Musik 21.1: Kuss Quartett
Musik 21 im NDR ist eine Reihe aus vier Konzerten im Kleinen Sendesaal. Namhafte Ensembles für zeitgenössische Musik setzen sich aus verschiedenen Perspektiven mit Klängen der Gegenwart auseinander.
Die Musik Elliott Carters, hierzulande wenig bekannt, bewegt sich an der Grenze zwischen noch Fassbarem und schon arg Abstraktem. Der Vertreter der modernen amerikanischen Musik sah sich einem Wendepunkt in seinem Schaffen gegenüber, als er erstmals für die Gattung Streichquartett schrieb. Seit jener Komposition, die etwa 1950 entstand, erscheint seine Musik ausgesprochen komplex. Den einzelnen Stimmen sind bestimmte Intervalle, Rhythmen, Gesten und vor allem zeitliche Proportionen zugeordnet, die dann in einem abgesteckten Raum stattfinden. Das mutet beim ersten Hören willkürlich an, folgt aber einem höchst sensiblen Ausloten der jeweiligen Komponenten. Später, als seine Werke humoresker, luftiger und sparsamer - durchaus aber nicht weniger komplex - werden, beginnt die Programmidee "Zeit.Räume" zu reifen.
Zusammenspiel: Carter und Mozart
Das Spätwerk von Carter wurde in diesem Programm mit "dem späten" Mozart buchstäblich verschränkt. Mozarts berühmtes "Dissonanzenquartett" stand im Zentrum der Gegenüberstellung. Das Quartett beginnt mit einem schwer zu verortenden Anfang. Bekannt ist auch das Andante cantabile mit dem asymmetrischen Menuett - es greift tief in menschliche Abgründe, auf der Kippe zwischen Liebe und bedrohlichem Entsetzen. Es ist noch "Papa Haydn" gewidmet, will ihm aber mit Sicherheit beweisen, was Fortschreiten bedeutet. Hier wird Mozart ganz Mozart: eine Partitur, die uns stets staunen lässt.
Aimard: Einer der wichtigsten Pianisten unserer Zeit
Das Kuss Quartett konnte Pierre-Laurent Aimard - Verfechter von Carters Musik - als Partner für diese Entdeckungsreise gewinnen. Zusammen setzten sie die Musik Elliott Carters in Beziehung. Das in Europa fast nie gespielte 1997 entstandene Quintett für Klavier und Streichquartett stand am Ende des Programms. Zuvor tasteten sich Pierre-Laurent Aimard und das Kuss Quartett in unterschiedlichen Besetzungen an dieses Finale heran: von Solo bis Quintett, über Epigramme für Trio und andere Werke, stets auf der Kippe des Zerbrechlichen. Einzelne Stimmen, Gesten, Deutungen in verschiedenen Zeit(.)Räumen wurden zu einem Organismus von fünf Instrumenten. Für das Kuss Quartett war es die erste Begegnung mit dem Komponisten Carter - zu Ehren des 10. Todestages dieses bedeutenden Avantgardisten.