Stand: 07.10.2013 20:05 Uhr

Wattenmeer: Schutzgebiet ohne Schutz?

von Mareike Burgschat & Jenny Witte

Es ist Teil des größten Wattgebiets des Welt: Das niedersächsische Wattenmeer - seit Jahrzehnten Vogelschutzgebiet und Nationalpark, seit drei Jahren gehört es sogar zum UNESCO-Weltnaturerbe. Damit soll "die besondere Eigenart der Natur und Landschaft der Wattregion vor der niedersächsischen Küste einschließlich des charakteristischen Landschaftsbildes vor Beeinträchtigungen" geschützt werden.

Doch das gelingt offenbar nicht immer, vor allem wenn wirtschaftliche Interessen im Spiel sind. "Letztlich muss der Umweltschutz und der Naturschutz immer den wirtschaftlichen Interessen hinterher stehen und da macht der Nationalpark Wattenmeer überhaupt keine Ausnahme", beklagt Thilo Maack von Greenpeace. Ob der Schutz des Wattenmeers vonseiten der Politik immer Priorität genießt, darf angesichts jüngster Entwicklungen bezweifelt werden.

Immer mehr Ausnahmen für Kitesurfer

Ein Kitesurfer gleitet über das Steinhuder Meer. © dpa-Bildfunk Foto: Holger Hollemann
Kitesurfen wird immer beliebter. Auf Vogelschutz wird da wenig Rücksicht genommen.

Beispiel Kite-Zonen: Einer der größten Wirtschaftsfaktoren der Nordsee ist der Tourismus. Die Übernachtungszahlen steigen von Jahr zu Jahr. Damit Urlauber am Strand auch etwas Spannendes geboten bekommen, werden immer mehr Zonen für Kitesurfer genehmigt - mitten im Wattenmeer.

Drachen sind in den Schutzzonen des Nationalparks eigentlich verboten, weil sie die Vögel stören. Die schnellen Bewegungen und das knatternde Geräusch vertreibt sie von Rast- und Brutplätzen. Doch für den Funsport werden immer mehr Ausnahmen gemacht. 2007 gab es gerade einmal zwei genehmigte Zonen. 2013 sind es schon zwölf.

Touristen nehmen wenig Rücksicht

Ohnehin scheint das Bewusstsein unter den Touristen, dass es sich beim Wattenmeer um ein Schutzgebiet handelt und deshalb Rücksicht angesagt ist, noch nicht besonders ausgeprägt zu sein. Nicht selten verursachen Urlauber - häufig durch Unwissen und Unachtsamkeit - Schäden in den Brutgebieten der Vögel. Sie betreten unerlaubt Dünen oder kommen auf Sandbänken den Heulern viel zu nah.

 

Ein Park-Ranger für 700 Quadratkilometer

Doch in der riesigen Fläche des Nationalparks gibt es praktisch keine Kontrolle und Information vor Ort. Die gerade einmal sechs hauptamtlichen Nationalpark-Ranger können dies nur schwerlich leisten: Auf dem Papier ist jeder von ihnen für ein Gebiet in der Größe von sage und schreibe 700 Quadratkilometern zuständig. Und das wohlgemerkt zu Fuß.

Über Boote können sie dabei nicht verfügen - und haben darüber hinaus auch keinerlei hoheitlichen Rechte: Sie können nur freundlich auf Verbote hinweisen. Verweise oder gar Bußgelder bei groben Verstößen können sie nicht erteilen. Ganz im Gegensatz zu ihren niederländischen Kollegen im Übrigen.

Krabbenfischerei verursacht große Schäden

Krabbenfischerei. © NDR Foto: Peter Jagla
Hat Tradition, ist aber nicht unumstritten: Krabbenfischerei im Wattenmeer.

Beispiel Fischerei: Die ist laut Nationalparkgesetz flächendeckend erlaubt. Doch gerade bei der Krabbenfischerei kommt eine Fangmethode zum Einsatz, die vielen Umweltexperten zufolge große Schäden verursacht. Denn die Boote ziehen sogenannte Barren-Kurren über den Meeresboden und zerstören damit den Grund.

Hinzu kommt: Die Maschen der Netze sind sehr eng, damit die kleinen Krabben nicht durchrutschen. Dies führt allerdings zu viel ungewolltem Beifang, also Meerestieren, die man eigentlich gar nicht fangen wollte - und die meist nicht überleben.

Was macht eigentlich der grüne Umweltminister?

Stefan Wenzel (Die Grüne), niedersächsischer Umweltminister. © dpa picture alliance Foto: Holger Hollemann
Unkonkret: der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel.

Seit Februar 2013 wird das zuständige Niedersächsische Umweltministerium sogar von einem Politiker der Grünen geführt: Stefan Wenzel. Entsprechend hoch waren die Erwartungen der Umweltschützer. Doch auf ein beherztes Eingreifen warten sie bisher vergeblich.

Auch im Interview mit Panorama 3 lässt Wenzel konkrete Pläne, den Schutz zu verbessern, vermissen: "Überall, wo es Nutzungen gibt, die mit den Schutzzielen des Nationalparks nicht verträglich sind, da werden wir in den Dialog gehen und gemeinsame Lösungen suchen." Der Umweltminister geht in den Dialog. Immerhin. So bleibt das Wattenmeer jedoch vorerst ein Schutzgebiet, in dem der Schutzgedanke immer mehr verloren geht.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 08.10.2013 | 21:15 Uhr

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