Kniescheibe: Fehlstellung und Schmerzen der Patella behandeln

Stand: 05.06.2023 18:00 Uhr

Die Kniescheibe (Patella) ist für Schutz und Funktion des Kniegelenks unverzichtbar. Verrutscht sie, springt sie aus ihrer Bahn, verschleißt sie oder wird sie verletzt, sorgt das für große Probleme.

Die Kniescheibe (lateinisch Patella) ist zwar nur ein kleiner, dafür aber sehr wichtiger Teil des Kniegelenks: Sie bildet mit ihm die Verbindung von Ober- und Unterschenkel. Die vorn leicht gewölbte Knochenscheibe, nur etwa zwei Zentimeter dick und dreieckig, liegt vor dem eigentlichen Gelenk und schützt das Knie im Frontbereich vor äußeren Einflüssen. Als beweglicher Abstandhalter verbessert sie zugleich die Hebelwirkung der anliegenden Muskulatur. Nur durch die Kniescheibe ist überhaupt eine problemlose Kraftübertragung vom Oberschenkel auf den Unterschenkel möglich. Die Patella ist aber auch recht empfindlich und besonders anfällig für Verletzungen und Brüche.

Aufbau des Knies

Schematische Darstellung: Anatomie des Oberschenkels und Knies, von vorn gesehen. Markiert ist der Muskel an der Oberschenkel-Innenseite. © NDR
Die Kniescheibe wird durch ihre spezielle Form, vor allem aber auch durch Muskeln und Bänder am Platz gehalten.

Die Kniescheibe liegt in einer Art Führungsrinne, in der sie beim Beugen und Strecken des gesamten Beins hin- und hergleiten kann. Sie wird auf der Rückseite von einem vertikalen Grat in zwei leicht konkave Flächen geteilt; so kann sie normalerweise optimal in der Rinne gleiten. Damit das Gleiten nahezu reibungslos funktioniert, hat die Patella auf ihrer hinteren Fläche eine Knorpelschicht - mit gut sechs Millimetern Stärke die dickste aller menschlichen Gelenke. Eingefasst ist die Kniescheibe von Bändern: Oben setzt vom Oberschenkelmuskel her die Quadrizeps-Sehne an, die vorn in das Kniescheibenband übergeht und unterhalb der Kniescheibe als Patellarband weiter zum Schienbein läuft. Seitliche Haltebänder (Retinaculi) - Verlängerungen der innen- und außenseitigen Oberschenkelmuskulatur - stabilisieren die Kniescheibe mittig.

Typische Symptome bei Kniescheiben-Problemen

Knieschmerzen beim Treppehinabsteigen sind ein typisches Zeichen dafür, dass etwas mit der Kniescheibe nicht in Ordnung ist. Die Betroffenen können nicht gut in die Hocke gehen, nicht joggen und haben oft schon nach einem Spaziergang Schmerzen, vor allem, wenn es bergab geht, weil die Kniescheibe dabei über die Oberschenkelmuskulatur schmerzhaft ins Gleitlager gepresst wird. Diese Schmerzen fühlen sich oft auch eher so an, als wären sie hinter der Kniescheibe und nicht tief im Gelenk.

Kniescheibenfehlstellung (Subluxation): Wenn die Patella verrutscht

Verrutscht die Kniescheibe etwas nach außen, ohne die führende Gelenkrinne zu verlassen, spricht man von einer Fehlstellung oder Subluxation. Die Fehlstellung bewirkt einen erhöhten Druck auf Teile der Kniescheibe, was zu Schmerzen und einer vorzeitigen Abnutzung des Kniescheibenknorpels führen kann.

Weitere Informationen
Schematische Darstellung: Kniegelenk mit akuter Kniescheiben-Arthrose. © NDR

Was bei einer Kniescheibenfehlstellung passiert

Bei einer Kniescheibenfehlstellung sind meist Muskeln zu schwach. Als Folge rutscht die Kniescheibe nach außen. Bildergalerie

Patellaluxation: Wenn die Kniescheibe aus ihrer Bahn springt

Springt die Kniescheibe aus ihrer Gleitbahn, spricht man von einer Patellaluxation, einer Kniescheibeninstabilität. Dabei kommt es zu nicht selten zu Verletzungen am Knorpel und an Bändern, etwa dem Riss des MPFL (mediales patellafemorales Halteband). Beim ersten Mal führt die Patellaluxation meist zu starken Schmerzen und einer Gelenkblockade. Springt die verrenkte Kniescheibe nicht von allein zurück, muss sie manuell wieder in ihr Gleitlager zurückgebracht werden. Eine Patellaluxation kann bei entsprechender anatomischer Veranlagung immer wieder auftreten.

Ursachen für Probleme mit der Kniescheibe

Häufig tragen mehrere Faktoren zu Beschwerden an der Kniescheibe bei. Patella-Probleme sind bei vielen Betroffenen erblich bedingt. Oft beginnen sie bei einem Wachstumsschub in der Jugend. Verstärkt werden sie durch eine schwach ausgeprägte Muskulatur - meist ist der innere Oberschenkelmuskel (Vastus medialis) nicht stark genug, um die Kniescheibe zu kontrollieren.
Kniescheibenbeschwerden werden begünstigt durch

  • X-Beine
  • eine zu flache Kniescheibenrückfläche oder Gelenkfläche des Oberschenkels
  • Bindegewebsschwäche
  • Kniescheibenbruch (Patellafraktur) bei einem Unfall
  • Übergewicht
  • ständiges Laufen auf hartem Untergrund
  • Schuhe mit hohen Absätzen oder harten Sohlen
  • Sportarten mit ruckartigen seitlichen Bewegungen

Kann die Patella in ihrer Rinne nicht optimal hin- und hergleiten, nutzt sich ihre Knorpelschicht nach und nach ab: So entsteht an der Knieschiebe eine Arthrose (Retropatellararthrose). Hinzu kommt, dass der Körper den Verlust des Knorpels auszugleichen versucht, indem er Knochen anbaut. Diese Verknöcherungen sind dann beim Beugen und Strecken des Kniegelenks zusätzlich im Weg, was die Beschwerden verstärkt.

Diagnose von Beschwerden der Kniescheibe

Grundlegend bei der Diagnose sind eine ausführliche Anamnese der Beschwerden und eine sorgfältige klinische Untersuchung. Bei der Tastuntersuchung des Kniegelenks spürt der Arzt ein leichtes Reiben auf der Außenseite, wenn das Knie bewegt wird, möglicherweise auch ein Reiben hinter der Kniescheibe, ein Knirschen und ein Schnappgeräusch. Reagiert die Kniescheibe empfindlich auf Druck und spürt man leichtes Knirschen oder Knacken, spricht das für einen Verschleiß hinter der Kniescheibe.

Röntgenaufnahmen oder eine Kernspintomografie (MRT) geben Aufschluss über die Stellung der Kniescheibe und eventuell schon bestehende Knorpelschädigungen.

Mit dem Isokineten, einem Kraftmessgerät, kann der Orthopäde die Stärke von Strecker und Beuger testen. Die Werte der vorderen und hinteren Muskulatur des Oberschenkels werden im Verhältnis zueinander bewertet. Wünschenswert wäre ein Verhältnis von 60 Prozent zu 40 Prozent: Die Strecker sollen also stärker sein als die Beuger.

VIDEO: Was tun bei Problemen mit der Kniescheibe? (5 Min)

Konservative Behandlung: Manuelle Therapie und gezielte Übungen

Ein instabiles Knie muss behandelt werden, da sonst die Kniescheibe erhöhtem Verschleiß ausgesetzt ist und sich die Schmerzen verschlimmern. In der Regel ist der erste Ansatz eine konservative Therapie: Bewegung beseitigt zwar nicht einen möglicherweise schon eingetretenen Verschleiß, lindert aber die Beschwerden und macht das Gelenk wieder belastbar.

  • Ein gezieltes Aufbautraining wird bei einer Fehlstellung und meist auch bei der Patellaluxation versucht. Eine Kräftigung der Muskeln am Knie kann die Kniescheibe in die richtige Bahn ziehen und so den vorzeitigen Verschleiß des Gelenks stoppen. Dabei ist besonders auf die Zentrierung der Kniescheibe zu achten. Gleichgewichtsübungen und Wahrnehmungstraining (Propriozeptionstraining) sind dabei besonders wichtig für die Stabilisierung im Kniegelenk.

  • Mitunter liegt die Ursache der Beschwerden allein im vorderen Oberschenkelmuskel, der durch zu viel Sitzen so verkürzt und stramm ist, dass er permanent auf die Kniescheibe drückt und so Schmerzen hervorruft. Dagegen hilft eine regelmäßige Dehnung der verkürzten Oberschenkelmuskulatur, indem man ein Bein im Knie anwinkelt und den Fuß mit dem Arm zum Po zieht. Dabei auf eine gerade, aufrechte Haltung achten und darauf, dass beide Oberschenkel parallel sind. Die Dehnübung wirkt auch präventiv, wenn die Kniescheibe noch keine Probleme macht.

  • Zusätzlich kann eine manuelle Therapie der Patella und dem Gelenk mehr Platz verschaffen. Das entspannt und lindert die Schmerzen.

  • Ein aktiver Lebensstil mit leichter Bewegung wie Walken, Radfahren oder - wenn durchs Aufbautraining genügend Stabilität im Knie hergestellt ist - auch Joggen helfen, den Knorpel elastisch zu erhalten. Gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung werden mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Bei Übergewicht hilft Abnehmen, die Beschwerden zu lindern, denn jedes Gramm weniger Körpergewicht schont die Gelenke.

Operation an der Kniescheibe

Gelingt es trotz konservativer Therapien auf Dauer nicht, das Knie zu stabilisieren, kann eine OP sinnvoll sein. Bei wiederholter Patellaluxation oder einem bleibenden Instabilitätsgefühl ist eine Operation häufig geraten, um die anatomischen Risikofaktoren zu beseitigen und weitere Schäden am Knorpel zu vermeiden. Es gibt verschiedene Ansätze, das Knie operativ zu stabilisieren. Beispielsweise lassen sich die Bänder so versetzen, dass die Patella besser zentriert wird, eventuell kombiniert mit der Durchtrennung von seitlichen Kapselfasern. Oder der Operateur raspelt die Kniescheibe in eine Form, die besser in der Gleitrinne laufen kann. Ein anderer Ansatz ist die Teilprothese: Dabei werden nur die Kniescheibe und die Rinne durch eine Prothese ersetzt.

Operation ersetzt nicht Training

Selbst wenn operiert werden muss, hängt die Nachhaltigkeit des Ergebnisses aber maßgeblich von der Stärke der Beinmuskulatur ab. Deshalb sollte sie vor und nach dem Eingriff so gut wie möglich trainiert werden.

Expertinnen und Experten

Prof. Dr. Karl-Dieter Heller, Herzogin Elisabeth Hospital, Braunschweig

Chefarzt der Orthopädischen Klinik
Leipziger Straße 24
38124 Braunschweig
www.heh-bs.de

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Visite | 06.06.2023 | 20:15 Uhr

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