Stand: 02.07.2015 17:38 Uhr

Ramadan fern der Heimat

von Ita Niehaus

Mitte Juni begann Ramadan, der heilige Monat für Muslime. 30 Tage verzichten die Gläubigen darauf, zu essen und zu trinken. 18 Stunden, vom Beginn der Morgendämmerung bis nach Sonnenuntergang. Es ist eine Zeit der Besinnung, der Hinwendung zu Gott. Auch in der Ibrahim Al-Khalil Moschee in Osnabrück kommen Familien und Freunde um das Fasten zu brechen - mit ihnen Flüchtlinge aus Syrien.

Mann vor Moschee mit Mondsichel im Hintergrund. © EPA
in diesem Jahrist der Ramadan vom 18. Juni bis zum 16. Juli 2015.

Es ist kurz nach Sonnenuntergang in der Ibrahim Al-Khalil Moschee, der Abrahams-Moschee in Osnabrück. Mehr als 250 Muslime versammeln sich in dem Gründerzeithaus in der Nähe des Bahnhofs. Die Männer im Erdgeschoss, die Frauen im ersten Stock. Eine von ihnen ist Ruqayya. 18 Stunden hat sie gefastet mit ihren Kindern, nun endlich der erste Schluck Wasser, die erste Dattel: "Ich freue mich sehr, ich bin hungrig, ich danke Gott dafür."

Eines von vielen Schicksalen

Die 27 Jahre alte Ruqayya hat fast ihr ganzes Leben in der stark umkämpften syrischen Stadt Homs verbracht. Ihr Mann starb im Bürgerkrieg. Ruqayya konnte fliehen. Durch den Bombenhagel mit vier Kindern, über die Berge in den Libanon. Mit viel Glück überlebte die junge Mutter. Nach zwei harten Jahren in einem Flüchtlingslager im Libanon wurde der deutsche Botschafter bei einem Besuch auf sie aufmerksam. Persönlich sorgte er dafür, dass sie mit ihrer Familie nach Deutschland kam. Sie ist in nun in Sicherheit, doch es fällt ihr schwer, über die Vergangenheit zu sprechen: "Das Schlimmste ist, dass ich meinen Vater, meinen Bruder und meinen Mann verloren habe."

Seit gut vier Monaten wohnt Ruqayya in Osnabrück. Der Glaube hilft ihr, er gibt ihr die Kraft, weiter für ihre Kinder da zu sein, sagt sie. 18 Stunden fasten im Ramadan fern der Heimat. Das sei nicht immer einfach: "Das ist eine von Gott gegebene Geduld", so Ruqayya. "Gepriesen sei Allah, dass er mir zu dieser Geduld verhilft! Ich bete auch. Und du spürst, dass jedes Bittgebet, das du im Ramadan an Gott richtest, erhört wird." Nach dem Gebet wird gemeinsam gegessen. Weinblätter, Suppe, Teigtaschen, Pizza. Imam Abdul-Jalil Zeitun hat seine Gemeinde eingeladen. Der 67 Jahre alte Geistliche ist in Damaskus aufgewachsen. Es tut ihm weh zu sehen, wie Syrien im Bürgerkrieg versinkt: "Jeden Tag hören wir etwas Neues. Sie haben im Ramadan auch gefastet unter dieser Gewalt. Sie saßen immer am Boden zum Essen. Auf einmal kommt eine Bombe, eine Rakete. Angst, Verstecken - das ist schlimm."

Einstellen auf den Ramadan

Die Zahl der Flüchtlinge ist auch in Niedersachsen deutlich gestiegen. Erstaufnahme-Einrichtungen, wie z.B. in Bramsche-Hesepe bei Osnabrück, müssen sich auf Muslime einstellen, die im Ramadan fasten möchten. Sie bieten u.a. mehr Getränke an. "Die fasten, aber müssen alles selber organisieren. Es ist weit zum Einkaufen. Besser als gar nichts", stellt Zeitun fest.

Die Gemeinde hilft, so gut sie kann. Ramadan hat in diesem Jahr für den Imam eine besondere Bedeutung: "Das heißt für mich auch, dass ich mehr Betonung darauf lege, dass wir im Wohlstand leben. Man muss auch immer an die anderen denken, wie die Leute in Syrien leben, ob sie zu essen haben und an die Flüchtlinge im Libanon, in der Türkei, im Irak."

Sehnsucht nach der Heimat

Immer wieder ist Ruqayya in Gedanken in Syrien, bei den Menschen, die sie zurücklassen musste. Doch zwischendurch genießt sie das gemeinsame Fastenbrechen: "Ich habe das Gefühl, dass wir einen Festtag haben. Ich freue mich, dass die Kinder in der Moschee sind. Denn es ist wichtig, dass sie wissen, dass es eine Moschee gibt, dass es etwas gibt, das sich Fasten nennt und Fastenbrechen."

Die Sehnsucht nach der Heimat spürt auch Ahmad während des Ramadan besonders stark. Vor anderthalb Jahren ist der 50 Jahre alte Arzt mit seiner großen Familie aus Damaskus geflüchtet: "Es herrscht eine besonders soziale Atmosphäre bei uns im Ramadan. Die Menschen treffen sich dann sehr oft, zum Gebet etwa. Das ist das, was wir vermisst  haben, als wir unser Land verlassen haben - und mittlerweile wieder spüren."

Wenn der Tag zur Neige geht

Kurz vor halb zwölf ist es Zeit für das Nachtgebet. Die Männer kommen noch einmal zusammen, Aufbruchstimmung dagegen im Gebetsraum der Frauen. Viele Mütter machen sich mit ihren Kindern auf den Heimweg. Auch Ruqayya. Was sie sich für die Zukunft vor allem wünscht? Sie sagt: "Ich möchte, dass meine Kinder das bekommen, was sie sich von Gott wünschen. Egal ob der eine jetzt sein Studium fortsetzen möchte, hier in Deutschland bleibt oder zurück nach Syrien gehen möchte. Das wird alles von Gott erhört."

Die Sendung zum Nachhören
Betende Moslems knien in einem Gebetsraum.  Foto: Screenshot
4 Min

Syrische Flüchtlinge im Ramadan

Wie syrische Flüchtlinge in einer Osnabrücker Moscheegemeinde Ramadan erleben. Eine Reportage von Ita Niehaus. 4 Min

Übersicht
Die Kuppel des Felsendoms in Jerusalem © NDR

Freitagsforum

Reportagen aus dem Alltag von Muslimen, Berichte über innermuslimische Debatten und Beiträge von Gastautoren zu aktuellen Themen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 03.07.2015 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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