Sendedatum: 03.12.2013 20:15 Uhr

Gelenkersatz - Komplikationen durch Keime

Eine Hüftprothese ist von Keimen befallen (Grafik) © NDR
Da Antibiotika in der Regel nicht helfen, müssen infizierte Gelenke operativ entfernt werden.

In Deutschland werden jedes Jahr Tausende künstliche Gelenke implantiert. Der Einsatz eines künstlichen Gelenks ist eine große Erleichterung für schmerzgeplagte Patienten. Doch immer wieder kommt es zu Komplikationen: Gefürchtet sind vor allem bakterielle Infektionen der Implantate. Ihre Häufigkeit wird mit bis zu vier Prozent angegeben. Ist das Gelenk erst einmal mit Keimen infiziert, zerstört die Entzündung das umgebende Knochengewebe. Das Kunstgelenk kann sich lockern und wird instabil. Da Antibiotika alleine in diesem Fall wirkungslos sind, ist dann eine erneute Operation und das Auswechseln des Gelenkersatzes die einzige Therapiemöglichkeit.

Einhaltung höchster Hygienemaßstäbe wichtig

Die wichtigste Maßnahme gegen solche Gelenkinfektionen ist die konsequente Einhaltung höchster Hygienemaßstäbe bereits bei der Implantation. Die hygienischen Anforderungen an Knochen-Operationen sind viel höher als bei den meisten anderen chirurgischen Eingriffen. Um die Infektionsgefahr zu senken, werden heute in der Regel schon vorbeugend Antibiotika mit dem Knochenzement eingebracht. Auch mit speziellen Silberbeschichtungen sollen Prothesen vor gefährlichen Keimen geschützt werden.

Keine OP bei bestehenden Infekten

Patienten mit bestehenden Infekten wie entzündeten Zehennägeln oder Zähnen sollten aus Sicherheitsgründen nicht operiert werden. Diabetiker, Raucher und Patienten, die immunsupressive Medikamente erhalten (zum Beispiel Rheumapatienten), haben generell ein erhöhtes Risiko für Infektionen, da ihr Immunsystem geschwächt ist. Prinzipiell besteht bei jedem Prothesenträger das Risiko einer Infektion am Kunstgelenk - egal wie lange die Operation her ist. 

Es besteht insbesondere ein Zusammenhang zwischen Infektionen der Zähne sowie der Harnwege und einer bakteriellen Entzündung von Kunstgelenken. Über die Lymph-und Blutbahn gelangen die Erreger dabei auf die Prothesenoberfläche und den Bereich zwischen Knochen und Prothese. Auf der Oberfläche der Prothesen bilden sie einen Schleimfilm (Biofilm). Bakterien, die sich innerhalb dieses Biofilms befinden, sind vor dem Angriff durch Antibiotika und des Immunsystems geschützt.

Welche Symptome deuten auf eine Infektion im Gelenk hin?

Der erste Hinweis auf eine Infektion ist in der Regel ein anhaltender Schmerz im Bereich des Gelenkes. Neben einer Schwellung, Rötung und Überwärmung kann es auch zu nässende Wunden kommen. Eine Röntgenuntersuchung kann  Lockerungszeichen oder eine Auflösung des Knochens (Osteolyse) sichtbar machen. Mit einer Laboruntersuchung lässt sich eine Entzündungsreaktion nachweisen. Schließlich sichert eine Gelenkpunktion die Diagnose. Dabei wird mithilfe einer feinen Nadel Gelenkflüssigkeit aus dem Gelenk entnommen und anschließend im Labor auf Bakterien untersucht. In unklaren Fällen kann eine nuklearmedizinische Untersuchung, die sogenannte Antigranulozytenszintigrafie (AGS), Klarheit bringen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Das therapeutische Vorgehen bei einer Protheseninfektion ist abhängig vom Alter des Implantates und dem Allgemeinzustand des Patienten. Bei Infektionen in den ersten Monaten nach einer Prothesenversorgung wird meistens ein prothesenerhaltendes Vorgehen angestrebt. Bei Infektionen, die zu einem späteren Zeitpunkt auftreten, muss das Implantat in der Regel ausgewechselt werden. Das erfolgt in den meisten Fällen im Rahmen einer zweizeitigen Operation.

Während der ersten Operation wird die infizierte Prothese ausgebaut, die Wunde gereinigt und ein Platzhalter implantiert. Nach der vollständigen Ausheilung des Infektes unter einer etwa vier- bis zwölfwöchigen Antibiotikatherapie wird schließlich eine neue Gelenkprothese eingebaut.

Wie können Prothesenträger vorbeugen?

Um einer gefürchteten Protheseninfektion vorzubeugen, sollten alle Träger von Gelenkprothesen ganz besonders auf eine enge ärztliche Betreuung bei Infekten und Infektionen achten. Auch leichte Verletzungen bei der Gartenarbeit oder zum Beispiel Nagelpflege sollten nicht unterschätzt werden. Auch bei Zahn- und Kieferbehandlungen droht die Verschleppung von Bakterien über das Blut zur Gelenkprothese.

Interviewpartner

Im Studio:
Prof. Dr. Thorsten Gehrke
Orthopäde, Orthopädische Chirurgie und Sportmedizin
Chefarzt der Abteilung für Orthopädische Gelenkchirurgie und Endoprothetik und Ärztlicher Direktor
Helios Endo-Klinik Hamburg
Holstenstraße 2
22767 Hamburg
Tel. (040) 319 70
Fax (040) 31 97 12 25
E-Mail: info(at)endo.de

Im Beitrag:
Dr. Jördis Hendricks
Fachärztin für Innere Medizin
Klosterstern 6
20149 Hamburg
Tel. (040) 46 09 20 92

Dr. Ingo Arnold
Orthopäde und Rheumatologe
Chefarzt der Klinik für operative Rheumatologie und Orthopädie
Rotes Kreuz Krankenhaus
St.-Pauli-Deich 24
28199 Bremen
Tel. (0421) 559 95 01
Fax (0421) 559 95 08

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Visite | 03.12.2013 | 20:15 Uhr

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