Stand: 01.11.2017 21:39 Uhr

Große Koalition: SPD und CDU stimmen dafür

Nachdem sich Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und CDU-Landeschef Bernd Althusmann am Mittwochmittag für eine Große Koalition ausgesprochen haben, gaben am Abend auch beide Landesvorstände jeweils einstimmig Grünes Licht für Koalitionsverhandlungen. Es gebe eine hinreichend breite Basis, um in konkrete Verhandlungen einzutreten, hatte Weil nach einem mehrstündigen Sondierungsgespräch gesagt. Althusmann sagte, man wolle noch im November eine Regierung bilden. "Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen kann." Bis zur konstituierenden Sitzung des Landtags am 14. November sei das wohl nur sehr schwer zu erreichen, so Weil. Er geht aber davon aus, dass es bereits in dieser Woche die ersten Gespräche auf Fachebene geben wird.

Weil: "Viel Diskussionsbedarf bei fast allen Themen"

Beide Seiten hätten bei der dreistündigen Sitzung hinter verschlossenen Türen eine ganze Reihe politischer Themen angesprochen, um zu klären, "ob wir irgendwo unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten erkennen können", erklärte Ministerpräsident Weil. "Sicher ist es so, dass es noch sehr, sehr viel Diskussionsbedarf gibt und das gilt für fast alle Themen, über die wir heute gesprochen haben." Man sei sich bei der SPD bewusst, dass ein Bündnis mit der CDU die einzige Option sei, zu einer stabilen und handlungsfähigen Regierung auf Landesebene zu gelangen. Bei den Sozialdemokraten sei man sich des Regierungsauftrags bewusst, den die Wähler der SPD erteilt hätten. Man werde sich entsprechend verantwortlich verhalten, so Weil weiter.

Althusmann: "Niedersachsen nach vorne bringen"

"Eine denkbare Große Koalition muss auch etwas Neues sein", sagte CDU-Landeschef Althusmann. "Sie muss für Aufbruch stehen." Es gehe nicht nur um das Zusammenfügen von rechnerischen großen Mehrheiten, "sondern darum, Niedersachsen für die nächsten fünf Jahre und darüber hinaus ernsthaft nach vorne zu bringen". Die Vertrauensbasis sei gelegt, sie werde weiter wachsen", so Althusmann weiter.

Welche Themen wurden besprochen?

In einem ersten Gespräch in der vergangenen Woche war es zunächst vor allem darum gegangen, die zwischenmenschlichen Verstimmungen der letzten Monate auszuräumen. Worum es am Mittwoch hinter verschlossenen Türen ging, welche Themenfelder diskutiert wurden, dazu äußerten sich weder Weil noch Althusmann.

Letzte Chance - GroKo

Bereits im Vorfeld deutete vieles darauf hin, dass sich die vorhandenen Differenzen zwischen den beiden Parteien überwinden lassen. Vor allem aber gibt es eigentlich keine Alternative zur Großen Koalition. Schließlich hat die FDP eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen ausgeschlossen, die Grünen wollen wiederum kein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP eingehen.

Streitthema Inklusion

In einigen Bereichen dürfte eine Einigung relativ schnell gehen. Wirtschaft, Inneres, Infrastruktur: Hier gibt es inhaltlich nur wenige Differenzen. So wollen beide Parteien unter anderem mehr Polizisten. Auf anderen Feldern müssen dagegen Kompromisse gefunden werden. Vor allem die Schulpolitik könnte zur Herausforderung werden - zum Beispiel in Sachen Inklusion: Während CDU-Fraktionschef Bernd Althusmann im Wahlkampf immer wieder angekündigt hatte, die Inklusion für ein Jahr aussetzen zu wollen, ist die SPD dagegen und hat erst kurz vor der Wahl 650 weitere Stellen für Sonderpädagogen geschaffen. Außerdem will die CDU die Empfehlung für weiterführende Schulen wieder einführen - auch das lehnt die SPD ab.

SPD und CDU uneins im Naturschutz

In der Umweltpolitik scheint es ebenfalls Gesprächsbedarf zu geben. Zum Beispiel beim Thema Wolf. Die Christdemokraten wollen den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen. Die SPD hat sich dazu nicht geäußert, in ihrer rot-grünen Koalition aber zuletzt deutlich gemacht, dass in Ausnahmefällen auch ganze Problemrudel abgeschossen werden könnten. Einigkeit dagegen beim Thema Bienen. Beide Parteien wollen sie besser schützen. Die SPD fordert zudem einen Schutzstreifen an Gewässern, damit der Nitratgehalt nicht weiter steigt. Dieser wird mutmaßlich durch Düngung in der Landwirtschaft, vermutlich durch Gülle, verursacht. Die CDU setzt hier auf Freiwilligkeit. Außerdem sollen weitere Naturschutzflächen im Programm Natura2000 ausgewiesen werden, meint die SPD. Die Christdemokraten halten das für abgeschlossen.

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Ministerpräsident Stephan Weil (SPD,l) begrüßt die CDU-Bundestagsabgeordnete Maria Flachsbarth und den CDU-Fraktionsvorsitzenden Bernd Althusmann (r) im Landtag in Hannover (Niedersachsen) zu Beginn einer Gesprächsrunde von SPD und CDU über die politische Lage nach der Landtagswahl. © dpa-Bildfunk Foto: Holger Hollemann

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Einigkeit beim Autobahnausbau

Beim Streitthema Ladenöffnungszeiten liegen die beiden großen Parteien nicht weit auseinander. Die CDU verspricht eine Abwägung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen. Die SPD will den aktuellen Gesetzentwurf zu dem Thema in Frage stellen. Im Umgang mit sozialen Brennpunkten will die SPD weiter auf das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" setzen. Die CDU fordert dagegen ein Sonderprogramm für Kommunen. Es solle mehr Geld für Sozialarbeiter sowie eine bessere Ausstattung von Kitas und Schulen geben. Beim Autobahnausbau herrscht Einigkeit. Hier setzt sich die SPD "für einen bedarfsgerechten Lückenschluss im Straßennetz" ein - besonders durch die A 20 und A 39. Für die Christdemokraten hat der Ausbau Priorität. Man wolle diesen "energisch vorantreiben". Uneinigkeit auch beim Thema VW: Althusmann hatte angeregt, einen Posten im Aufsichtsrat wie bisher beim Ministerpräsidenten zu lassen. Der zweite Posten des Landes solle einem Autofachmann übertragen werden. Die SPD hält davon nichts.

Wer bekommt welches Ressort?

Spannend ist auch die Frage, wer welches Ministerium bekommen würde. Schließlich wollen beide Parteien ein mögliches Bündnis nach der nächsten Landtagswahl gerne wieder lösen. Daher ist es für beide Seiten besonders wichtig, ihre Politiker in prestigeträchtigen Ressorts unterzubringen, damit sie sich für die nächste Wahl in Stellung bringen können. Unter anderem möchte die SPD gerne mit Innenminister Boris Pistorius weitermachen, eigentlich ist Inneres aber ein klassisches CDU-Ressort. Diskutiert wird auch darüber, welche Partei das Wirtschafts- sowie das Finanzministerium besetzt und wer sich des schwierigen Kultusressorts annimmt. Offen ist außerdem, ob CDU-Landeschef Althusmann auf die Regierungsbank wechselt oder die Fraktion führen will.

Für die Regierungsbildung gelten folgende Regeln:

  • Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten in geheimer Wahl mit absoluter Mehrheit.
  • Der Ministerpräsident benennt die Minister und einen Stellvertreter.
  • Die Landesregierung muss im Ganzen vom Landtag bestätigt werden.
  • Gelingt die Wahl nicht, gibt es weitere 21 Tage Zeit, um eine Mehrheit für die Wahl eines Ministerpräsidenten zu bekommen.
  • Gelingt dies auch nicht, stimmt der Landtag über seine Auflösung ab.
  • Dann müssten innerhalb von zwei Monaten Neuwahlen stattfinden.
  • Stimmt der Landtag gegen seine Auflösung, wird umgehend ein neuer Ministerpräsident gewählt.
  • Die Wahl gewinnt, wer die meisten Stimmen bekommt. Der so gewählte Regierungschef kann dann Minister berufen. Diese müssen dann nicht mehr durch den Landtag bestätigt werden.

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Stefan Birkner steht vor mehreren Mikrofonen und gibt ein Statement ab. © dpa-Bildfunk Foto: Holger Hollemann

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Antje Niewisch-Lennartz (Justiz), Gabriele Heinen-Kljajic (Wissenschaft und Kultur) und die Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz (l-r) unterhalten sich zu Beginn einer Konferenz des Parteirates der niedersächsischen Grünen in Hannover. © dpa Foto: Holger Hollemann

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 01.11.2017 | 19:30 Uhr