Der Streit um das Kopftuch
Es ist nur ein Stück Stoff und kann dennoch so entscheidend sein: das Kopftuch. In Hamburg dürfen muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch in die Schule kommen, in Niedersachsen nicht. Nun droht der islamische Religionsunterricht an der Kopftuchfrage zu scheitern.
Eine groteske Situation sei das, erklärt Wolfgang Reinbold, Islambeauftragter der hannoverschen Landeskirche. Und meint damit die Situation für muslimische Lehrerinnen in Niedersachsen: "Sie dürfen das Kopftuch auf der Straße tragen. Wenn sie das Schulgebäude betreten, müssen sie es ablegen, um es dann, wenn sie die Tür zum Religionsunterricht zugetan haben, im Religionsunterricht aufsetzen zu dürfen."
Sie müssen es absetzen, weil die Lehrerinnen als Vertreterinnen des Staates religiöse Neutralität wahren müssen. Und diese Neutralität ist aus der Sicht vieler Politiker und Juristen durch das Tuch auf dem Kopf gefährdet. Es geht um die so genannte "negative Religionsfreiheit". Kinder und Eltern sollen sich durch das Kopftuch nicht religiös indoktriniert fühlen. Dass dies nicht der Fall sein muss, zeigt die Situation in Hamburg. Dort dürfen Lehrerinnen im Prinzip das Kopftuch tragen; im Einzelfall kann die Schule aber auch anders entscheiden. Umstritten ist das Kopftuch vor allem, weil es als ein Symbol des fundamentalistischen Islam gilt, als ein Symbol der Frauenunterdrückung.
"Viele Frauen tragen das Tuch freiwillig"
Annett Abdel-Rahman ist in Niedersachsen vermutlich die einzige Lehrerin mit Kopftuch. Sie unterrichtet nicht an einer staatlichen, sondern an der kirchlichen Drei-Religionen-Schule in Osnabrück und empfindet das Kopftuchverbot als Beschneidung der Frauenrechte: "Es gibt mittlerweile eine ganze Menge Studien, zum Beispiel den Report von Human Rights Watch, die ganz deutlich zeigt, dass viele Frauen ihr Kopftuch freiwillig tragen."
Auch Khola Maryam Hübsch wendet sich gegen ein Kopftuchverbot. "Unter dem Schleier die Freiheit" heißt das Buch, das die junge Frau gerade veröffentlicht hat. Für sie steht hinter dem Stück Stoff eine bestimmte Philosophie: "Wichtig sind die Wertevorstellungen, die das Kopftuch ausstrahlt. Es geht um den Umgang der Geschlechter in der Öffentlichkeit: Wie begegnen die sich?"
Das Kopftuch ist für Khola Maryam Hübsch ein Zeichen für einen respektvollen Umgang miteinander und gegen eine sexualisierte Massenkultur: "Für mich hat das Kopftuch ganz viel mit Feminismus zu tun: Es war ja auch eines der ursprünglichen Anliegen der Frauenbewegung, dass sich die Frauen nicht auf ihren Körper reduziert sehen wollen."
"Den Mut haben, es auszuprobieren"
In Niedersachsen fehlen mittlerweile beim islamischen Religionsunterricht die Lehrerinnen - vor allem wegen des Kopftuchverbots. 200 muslimische Pädagoginnen würden benötigt, 25 sind es bislang. In Umfragen geben zwar rund 70 Prozent der Musliminnen in Deutschland an, sie würden kein Kopftuch tragen, bei den angehenden Religionslehrerinnen ist es aber genau umgekehrt. Die große Mehrheit der Studentinnen trägt ein Kopftuch. Außerdem verhandelt die niedersächsische Landesregierung zur Zeit mit den islamischen Verbänden über eine Art Staatsvertrag.
Scheitert der Vertrag nun an der Frage des Tuchs auf dem Kopf muslimischer Lehrerinnen? Annett Abdel-Rahman plädiert in der Kopftuchfrage für einen pragmatischen Weg: "Man sollte es an ausgewählten Modellschulen einfach mal versuchen und den Mut haben, es auszuprobieren - und es dann sukzessive erweitern."