Stand: 16.10.2017 11:46 Uhr

Parteien betonen vor allem, was nicht geht

Mit dem Ergebnis der Wahl und dem Ende von Rot-Grün beginnt die schwierige Regierungsbildung in Niedersachsen, die sich bereits seit Wochen in Umfragen des NDR angekündigt hatte. Rechnerisch möglich sind eine Große Koalition aus SPD und CDU, ein Ampel-Bündnis von SPD, FDP und Grünen sowie eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen. Doch rechnerisch heißt noch lange nicht realistisch - wie sich am Tag der Wahl bei der Pressekonferenz der im neuen Landtag vertretenen Parteien zeigt. Dabei rückt die Position der FDP ins Zentrum. Vor allem die strikte Weigerung der Liberalen, in eine Ampel-Koalition zu gehen, macht es kompliziert. Aber auch die Grünen ziehen eine rote Linie: Für eine Jamaika-Koalition sehen sie "Null Perspektive".

Thiele: "Wir haben Verantwortung für das Land"

CDU-Generalsekretär Ulf Thiele hatte sich für seine eigene Partei ein besseres Resultat gewünscht: "Es hat aber keine echte Wechselstimmung gegeben". Man habe immerhin ein zentrales Wahlziel erreicht, weil die rot-grüne Landesregierung nicht weiter regieren könne. Thiele betonte, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) habe auch aufgrund der guten Finanzlage des Landes mit vollen Kassen Wahlkampf machen können. Kritik am "engagierten" Wahlkampf von Spitzenkandidat Bernd Althusmann ließ er nicht zu. Möglicherweise hätte die CDU angesichts der Kritik an dem Wechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU-Fraktion offensiver vertreten müssen, dass man keine Verschwörung gebildet habe. Nun wolle man dazu beitragen, dass es zu einer stabilen Regierungsbildung kommt: "Wir müssen nicht zwingend und um jeden Preis eine Regierung bilden. Aber Niedersachsen sollte nicht Wochen oder Monate ohne Regierung bleiben", auch Neuwahlen seien keine Option. Die CDU warte die Positionierung der anderen Parteien ab. Thiele räumte ein, im Wahlkampf sei es hart zur Sache gegangen: "Da ist viel Gift gesprüht worden." Aber mit den allermeisten Akteuren bei SPD, FDP und Grünen könne man zusammenarbeiten: "Wir haben eine Verantwortung für das Land, so etwas kann nicht an menschlichen Problemen scheitern. Die CDU wird sehr wahrscheinlich maßgeblich an der nächsten Landesregierung beteiligt sein."

SPD will auf FDP zugehen

Hochzufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei zeigte sich SPD-Generalsekretär Detlef Tanke. "Das ist ein überragender Wahlsieg, gerade wenn man bedenkt, wo wir hergekommen sind", sagte er. "Wir hatten einen Plan, den einige unterschätzt haben." Zum Wahlerfolg beigetragen habe ganz sicher der Wechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU. "Das war der Ausgangspunkt für unsere interne Mobilisierung", so Tanke. "Außerdem hat sich diese Intrige bei den Niedersachsen in den Köpfen eingeprägt." Mit Blick auf die Regierungsbildung sagte er, dass die SPD eine Ampel-Koalition einer Großen Koalition trotz der bisherigen Absage der FDP vorziehen würde. "Große Koalitionen machen nur in Ausnahmesituationen Sinn, das sehe ich in Niedersachsen derzeit nicht", so Tanke. Er kündigte an, dass seine Partei mit der FDP inhaltliche Gespräche führen wolle, um zu sehen, ob es vielleicht doch die Chance für eine gemeinsame Regierung gibt. Dabei gehe es aber ausdrücklich nicht um Geschenke, sondern nur um Inhalte. Dass sich die Regierungsbildung extrem lange hinziehen wird, glaubt er nicht. "Wir werden im Land deutlich schneller sein als im Bund", so das Versprechen von Tanke.

Janssen-Kucz: "Null Perspektive für Jamaika"

Die Landesvorsitzende der Grünen, Meta Janssen-Kucz, sieht Ministerpräsident Weil am Zug: "Er ist der Wahlsieger und wird zu Gesprächen einladen." Sie betonte erneut die Bereitschaft ihrer Partei zu Gesprächen über eine Ampel-Koalition: "Wir können uns das vorstellen. Es gibt viele Schnittmengen mit der FDP bei Bürgerrechten, Datenschutz, Bildungsgerechtigkeit oder Inklusion." Details müsse man in Gesprächen ausloten, in die ihre Partei offen hineingehe. Landwirtschaftsminister Christian Meyer sei allerdings genauso gesetzt wie das gesamte Spitzenteam. Einer Jamaika-Koalition erteilte Janssen-Kucz eine klare Absage: "Ich sehe null Perspektiven für Jamaika in Niedersachsen. Ich würde mich Gesprächen nie verweigern. Aber dort gibt es die geringsten Perspektiven." Die CDU sei der große Wahlverlierer. Und die Auseinandersetzungen seien in den letzten vier Jahren sehr hart geführt worden: "Zu politischen Schnittmengen gehören auch menschliche Schnittmengen. Die sehe ich mit der CDU nicht."

Hocker schließt Ampel-Koalition kategorisch aus

Die Hoffnung von Rot-Grün auf ein Umdenken der FDP in Sachen Ampel-Koalition machte deren Generalsekretär Gero Hocker mit deutlichen Worten zunichte. "Es wird in Niedersachsen zu 100 Prozent keine Ampel geben", betonte er. "Wir wollen einen kompletten Neustart und nicht der Steigbügelhalter für Rot-Grün sein." Vor allem mit den Grünen seien die inhaltlichen Differenzen zu groß. "Die Schnittmengen muss man mit der Lupe suchen", so Hocker, der zudem daran erinnerte, dass der grüne Landwirtschaftsminister Meyer seine Partei erst kürzlich als "Menschenfeinde" und "Hetzer" bezeichnet hatte. Deshalb werde die FDP nicht in inhaltliche Gespräche einsteigen. Für eine Jamaika-Koalition mit der CDU und den Grünen sei seine Partei dagegen offen. Hocker räumte ein, dass sich seine Partei ein besseres Wahlergebnis gewünscht habe. Das angestrebte Ziel, drittstärkste Kraft in Niedersachsen zu werden, sei verfehlt worden. Als Grund für die Verluste nannte er in erster Linie die Zuspitzung des Wahlkampfes auf die Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien.

Hampel: "Parteiarbeit der AfD wird torpediert"

Gleich zwei böse Überraschungen am Wahlabend erlebte der Landesvorsitzende der AfD, Paul Hampel. Einmal erreichte seine Partei 6,2 Prozent der Stimmen und damit deutlich weniger als erhofft. "Die Zahlen hätten ein bisschen besser sein können", sagte Hampel dazu in der Landespressekonferenz. Aber dass man nun in den 14. Landtag eingezogen ist, sei trotzdem ein großer Erfolg. Zum anderen verbreiteten noch in der Nacht mehrere Vorstandsmitglieder der AfD Niedersachsen ein Schreiben an alle Mitglieder der AfD in Niedersachsen, in dem sie Hampel schwere Verfehlungen in der Amtsführung vorwerfen. In dem Schreiben fordern die Unterzeichner einen außerordentlichen Landesparteitag, um eine neue Parteispitze zu wählen. Hampel wies jegliche Kritik von sich und sprach davon, die Parteiarbeit werde von innen und außen "torpediert": "In einer jungen Partei passieren solche Dinge leider. Bindungen in der Politik gibt es wohl nur auf Zeit. Ich hatte an sich immer ein gutes Verhältnis mit den Schreibern und hätte gern, dass der innerparteiliche Streit aufhört."

CDU mit historischer Niederlage

Für die CDU war es ein bitterer Wahlsonntag. Die Partei um den Spitzenkandidaten Bernd Althusmann fuhr mit 33,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959 ein, obwohl sie in Umfragen lange vorn gelegen hatte.

Die Sitzverteilung im neuen Niedersächsischen Landtag sieht mit Überhang- und Ausgleichsmandaten wie folgt aus: CDU 50 (2013: 54), SPD 55 (49), Grüne 12 (20), FDP 11 (14) und die AfD 9 (0). Rot-Grün kommt damit auf 67 Mandate. Die absolute Mehrheit liegt bei 69 Mandaten.

Landtag konstituiert sich innerhalb von 30 Tagen

In der Zeit nach der Wahl rückt die Regierungsbildung in den Fokus. Dazu muss sich der neue Landtag konstituieren - laut Verfassung binnen 30 Tagen. Am 14. November kommt nach bisheriger Planung das neue Landesparlament erstmals zusammen. Dann geht es darum, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen.

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Hallo Niedersachsen | 16.10.2017 | 09:00 Uhr

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