Stand: 13.11.2015 11:54 Uhr

"1.000 Mal in der Laeiszhalle"

Hans-Herbert Schönborn, langjähriger Konzertbesucher des NDR Sinfonieorchesters © Hans-Herbert Schönborn Foto: Tobias Heimann
Er ist vielleicht der treueste Konzertbesucher des NDR Sinfonieorchesters: Hans-Herbert Schönborn besucht seit 1945 regelmäßig die Sinfoniekonzerte in der Hamburger Laeiszhalle.

Im Jahr 2015 feiert das NDR Sinfonieorchester sein 70-jähriges Bestehen. Am 1. November 1945 fand das erste öffentliche Konzert des neu gegründeten Ensembles unter der Leitung seines damaligen Chefdirigenten Hans Schmidt- Isserstedt in der Hamburger Musikhalle statt. Kaum jemand hat das NDR Sinfonieorchester seitdem so unermüdlich begleitet wie der passionierte Konzertgänger Hans-Herbert Schönborn, der auch heute noch regelmäßig in die Laeiszhalle kommt. Dramaturg Julius Heile und Kontrabassist Volker Donandt besuchten den 88-jährigen Diplom-Kaufmann in seinem Haus in Blankenese und trafen auf einen Musikliebhaber mit überwältigender Hingabe zu seinem Hobby.

Zwischen etlichen Schallplatten und Büchern präsentiert er auf einem Tisch im Wohnzimmer seinen ganzen Stolz: In mehreren Bänden hat er die Programmhefte der besuchten Konzerte seit 1945 fein säuberlich archiviert, seine jeweilige Konzertbegleitung notiert und dazu akribische Listen über die Häufigkeit der gespielten Werke - nach Tonarten sortiert - angelegt. Im Gespräch zeigt er sich als mitteilungsfreudiger Klassikkenner mit einem bewegten Leben, unermesslichem Erfahrungsschatz und bewundernswerter Ausdauer.

Volker Donandt: Herr Schönborn, woher kommt Ihre große Liebe zur Musik? Spielen Sie ein Instrument?

Hans-Herbert Schönborn: Ja, früher habe ich am Klavier viel Mozart und Beethoven-Sonaten gespielt. Aber das ist heute alles nicht mehr möglich, weil es mit meinen Augen so steil abwärts geht. Ich habe jetzt wieder Unterricht bei einem Mann in der Nachbarschaft und fange gewissermaßen wieder auf der grünen Wiese an: Noten, die normalerweise auf A4 stehen, muss ich mir auf A2 vergrößern; dann lege ich die A2-Blätter, auf denen ich die Noten weder in der Größe noch im Kontrast erkennen kann, unter mein Lesegerät, versuche mir Takt für Takt einzuprägen, gehe mit diesen neuen Erkenntnissen in den ersten Stock, wo mein Klavier steht, und mache dort meine primitiven Übungen. Ich muss schon sagen, es ist kläglich – aber es ist für mich besser als nichts. Und ich habe einen sehr geduldigen Lehrer, der mir immer sagt: "Bloß nicht aufgeben!"

Soviel zu meiner aktiven musikalischen Seite, sonst bin ich doch sehr viel mehr passiv…

Julius Heile: … und das offenbar mit großer, unaufhörlicher Leidenschaft. Wie wurden Sie zum regelmäßigen Konzertbesucher? Wie wuchsen Sie auf?

Schönborn: Ich bin in den Elbgemeinden aufgewachsen und zur Schule gegangen. Die normale Entwicklung wurde unterbrochen durch das Dasein als Luftwaffenhelfer in einer großen Batterie mit 18 Geschützen. Die Schule ging so gut es ging weiter, indem nämlich drei Lehrer in die Stellung kamen. Und wenn wir mal gerade nicht "ballerten", dann machten sie noch ein bisschen Deutsch und Geschichte ... Naja, und wie das in diesen Jahrgängen eben so war: Das Ende vom Lied war eine kurze, aber unangenehme Kriegsgefangenschaft bei Rheinberg am Niederrhein.

Konzertzettel des ersten Sinfoniekonzerts des NDR Sinfonieorchesters © NDR
Der Beginn: Am 1. November 1945 gab das damalige NWDR Sinfonieorchester unter Leitung von Hans Schmidt-Isserstedt sein erstes Konzert.

Ich wurde dann im August entlassen und kam zurück nach Hamburg, wo ich mein allererstes Sinfoniekonzert mit den Hamburger Philharmonikern unter Eugen Jochum erlebte, ich glaube mit Mahlers Vierter Sinfonie und Mendelssohns Violinkonzert - er hat also von den Nazis verbotenes Repertoire aufgearbeitet. Und das hat mich so gepackt, dass ich ab sofort mehrmals wöchentlich ins Konzert ging. Schon wenig später hörte ich das NDR Sinfonieorchester unter Hans Schmidt-Isserstedt. Insgesamt bin ich in meinem Leben eher 1000 als 500 Mal in der Laeiszhalle gewesen. Und dabei habe ich natürlich nicht nur sehr viele Genüsse gehabt, sondern auch viele große Solisten, Dirigenten und Werke kennen gelernt.

Hans Schmidt-Isserstedt dirigiert © NDR

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