Stand: 24.11.2016 11:00 Uhr

Eine große Arena des Hörens

Henrik Albrecht, Komponist © Ekkehart Reinsch
Der Komponist Henrik Albrecht ist für das Orchesterhörspiel "A Christmas Carol. Eine Weihnachtsgeschichte" mit dem Deutschen Kinderhörbuchpreis BEO ausgezeichnet worden.

Er verwandelt beliebte Geschichten in spannende Orchesterhörspiele, die im Konzertsaal zu einem mitreißenden Hör- und Klangerlebnis werden: Der Komponist Henrik Albrecht ist dem Publikum der NDR Radiophilharmonie seit den Aufführungen von "Peter Pan", "Alice im Wunderland", "A Christmas Carol" oder "Das kalte Herz" bestens bekannt. Mit diesen Orchesterhörspielen hat er eine eigene Hörspielform kreiert. Im Gespräch verrät er einiges über sein neuestes Werk "Der Prinz und der Betteljunge", das in Hannover uraufgeführt wird.

Ihre Orchesterhörspiele sind spannend und unterhaltsam, zudem haben sie immer eine besondere menschliche und psychologische Dimension, nach welchen Kriterien wählen Sie die Stoffe aus?

Bei allen meinen Orchesterhörspielen habe ich ganz bewusst auf Stoffe der klassischen Kinderliteratur zurückgegriffen, also auf Stoffe, die wirklich sehr bekannt sind. Ich sehe all meine Orchesterhörspiele als eine Variationsform - man kennt den Stoff, aber er wird nun mit Musik und Text auf ganz andere Weise vermittelt, die Geschichte wird auf eine neue Weise erzählt. Dass diese Stoffe zudem diese Tiefe, einen psychologischen Tiefgang haben, macht für mich die Reizfläche aus, die ich als Komponist brauche und die mir die musikalisch-dramaturgische Aufbereitung der Geschichten in dieser großen orchestralen Form erst ermöglicht.

Erstmals werden in einem ihrer Orchesterhörspiele zwei Kinder die Hauptrollen übernehmen.

Ja, in "Der Prinz und der Betteljunge" werden die Rollen von Edward und Tom tatsächlich von zwei Jungen im entsprechenden Alter übernommen. Das bringt einen gewissen Realismus in das Geschehen hinein, das Erzählte wirkt damit geradezu naturalistisch. Die Fallhöhe, das Ausgeliefertsein der beiden Jungen in ihrer Welt wird für den Hörer direkter erfahrbar, denn von Kindern lässt sich dies viel glaubhafter erzählen als von noch so guten erwachsenen Schauspielern. Daher freue ich mich sehr, dass es gelungen ist, so talentierte Jungen für diese Rollen zu gewinnen.

Sie richten für ihre Orchesterhörspiele den Text selbst ein und komponieren die Musik, wie läuft dieser Prozess ab?

Ich erstelle zunächst einmal den Text und spreche ihn für mich ein, im zweiten Schritt komponiere ich dann die Musik. Ich übertrage dies auf den Computer, erhalte so einen ersten Klangeindruck und werde quasi zu einem Ersthörer. Wenn dann natürlich - vor allem bei einer Uraufführung wie jetzt bei "Der Prinz und der Betteljunge" - im Konzertsaal alle Mitwirkenden mit dem Orchester zusammenkommen, entsteht nochmal eine neue, enorme Energie. Der Konzertsaal wird zu einer großen Arena des Hörens und das ist auch für mich stets ein faszinierendes Ereignis.

Wie sind Sie bei der musikalischen Konzeption von "Der Prinz und der Betteljunge" vorgegangen?

Mein ursprünglicher musikalischer Plan war, dass jeder der beiden Jungen sein eigenes musikalisches Thema erhält. Im Laufe des Entstehungsprozesses habe ich allerdings festgestellt, dass dies so nicht funktioniert. Edward und Tom sind ja wirklich wie Zwillinge, sie sind von ihrer Anlage her gleich, werden damit aber in ganz verschiedene Lebenswelten gestellt. Beide haben daher nun ein sehr ähnliches Thema erhalten, das Thema des Kindes - die Quelle dafür war für mich die Szene des Kleidertausches, in der die beiden Kinder einander ganz nahe sind, so fröhlich und unbekümmert auf die Welt blicken und ihren Plan schmieden. Ausgehend von dieser Szene wandert dieses Thema in die Welt des Reichtums und der Armut und wird musikalisch deutlich hörbar mit diesen unterschiedlichen Welten konfrontiert. Klanglich starke Akzente setzen u. a. prachtvolle Fanfaren, die die höfische Kulisse markieren, während dagegen die Welt der Armut quasi resigniert und klanglich in sich zusammensinkt, etwa in Seufzerfiguren, die die Körperspannung geradezu entweichen lassen.

Sie sind auch Filmkomponist, wie wirkt sich dies auf ihre Orchesterhörspiele aus?

In meinen Orchesterhörspielen kommt mein musikalischer Gehörsinn und mein optischer Sinn zusammen. Mit der Musik kann ich im Hörspiel quasi das Licht bestimmen und auch die Kamerafahrt. Sehr reizvoll fand ich es z. B. in "Der Prinz und der Betteljunge", einen musikalischen Countdown zu komponieren: "Um 12 Uhr wird der neue König gekrönt", heißt es da, und Edward muss ganz schnell aus der Gosse zur Westminster Abbey rennen. Im Film müsste jetzt überlegt werden, welche Strecke und wie Edward rennt. Ich musste hier hingegen einen akustischen Parcours entstehen lassen - und diese "musikalische Kamerafahrt" zu komponieren war eine große und spannende Herausforderung.

Das Gespräch mit Henrik Albrecht führte Andrea Hechtenberg

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