Stand: 10.05.2016 11:00 Uhr

Nachgefragt: Sarah Maria Sun

Sopranistin Sarah Maria Sun  Foto: Rüdiger Schestak
Sarah Maria Sun hat gut lachen. Die Sopranistin ist einer der Shooting Stars der Neuen Musik.

Sie wird auch schon mal als "Hochleistungssopranistin" betitelt: Sarah Maria Sun, Koloratursopran und langjährige Erste Sopranistin des Neuen Vocalsolisten Stuttgart, ist weltweit als Interpretin zeitgenössischer Musik gefragt. Im Jahr 2012 widmete die Reihe NDR das neue werk ihr sogar eine eigenes Porträtkonzert. Am 18. Mai war sie gemeinsam mit dem französischen Streichquartett Quatuor Diotima und einer Deutschen Erstaufführung sowie einer Uraufführung im Gepäck erneut zu Gast in Hamburg.

Sarah Maria Sun, bei Deinem Gastspiel im Resonanzraum St. Pauli gibt es das brandneue Stück von Dieter Schnebel, "Yes I Will Yes" nach Mollys Schlussmonolog aus dem "Ulysses" von Joyce. Ich habe schon gehört, Probenzeit und Vorbereitung gestalten sich aufwendig. Was sind die besonderen Herausforderungen dieser Komposition, deren Uraufführung die Reihe NDR das neue werk präsentieren wird?

Sarah Maria Sun: Dieter Schnebel und ich haben vor ca. zwei Jahren zusammengesessen und über einem Solo für mich gebrütet. Er sagte bereits damals, dass er gerne den Schlussmonolog der Molly Bloom aus "Ulysses" für mich verwenden würde. Darauf bin ich natürlich angesprungen, denn dieser Monolog ist eine phänomenale Aufgabe. Ich habe es so genossen, diesen Text auf englisch (für das Zuspielband, das ich aufgenommen habe) und auf Deutsch (für den Live-Act) immer und immer wieder von allen Seiten durchzukneten.

Molly Bloom sinniert nachts im Bett über ihr Leben und ihre Ehe ... Ihr Monolog ist vulgär, pragmatisch, obszön, poetisch, liebevoll, äusserst unterhaltsam und witzig, aggressiv, traurig, ungefiltert… Ursprünglich hatte Dieter vor, dass ich komplett alles alleine mache, auch den Vibraphonpart spiele, dazu steppe, schauspiele und singe. Natürlich war ich davon begeistert. Aber während des Komponierens stellte sich heraus, dass der Vibraphonpart immer schwieriger wurde und zu einem avancierten Schlagzeugpart anwuchs. Gottseidank habe ich kurzfristig Johannes Fischer gewinnen können, ihn zu übernehmen! Denn mit dem reinen Material für meine Stimme, das sehr virtuoses Spielen, Sprechen und Singen erfordert, bin ich schon ausreichend gefordert!

Dieter Schnebel hat das Stück direkt für Dich und Deine Stimme komponiert. Das ist natürlich etwas Besonderes - ist er ein Komponist, der bei einem so speziellen Werk auch auf Anregungen des Interpreten eingeht, oder war das Konzept schon fertig, das er Dir präsentiert hat?

Sun: Die Arbeit mit Dieter Schnebel war wunderschön. Hand in Hand. Er hat ja ein komplexes Zuspielband erarbeitet, in dem die ungekürzte Fassung des englischen Monologs von mir eingesprochen wurde, und außerdem noch viele andere aufgenommene Klänge, die er erfand und ich versucht habe umzusetzen. Wie zwei Vögel, die sich gegenseitig füttern. Und daraus wächst dann etwas - ein unterhaltsames, raffiniertes, tragikomisches, denunzierendes Monodram, mit dem man das Publikum eine Stunde lang unterhält und hoffentlich, wie Joyce es wollte, amüsiert.

Du arbeitest schon zum wiederholten Mal mit dem Quatuor Diotima zusammen. Kannst Du uns etwas über das Stück von Alberto Posadas sagen, das für die ungewöhnliche Besetzung Streichquartett und Sopran komponiert ist?

Sun: Alberto Posadas Stück ist ein Zyklus mit fünf Sätzen, der für Streichquartett, Klarinette und Sopran komponiert ist. Den dritten Satz für Streichquartett und Sopran führen wir jetzt auf, "Die Versuchung der Schatten" - "La tentación de las sombras". Es sind Ausschnitte aus dem "Buch der Chimären" des rumänischen Philosophen Emil Cioran. Er beschreibt in sehr poetischer Sprache und mit wunderschönen Metaphern die Versuchung, sich mitunter einmal den Schatten des Todesverlangens hinzugeben ... Die Streichinstrumente bauen um die Stimme konstant diesen Raum der streichelnden, raunenden Versuchung, öffnen ihn zu klanglichen Verheißungen. Zwischen der Stimme und den Instrumenten entspannt sich ein Dialog des Fühlens und Horchens. Das ist sehr schön.

Die Fragen stellte Dr. Richard Armbruster, Redakteur der Konzertreihe NDR das neue werk.

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