Stand: 12.01.2017 16:39 Uhr

Muslimische Kinderbetreuung: Eine Kita wie jede andere?

Viele muslimische Mütter und Väter wünschen sich, dass ihre Kinder schon von klein auf ihre Religion kennenlernen. In muslimischen Kindergärten etwa. Doch die zu finden, ist gar nicht so einfach. In Norddeutschland zum Beispiel gibt es noch keinen einzigen. Was ist das Besondere an einem muslimischen Kindergarten?

Von Michael Hollenbach

Die 17 Kinder der islamischen Kindertagesstätte Regenbogen-Kidz in Berlin sind zwar fast alle muslimisch, doch die Herkunft ihrer Eltern ist sehr unterschiedlich: Die meisten stammen aus der Türkei, andere aus Nordafrika, aus dem Sudan, aus Indien und Afghanistan. Iman Andrea Reimann ist die Leiterin der Kita. Sie erläutert, was eine muslimische Kita von anderen unterscheidet: "Zum einen ist es die Begrüßung, wir begrüßen uns mit dem Frieden: As-salamu alaikum - der Friede sei mit euch. Wir machen bestimmte Gebete vor und nach dem Essen. In der Ramadan-Zeit oder zum Opferfest arbeiten wir mit den Kindern projektbezogen."

Der wichtigste Grund für die Eltern, ihr Kind in eine muslimische Kita zu bringen, ist das Essen: kein Schweinefleisch. Bei den Regenbogen-Kidz wird vegetarisch gespeist. Iman Andrea Reimann und ihr Team berücksichtigen auch den Migrationshintergrund der Eltern: "Der Erwerb der deutschen Sprache ist sehr wichtig. Und die Eltern sind uns sehr dankbar, dass wir den Kindern eine Vielfalt an Angeboten ermöglichen. Wir machen viele Ausflüge und kommen mit Menschen zusammen. Was die Eltern nicht immer leisten können, weil sie nicht die Möglichkeiten haben."

Lieber "interkulturell" statt "muslimisch"

Kita Regenbogen-Kidz © deenomedia
Die Kita Regenbogen-Kidz ist eine von rund 30 muslimischen Kitas bundesweit.

Allein in Berlin gibt es rund ein Dutzend muslimische Kitas. Die meisten sind - wie die Regenbogen-Kidz - aus einer Elterninitiative entstanden. Bundesweit sind es rund 30 muslimische Kitas. In Norddeutschland gibt es allerdings keine. Einer der Gründe, so Ali Özdil: "Da gibt es erfahrungsgemäß Ängste, dass islamische Einrichtungen in der Öffentlichkeit negativ wahrgenommen werden. Und das umgeht man."

Ali Özdil ist Leiter des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts in Hamburg. Er hat beobachtet, dass viele Kitas sich lieber "interkulturell" nennen, auch wenn mehr als drei Viertel der Kinder muslimisch sind. "Muslime haben, politisch gesehen, ganz stark mit dem Vorwurf zu kämpfen, sie seien nicht gut integriert", sagt Ali Özdil. "Und wenn man dann betont, man will etwas Islamisches haben, dann wird das wahrgenommen als Segregation, nicht als Integration."

Dabei sei der Unterschied zu anderen Kitas gar nicht so groß, meint der Hamburger Pädagoge: "Kinder müssen noch nicht beten oder fasten, Kinder müssen noch nicht nach Mekka pilgern. Diese großen religiösen Themen, was die religiöse Praxis betrifft, betreffen die Kinder noch gar nicht. Da geht es primär um eine ethische Erziehung."

Viele muslimische Eltern bringen ihre Söhne und Töchter auch gern in evangelische oder katholische Kitas, wenn dort darauf geachtet wird, dass ihre Kinder kein Schweinefleisch bekommen. Aber es gibt noch andere Konfliktpunkte, weiß Ali Özdil: "Wenn die Kinder im Sommer draußen plantschen und nichts anhaben, wünscht man sich, dass sie nicht ganz nackt sein sollen."

Wenig Verständnis für religiöse Bedürfnisse

Misbah Arshad promoviert an der Universität Osnabrück über religionspädagogische Konzepte für muslimische Kitas. Sie hat bei ihren Forschungen festgestellt: Erzieherinnen bringen - selbst in kirchlichen Kitas - oft wenig Verständnis für religiöse Bedürfnisse bei muslimischen Kindern und Familien auf. Auch die Kita-Leiterin Iman Andrea Reimann hört immer wieder von muslimischen Eltern, dass man ihnen mit Misstrauen begegne: "Das heißt nicht, dass Eltern permanent religiöse Dinge einfordern, aber es wird immer gleich assoziiert: Die machen das jetzt nur, weil sie Muslime sind. So entsteht häufig ein Missverständnis, und die Pädagogen sagen, dass sie nichts damit zu tun haben wollen."

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Kita Regenbogen-Kidz © deenomedia
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 13.01.2017 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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