"Immer wieder neue Wege gehen"

Stephan Diez, Gitarrist der NDR Bigband, im Interview (2011)

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Stephan Diez © NDR Foto: Christian Spielmann

Stephan Diez: Die Gitarre war sein Leben

Der NDR trauert um Stephan Diez. Der ehemalige Gitarrist der NDR Bigband ist am 5. Februar 2017 nach langer schwerer Krankheit im Alter von 63 Jahren gestorben. mehr

Sie haben über zehn Jahre lang intensiv als Studiomusiker gearbeitet, bei Musikproduktionen aller Genres und auch bei der Fernsehsendung "Verstehen Sie Spaß?" mitgewirkt. Liegt Ihnen die Studioarbeit besonders?

Stephan Diez: Sie liegt mir definitiv auch, aber damals hat sich das eigentlich eher so ergeben. Da habe ich in München gelebt und gearbeitet, und wie für alle Musiker dort in der Szene gehörte die Studioarbeit auch bei mir einfach dazu, um das tägliche Brot zu sichern. Da wurde man dann tageweise für alle möglichen Produktionen gebucht. Ich habe nebenher aber immer meine eigenen Sachen gemacht und irgendwann hat es auch musikalisch einfach nicht mehr gepasst, Sachen für den "Grand Prix d’Eurovision de la Chanson" oder für "Verstehen Sie Spaß?" einzuspielen.

Was passt Ihnen musikalisch denn bei der NDR Bigband besonders gut?

Diez: Zuallererst die musikalische Entwicklung, die die Band im Laufe der letzten 20 Jahre durchgemacht hat. Angefangen hatte sie ja, wie alle anderen Rundfunk-Bigbands auch, als Tanzmusik-Orchester. Und die kontinuierlich betriebene künstlerische Neuausrichtung und neue Besetzungen von Dirigenten, Komponisten und Arrangeuren hat vieles zum Besseren verändert. Und ich schätze es sehr, dass man seit einigen Jahren sagen kann, dass wir auf einem durchgängig anspruchsvollen Niveau arbeiten und zwar mit Musik, die sehr in meine Richtung als Jazz-Musiker geht. Natürlich trifft diese Übereinstimmung nicht bei jeder einzelnen Produktion in gleichem Maße zu, aber grundsätzlich ist das sehr wertvoll.

Biografisches in Kürze

Jahrgang 1954, aufgewachsen in Berlin-Zehlendorf, verstarb am 5. Februar 2017 in Hamburg.

Instrumente: Gitarre

Durch seinen älteren Bruder, den Gitarristen Frank Diez, wurde er schon früh inspiriert. Mit 14 Jahren fing er an Bass zu spielen, mit 15 nahm er erstmals an den Sommerkursen der Akademie Remscheid teil. Schon mit 18 lehrte er dort als Dozent. Wichtige Lehrer waren für ihn Philip Catherine und Toto Blanke. 1978 gründete er seine eigene Formation Mirrors. Auch spielte er mit Zbigniew Seifert in der Band Variospheres und arbeitete für alle deutschen Rundfunk-Big-Bands. Seit 1990 unterrichtet er Jazzgitarre an der Hochschule in Hamburg.

Seit 1990 war er festes Mitglied der NDR Bigband.

Wie kommen Sie damit klar, dass es keinen festen Schlagzeuger gibt?

Diez: Das ist überhaupt keine Schwierigkeit, sondern im Gegenteil eine Bereicherung! Es führt dazu, dass wir immer wieder mit tollen Drummern aus dem In- und Ausland zusammenarbeiten, und dadurch ergeben sich neue stilistische Ausprägungen, durch die sich die gesamte Band immer wieder neu orientieren und erfinden muss. Hätten wir über 20 Jahre hinweg den gleichen Schlagzeuger, würde das einerseits vielleicht noch mal eine andere Stabilität geben. Aber andererseits wollen wir ja auch immer wieder neue Wege gehen, und dafür auch immer wieder neue Schlagzeuger zu haben, ist nur sinnvoll.

Seit 1990 sind sie festes Mitglied der NDR Bigband und genauso lange unterrichten Sie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Was gibt Ihnen diese Arbeit?

Diez: Es ist einfach interessant, junge Musiker mit immer wieder anderen Herangehensweisen an Musik zu erleben - und auch herausfordernd, weil man sich jedem gesondert widmen muss. Ich finde es auch spannend, dass die Rolle des Musikers ja nicht nur im Spielen besteht, sondern dass sie auch solche Fähigkeiten wie Komponieren, Arrangieren und inzwischen ja auch die Vertrautheit mit den entsprechenden Werkzeugen auf dem Computer einschließt.

Sie selbst haben ja nie an einer Musikhochschule studiert. Im Rückblick: Haben Sie was verpasst?

Diez: Der Weg war für mich damals einfach vorgegeben, weil es an den Hochschulen noch keine Jazzabteilungen gab. Allerdings gab es viele Kurse und Workshops, an denen ich schon mit 15 Jahren teilgenommen habe. Insofern habe ich über ein verpasstes Studium nie nachgedacht. Trotzdem finde ich es toll, dass es diese Möglichkeit heute gibt, und dass die Studenten auch schon früh gefördert werden und zum Beispiel in studentischen Konzertreihen regelmäßig auf die Bühne gehen können. Das zahlt sich aus, man sieht ja, wie viele Musiker heute schon direkt nach der Hochschule ihre eigene Linie entwickelt haben.

Das Interview führte Jessica Schlage.

Orchester und Vokalensemble