Sendedatum: 21.07.2017 15:20 Uhr

Paradies auf Erden: Gartentraditionen im Islam

Die Gartenbaukunst hat in islamisch geprägten Ländern eine lange Geschichte. Doch man muss nicht bis nach Ägypten reisen und auch nicht zu den Gärten der Alhambra in Granada, um sie kennenzulernen. Nur bis nach Berlin. Zum Orientalischen Garten. Er gilt als ein kleines Meisterwerk.

Von Karin Dzionara

Es duftet nach Rosen und Jasmin, nach Minze, Salbei und Oregano. Ein Sommertag im Orientalischen Garten in Berlin-Marzahn. Umgeben von einer Mauer, in einem schattigen, geometrisch angelegten Innenhof, öffnet sich ein üppiges Blütenmeer. In der Mitte sprudelt das Wasser aus einer riesigen Brunnenschale - und speist die vier Wasserbecken mit ihren Springbrunnen und Fontänen, die den Garten gliedern. In den Wassertropfen bricht sich das Sonnenlicht. Ein Märchengarten - wie in den Erzählungen aus "Tausendundeiner Nacht". Bis zu 800.000 Besucher pro Jahr pilgern zu den Gärten der Welt in Berlin.

Die Menschen vereinen

Orientalischer Garten Berlin © Grün Berlin
Landschaftsarchitekt Kamel Louafi zeigt mit dem Orientalischen Garten in Berlin alle Elemente, die einen islamischen Garten ausmachen.

"Man kann Menschen zusammenbringen, indem man ihnen die Kultur der anderen zeigt, und versucht zu sagen: Hier, die Kultur, das ist etwas, das Dir gefällt und mit dem Du Dich identifizieren kannst", erklärt Landschaftsarchitekt Kamel Louafi, der den Orientalischen Garten gestaltet hat - als Pilotprojekt in einer modernen Metropole. Dieser Garten sei als islamischer Garten entstanden, weil Louafi den Auftrag hatte, einen Garten zu bauen, in dem alle Muslime sich wiederfänden, der alle Kulturen repräsentiere: Iran, Jordanien, Asien oder Marokko. "Wir haben uns entschieden, so einen Garten zu machen - mit allen Elementen, die man in einem islamischen Garten findet."

Ein Stück Himmel auf Erden. Auch im Koran wird beschrieben, wie das Paradies aussieht, etwa in Sure 13, Vers 35:

"Das Paradies, das den Gottesfürchtigen versprochen ist, ist so beschaffen: In seinen Niederungen fließen Bäche. Und es besitzt andauernd Früchte und Schatten. Das ist das letzte Ziel derer, die gottesfürchtig sind."

Grüne Brücke zwischen den Kulturen

"Theologisch gesehen ist ja die Aussicht auf das Paradies, wenn man hier Gutes tut, dann wird man im Ewigen Leben im Paradiesgarten leben", meint Hamideh Mohagheghi, islamische Theologin aus Hannover. "Das ist ein sehr starkes Bild von Wohlsein, von sich wohlfühlen und auch ein umgeben sein von schönen Dingen, die in einem Garten sind." Hamideh Mohagheghi fände es toll, wenn man diese paradiesischen Vorstellungen auch in dieser Welt haben könnte. Datteln, Feigen, Granatäpfel - und frisches sprudelndes Wasser. Für die Theologin geht es aber noch um mehr: "Dass man immer diese Verbindung zwischen Gott, Natur und Mensch, Lernen und Lehren auch herstellen kann durch den Garten."

Die Sendung zum Nachhören
Alhambra © imago/UIG
4 Min

Paradies auf Erden: Gartentraditionen im Islam

Wasserspiele, Ornamente und Zitronenduft: Die Gartenbaukunst hat auch in islamisch geprägten Ländern eine lange Geschichte. Karin Dzionara stellt sie Ihnen vor. 4 Min

Der Garten als Lernort - das gehört zur Tradition der Moscheegärten in den islamischen Ländern. In den Gärten der Welt in Berlin wurde er als grüne Brücke zwischen den Kulturen angelegt. In der Bundeshauptstadt einigte man sich seinerzeit darauf, im islamischen Gartenhof Inschriften anzubringen mit Zitaten von Dichtern - statt mit Suren aus dem Koran. Das war kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Vier Jahre später wurde der Orientalische Garten eröffnet, die Gärten der Welt wuchsen weiter.

"Ich war sehr traurig, als ich gesehen habe, dass der Christliche Garten entstanden ist und dort biblische Verse angebracht wurden. Das heißt: Man hat dort erlaubt, was man uns verboten hat", erinnert sich Landschaftsarchitekt Kamel Louafi, ein liberaler Muslim. Zum gemeinsamen Gärtnern gehört eben auch viel Fingerspitzengefühl, denn kulturelle und religiöse Entwicklungen sind miteinander verwurzelt. "Der Garten ist im Grunde ein Ort der Harmonie, und das finden Sie in allen Religionen", so Louafi.

"Viel Grün, viele Blumen und fließendes Wasser"

Das Bild vom Paradiesgarten reicht weit zurück in den Alten Orient. Modell standen vermutlich die prächtigen Palastgärten mit ihren komplexen Bewässerungssystemen. Der islamische Garten der letzten 1.000 Jahre finde seinen Ursprung in Persien in der vorislamischen Zeit, erklärt der Gestalter. Der Islam ist in einer Wüstenregion entstanden. Dort spielt das Wasser eine zentrale Rolle. Im Koran finden sich auch Pflanzen und Düfte wieder. Bilder, die sich einprägen. "Viel Grün, viele Blumen und zwar bunte Blumen", so Hamideh Mohagheghi, "weil die Vielfalt auch im Islam ganz wichtig ist, fließendes Wasser, Wasserbecken, und auch schöne Früchte."

Islamische Gartenkultur kann man auch in Deutschland erleben:

Auch in interreligiösen Gärten gibt es islamische Gärten. In Köln und Karlsruhe etwa, aber auch im Norden:

In Norddeutschland gibt es bisher nur wenige islamische Gärten. Die "Welt der Religionen" etwa - ein interreligiöses Gartenprojekt zur Internationalen Gartenschau 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg. Vertreter der fünf großen Weltreligionen gestalteten dort jeweils ein eigenes Gartenparadies - verbunden durch einen zentralen Brunnen. So wuchs - einen Sommer lang - ein bunter Glaubensgarten auf Zeit. Auf Dauer angelegt sind dagegen die Gärten der Weltreligionen im Osnabrücker Gymnasium "In der Wüste". Sie wurden 2005 eröffnet - im gleichen Jahr wie der Orientalische Garten in Berlin.

Der Garten als Modell für Nachhaltigkeit im Umgang mit der Natur - auch das könnte eine verbindende Botschaft sein, meint die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi: "Wir haben ja mit den Bildern der Schöpfung sehr viel mit den Gärten zu tun. Und daher, denke ich, kann man sehr gut diesen religiösen, den göttlichen Aspekt und auch den weltlichen verbinden, zum Beispiel, wie man gut mit der Natur umgehen sollte."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 21.07.2017 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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