Stand: 07.09.2017 12:29 Uhr

Weltfriedenstreffen: Schluss mit schönen Worten!

Nordkorea, der Nahost-Konflikt, der Krieg in Syrien - es sind unruhige und bewegte Zeiten. Am Wochenende beginnt in Münster das Internationale Weltfriedenstreffen. Rund 5.000 Besucher werden erwartet, unter ihnen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ahmad Muhammad Al-Tayyeb, der Großimam der Al-Azhar-Universität in Ägypten. Die Veranstalter wünschen sich positive Signale. Mouhanad Khorchide hofft auf mehr.

Ein Kommentar von Mouhanad Khorchide

Das Internationale Weltfriedenstreffen in Münster und Osnabrück ist ein wichtiger Anlass, um ein Zeichen für den Frieden in der Welt zu setzen. Dass hochrangige Politiker und Vertreter der verschiedenen Weltreligionen daran teilnehmen, ist auch ein Signal an die Weltgemeinschaft: für einen starken gemeinsamen Willen zum Frieden.

Prof. Dr. Mouhanad Khorchide

Mouhanad Khorchide, geboren 1971 im Libanon, ist Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Wilhelms-Universität Münster. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter eines zeitgenössischen, liberalen Islam im deutschsprachigen Raum.
Bekannt wurde er u.a. als Autor des Buches "Islam ist Barmherzigkeit: Grundzüge einer modernen Religion" (Herder 2012).

Den Worten müssen Taten folgen

Allerdings reicht der Wille allein nicht aus, um wirklich Frieden in der Welt zu schaffen. Dieser Wille muss sich durch praktische Schritte bewahrheiten. Ansonsten bleibt es bei frommen Wünschen und vielen schönen Worten. Davon gibt es schon genug. Solange zum Beispiel Politiker westlicher Länder Waffenexporte an Staaten wie Saudi-Arabien genehmigen und so für militärische Spannungen sorgen, sind all die Reden vom gemeinsamen Interesse am Frieden nicht glaubwürdig. Gerade die Konflikte im Nahen Osten zeigen, dass viel zu oft politische und wirtschaftliche Machtinteressen und keineswegs Werte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit das letzte Wort haben.

Vertreter verschiedener Religionen treffen jedes Jahr beim Weltfriedenstreffen aufeinander. © Gemeinschaft Sant' Egidio
Jedes Jahr kommen beim Weltfriedenstreffen Vertreter verschiedener Religionen zusammen. Hier 2013 in Rom: die Audienz bei Papst Franziskus.

Was nützen Friedenstreffen, an denen auch wichtige muslimische Vertreter teilnehmen, wenn zugleich in vielen islamischen Ländern die Rahmenbedingungen für ein friedliches Miteinander nicht wirklich vorhanden sind? Religiöse Minderheiten genießen in diesen Ländern keine gleichberechtigte Behandlung. Die jahrhundertealten Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten, die fehlende Meinungsfreiheit, fehlende Menschenrechte und fehlende demokratische Teilhabe - all das sind real existierende Herausforderungen.

Das Ziel: eine gemeinsame Identität

Kommen wir aber nach Deutschland zurück, wo in diesem Jahr das Internationale Weltfriedenstreffen der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio stattfindet. Frieden bedeutet vor allem auch die Bereitschaft, sich auf den "Anderen" einzulassen und diesem mit Anerkennung und Wertschätzung zu begegnen. Ein "Wir-Gefühl als Deutsche", zu dem natürlich auch die Muslime gehören, ist allerdings immer noch keine Selbstverständlichkeit. Denn im Bewusstsein vieler sind es noch immer "die Deutschen" auf der einen Seite und "die Muslime" auf der anderen. Beziehungsweise "Wir Muslime" auf der einen und "die Deutschen" auf der anderen Seite.

Über das Internationale Weltfriedenstreffen

Unter dem Motto "Paths of Peace - Wege des Friedens" findet das 31. Internationale Weltfriedenstreffen in diesem Jahr in Münster und Osnabrück statt. Die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio veranstaltet es gemeinsam mit den Bistümern Münster und Osnabrück. Rund 5.000 Besucher werden vom 10. bis zum 12. September in den beiden Städten erwartet, unter ihnen zahlreiche hochrangige Vertreter der großen Religionen und aus Politik und Gesellschaft.

In den meisten Moscheen kommen die Imame immer noch aus Ländern, die die Geistlichen auch als politische Gesandte verstehen. Besser wäre: mehr Imame an deutschen Hochschulen auszubilden und ihnen in den Gemeinden eine Perspektive zu bieten. Hinzu kommt, dass einige Politiker in Deutschland Ängste vor dem Islam schüren, um die Bevölkerung zu verunsichern. Dadurch wird eines deutlich: Wir haben noch viel Arbeit vor uns, bis wir eine gemeinsame Identität geschaffen haben, die Platz für uns alle hat und somit für Frieden im eigenen Haus sorgt.

Frieden fällt nicht vom Himmel

Bei dem Weltfriedenstreffen in Münster und Osnabrück werden die Vertreter der Religionen auch einen Friedensappell unterzeichnen. Es wird spannend, inwieweit sie auch bereit sind, diesen umzusetzen.

Frieden fällt nicht vom Himmel, Frieden bedeutet Toleranz und Anerkennung einzuüben. Hier muss jeder bei sich anfangen. Denn die Akteure sind nicht nur die Politiker und die religiösen Institutionen. Akteure des Friedens sind Sie und ich, jeder in seinem eigenen Alltag.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 08.09.2017 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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