässt. Während des Bergzeitfahrens nach L'Alpe d'Huez wird er von deutschen Fans beschimpft, da er sich tags zuvor von der Spitzengruppe hatte zurückfallen lassen, um für seinen Kapitän Ivan Basso einen Angriff von Ullrich zu parieren. Voigt gibt daraufhin öffentlich TV-Kommentatoren die Schuld an der schlechten Stimmung gegen seine Person und erklärt, er würde für sein eigenes Team CSC und nicht als "Edelhelfer" für Ullrich fahren. Denn bei der Tour de France fahren keine Nationalmannschaften, was den wirklichen Fans auch bekannt sei. Unpopuläre Worte, die aber in der Radsportszene dennoch gut ankommen und das Image Voigts prägen. Nicht von ungefähr ist er jahrelang Sprecher der Verbandes der Radprofis.

Erfolge, Disqualifikationen, Stürze

Jens Voigt erschöpft im Ziel einer Etappe. © picture-alliance / dpa Foto: Gero Breloer
Jens Voigt erschöpft im Ziel einer Etappe.

In den Folgejahren untermauert Voigt eindrucksvoll seine Wandlung vom Etappenjäger zum Allrounder. Als einziger Deutscher gewinnt er 2006 und 2007 zwei Mal in Folge die Deutschlandtour, 2008 die Polen-Rundfahrt. Aber auch bei der Tour de France sorgt er immer wieder für Ausrufezeichen - positiv wie negativ. Unvergessen der Fieber-Einbruch und die Disqualifikation nur zwei Tage, nachdem er das Gelbe Trikot erobert hatte. Ebenso in (schrecklicher) Erinnerung bleiben die Bilder vom schweren Sturz bei einer Abfahrt während der Tour 2009. Leblos liegt Voigt auf dem Asphalt, er hat sich eine Gehirnerschütterung, einen Jochbein- und einen Kieferbruch zugezogen. 48 Tage später sitzt er schon wieder im Sattel, bei der Tour de Missouri.

Rekord: 17. Tour-Teilnahme 2014

Dass der sechsfache Vater Voigt noch lange nicht zum alten Eisen zählt, zeigt die Etappenfahrt Paris-Nizza im Jahr 2010. Der Mecklenburger gewinnt ein Teilstück und schließt das Rennen als bester Deutscher auf Platz sechs ab. Auch mit 40 Jahren kann sich Voigt nicht der Magie der Tour de France entziehen. 2012 wird er mit seiner 15. Teilnahme an der "Großen Schleife" zum alleinigen deutschen Rekordhalter. Und auch 2013 geht der Altmeister bei der 100. Auflage der Frankreich-Rundfahrt an den Start. Seine Nominierung für das Jahr 2014 katapultiert Voigt endgültig in die Riege der ganz Großen: Mit seiner 17. Teilnahme zieht der Grevesmühlener im finalen Jahr seiner Laufbahn mit den Rekordhaltern George Hincapie (USA) und Stuart O'Grady (Australien) gleich.

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Sport aktuell | 18.09.2014 | 19:25 Uhr

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