Morbus Addison: Gefährliche Nebennierenschwäche

Stand: 17.10.2022 14:10 Uhr

Eine primäre Nebenniereninsuffizienz (auch Morbus Addison genannt) ist eine seltene, aber schwere Erkrankung der Nebennierenrinde, die tödlich verlaufen kann. Erste Symptome treten erst sehr spät auf.

Die Nebennieren sitzen wie Kappen auf den Nieren. In der Rinde der Nebennieren werden die lebenswichtigen Hormone Cortisol und Aldosteron produziert. Morbus Addison wird durch einen Mangel dieser Hormone ausgelöst und macht sich durch Symptome wie Braunfärbung der Haut, Erschöpfung und niedrigen Blutdruck bemerkbar. Grundsätzlich kann ein Morbus Addison in jedem Lebensalter auftreten. Unbehandelt verläuft die Nebennierenschwäche tödlich, denn der Körper ist ohne die fehlenden Hormone praktisch schutzlos Infekten, Verletzungen oder sonstigen Belastungen ausgesetzt.

Nebennierenrinde produziert lebenswichtige Hormone

In den Nebennieren werden die Hormone Cortisol und Aldosteron gebildet:

Das Stresshormon Cortisol ist für die Regulation von Stoffwechselprozessen verantwortlich, die dem Körper bei Bedarf Energie zur Verfügung stellen. Es fährt den Blutdruck hoch, erhöht den Blutzuckerspiegel und aktiviert die Körperzellen. Es wirkt sich außerdem auf den Stoffwechsel von Knochen, Haut, Muskulatur und Bindegewebe aus und beeinflusst Appetit, Sexualtrieb und Psyche, etwa die Stressverarbeitung. In höheren Konzentrationen wirkt Cortisol entzündungshemmend. Gesteuert wird die Hormonausschüttung durch die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse).

Aldosteron reguliert den Natrium- und Wasserhaushalt des Körpers und spielt damit eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Blutdruckes und des Elektrolythaushalts.

Zudem sind die Nebennieren in gewissem Maß an der Produktion von Geschlechtshormonen beteiligt.

Ursachen für Hormonmangel

Die Ursache des Morbus Addison liegt in den Nebennieren oder im Gehirn:

  • Bei einer primären Nebenniereninsuffizienz beruht der Mangel an Nebennierenrindenhormonen auf einer Erkrankung der Nebennierenrinde, häufig ausgelöst durch Autoimmunerkrankungen.
  • Bei einer sekundären Nebenniereninsuffienz ist der Hormonmangel auf eine Störung des Regulationszentrums im Gehirn zurückzuführen. Sie kann die Folge von Schlaganfällen, Tumoren, Schädelverletzungen, Infektionen wie Tuberkulose oder anderen Krankheiten sein.
  • Die tertiäre Nebenniereninsuffizienz ist die Folge einer dauerhaften Einnahme hochdosierter Kortisonpräparate.

Symptome der Nebenniereninsuffizienz

Erste Symptome von Morbus Addison treten erst auf, wenn bereits etwa 90 Prozent der Nebennieren zerstört sind:

  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Schwäche und Schwindelgefühle
  • Braunfärbung der Haut ("Bronzekrankheit"), vor allem im Bereich der Mundschleimhaut und an Stellen, die kaum der Sonne ausgesetzt sind
  • schwarze Sommersprossen im Gesicht, auf der Stirn und an den Schultern
  • Appetit auf salzige Speisen
  • niedriger Blutdruck
  • Kälteempfindlichkeit
  • Schwitzen
  • Appetitlosigkeit
  • Gewichtsverlust
  • Muskelschmerzen
  • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen
  • Depressionen, Reizbarkeit, Apathie
  • bei Frauen Verlust des Schamhaars

Viele der Beschwerden sind unspezifisch und können vor allem bei einer langsam voranschreitenden Addison-Krankheit als Erschöpfungssyndrom oder Alterserscheinungen fehlgedeutet werden. Zunächst treten sie meist nur unter Stressbelastung auf.

"Nebennierenerschöpfung" gibt es nicht

Immer wieder gebrauchen zum Beispiel einige Heilpraktiker Begriffe wie Nebennierenerschöpfung, chronisch aktivierte HPA-Achse oder Nebennierenschwäche, die sich angeblich durch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel behandeln ließen. Doch Experten warnen vor dieser Mode-Diagnose. Tatsächlich handele es sich dabei um eine zwar recht umsatzträchtige, aber erfundene Krankheit. Die teure Behandlung bringe vielmehr die Gefahr mit sich, dass eine echte Nebennieren-Unterfunktion dadurch lange nicht erkannt werde.

Diagnose der Addison-Krankheit

Da sich die Symptome langsam entwickeln, unspezifisch sind und Labortests in der Anfangsphase keine verlässlichen Hinweise liefern, dauert es oft lange, bis ein Morbus Addison in Betracht gezogen wird. Mitunter löst eine heftige Stresssituation eine Krise und damit auffälligere Symptome aus. Typischerweise wird Morbus Addison erst in einer lebensbedrohlichen Addison-Krise diagnostiziert. Sie ist gekennzeichnet durch

  • Abfall des Blutdrucks bis zum Kreislaufversagen
  • drohende Austrocknung des Körpers mit verringerter Blutmenge
  • Fieber
  • niedrigen Blutzuckerspiegel
  • niedriger Natriumspiegel im Blut
  • erhöhter Kaliumspiegel im Blut
  • starke Bauchschmerzen.

Diagnose der Nebennierenschwäche per Blutuntersuchung

Zur Diagnose von Morbus Addison werden die Blutwerte der Salze Natrium und Kalium und der Hormone Cortisol und ACTH (adrenocorticotropes Hormon) untersucht.

Im Rahmen eines sogenannten ACTH-Stimulationstests wird das Hypophysenhormon ACTH dem Körper von außen zugeführt und anschließend der Cortisolspiegel im Blut bestimmt. Steigt er an, ist die Nebenniere noch funktionsfähig, und die Ursache liegt sehr wahrscheinlich in der Hypophyse. Bleibt der Cortisolspiegel hingegen trotz ACTH-Gabe niedrig, liegt die Störung in der Nebennierenrinde selbst - es liegt also eine primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison) vor.

Mithilfe spezieller Antikörpertests kann eine Autoimmunerkrankung als Ursache der Erkrankung aufgedeckt oder ausgeschlossen werden.

Behandlung von Morbus Addison: Lebenslang Hormone einnehmen

Die Therapie des Morbus Addison besteht - unabhängig von der Ursache - in der lebenslangen Einnahme der fehlenden Hormone. Zu Beginn erfolgt die Therapie mit Hydrokortison- oder Prednison-Tabletten, wobei die höchste Dosis immer morgens eingenommen werden sollte. Im schweren Krankheitsstadium, bei Durchfall oder Erbrechen kann das Cortison auch als Spritze in eine Vene oder einen Muskel verabreicht werden. Die meisten Patientinnen und Patienten benötigen zusätzlich Fludrocortison, um die Ausscheidung von Natrium und Kalium zu normalisieren. Die Gabe von DHEA (Dehydroepiandrosteronacetat - Vorstufe von Sexualhormonen) kann bei manchen Betroffenen die Lebensqualität verbessern.

Personen mit der Addison-Krankheit sollten neben einer mit Hydrokortison gefüllten Spritze immer einen Patientenausweis mit sich führen, in dem die Erkrankung sowie Medikamente und Dosierungen aufgeführt sind. So stehen diese Informationen im Notfall gleich zur Verfügung.

Morbus Addison: Prognose

Abgesehen von lebenslanger Einnahme von Hormonen können die Erkrankten bei rechtzeitiger Behandlung ein normales Leben führen. Ein Berufswechsel ist in der Regel nur bei Tätigkeiten mit schwerer körperlicher Belastung oder in großer Hitze erforderlich. Steht im Einzelfall dennoch eine Frühberentung oder eine Erwerbsunfähigkeitsrente zur Diskussion, ist ein ärztliches Gutachten für den Rentenversicherungsträger notwendig, das das Ausmaß der Leistungsminderung feststellt.

Expertinnen und Experten zum Thema

Prof. Dr. Peter Layer, Israelitisches Krankenhaus Hamburg

Direktor und Chefarzt der Medizinischen Klinik
Orchideenstieg 14
22297 Hamburg
www.ik-h.de

 

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