Stand: 02.12.2015 17:42 Uhr

Sind die Job-Sorgen der VW-Mitarbeiter zerstreut?

Mitarbeiter des Fahrzeugherstellers Volkswagen (VW) haben sich in einer Werkshalle von VW zu einer Betriebsversammlung zusammengefunden. Auf der Bühne steht  Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsmitglied der Volkswagen AG. © dpa - Bildfunk Foto: Roland Niepaul
Aufsichtsrat Wolfgang Porsche spricht am Mittwoch zu den VW-Mitarbeitern.

Vor Zehntausenden VW-Mitarbeitern haben die mächtigen Eigentümer-Familien am Mittwoch in Wolfsburg ein Signal gesetzt. Wolfgang Porsche, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, betonte bei der Betriebsversammlung, dass die Familien Porsche und Piëch zu Volkswagen und zur Beschäftigungssicherung im Unternehmen stehen. Arbeitsplätze seien ein hohes Gut, sagte Wolfgang Porsche, dieses hohe Gut dürfe nicht leichtfertig verspielt werden. Zuvor hatten bereits VW-Konzernchef Müller sowie Markenchef Herbert Diess angekündigt, die Stammbelegschaft halten zu wollen. Den Familien Porsche und Piëch gehören über eine Holding etwas mehr als die Hälfte der VW-Anteile.

VIDEO: VW: Einschnitte aber nur wenige Kündigungen? (3 Min)

Kritik von der IG Metall

Zum aktuellen Stand der Aufklärung des VW-Abgas-Skandals gab es bei der Betriebsversammlung hinter verschlossenen Türen offenbar nicht viel Neues. Betriebsrat und Eigentümer appellierten an die Belegschaft, nicht den Mut zu verlieren. "Niemand darf den Kopf in den Sand stecken", so Wolfgang Porsche laut Redetext. Es war die zweite Versammlung der etwa 20.000 Mitarbeiter seit dem Bekanntwerden des Skandals. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) war angereist. Betriebsrats-Chef Bernd Osterloh betonte, dass die Eigentümer-Familien, der Vorstand, das Land Niedersachsen und die Arbeitnehmer an einem Strang ziehen: Alle würden die Aufarbeitung konsequent vorantreiben. "Ich kann euch nur sagen: Das waren genauso wie für euch auch für mich elf harte Wochen", so Osterloh. Wolfsburgs IG Metall-Chef Hartwig Erb kritisierte die aktuelle Arbeitsweise des Konzerns: Es sei unredlich, wenn Volkswagen versuche, einen Teil der Kosten für die selbst verschuldete Krise bei seinen Zulieferern wieder herauszuholen.

300 Leiharbeiter in Hannover vor Jobverlust

Die angekündigte Zusicherung gilt allerdings nur für die Stammbelegschaft. Denn nach Informationen der "Hannoverschen Allgemeine Zeitung (HAZ)" (Mittwochausgabe), will Volkswagen die Verträge von rund 300 Leiharbeitern im hannoverschen Nutzfahrzeugwerk nicht verlängern. Demnach sollen sie Ende Januar auslaufen. Die Verträge von 500 weiteren Leiharbeitern wurden nach HAZ-Informationen zunächst um drei Monate verlängert. Dies hängt nach Angaben des Konzernbetriebsrats aber nicht mit dem Abgas-Skandal zusammen. Nach Angaben von VW-Betriebsratschef Osterloh ist der Grund die zu schwache Nachfrage nach dem Modell Amarok. Ein VW-Mitarbeiter sagte nach der Versammlung, dass die Solidarität mit den Leiharbeits-Kollegen groß sei: "Das ist menschlich nicht schön." Man müsse aber bedenken, dass Kürzungen hier in Zeiten nachlassender Aufträge ein ganz normales Instrument seien.

Verunsicherung auch wegen Bonuszahlungen

Auch nach den jüngsten Aussagen der Konzernspitze ist die Verunsicherung unter den Mitarbeitern beim Wolfsburger Autobauer Volkswagen groß. Denn trotz der Ankündigung von Porsche und Osterloh zur Stammbelegschaft, hat die Ankündigung von verlängerten Weihnachtsferien Fragen aufgeworfen. Auch die Ankündigung, dass die rund 120.000 Mitarbeiter im Haustarifvertrag in diesem Jahr auf die sonst üblichen Bonuszahlungen verzichten müssen, belastet die Stimmung in der Belegschaft. Der VW-Vorstand selbst will ebenfalls Abstriche bei der eigenen Vergütung machen, wie VW-Chef Müller dem Magazin "Stern" sagte. "Da gibt es schon eine gewisse Wut", sagte ein VW-Mitarbeiter am Mittwoch. Es sei zwar eine Frage der Zeit gewesen, bis die Ausschüttung - zehn Prozent des operativen Ergebnisses der Pkw-Kernmarke - auch wieder einmal geringer ausfalle. "Aber dass das jetzt aufgrund solcher Umstände passieren muss, ist schon extrem bedauerlich", so der Mitarbeiter.

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Rückgang der Neuzulassungen

Unterdessen wurde bekannt, dass Volkswagen im November erneut weniger Autos in Deutschland verkauft auf die Straße gebracht hat als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Neuzulassungen der Kernmarke VW sank um zwei Prozent auf etwa 58.000 Autos, teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit. Der Gesamtmarkt wuchs dagegen um knapp neun Prozent. Schlechte Nachrichten erreichen Volkswagen derweil auch aus den USA: Im November sank der Absatz der VW-Kernmarke im Vorjahresvergleich um 24,7 Prozent auf 23.882 Autos, wie das Unternehmen mitteilte. In den beiden Monaten zuvor hatte VW noch ein leichtes Plus einfahren können. Die Wolfsburger machen für den Einbruch den Verkaufsstopp der Autos mit den betroffenen Diesel-Fahrzeugen verantwortlich. Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) stufte die Kreditwürdigkeit des Unternehmens erneut herab. Die Geschäftsaussichten für Volkswagen hätten sich eingetrübt. Statt "A-" vergibt S&P nur noch ein "BBB+" an die Wolfsburger.

Milliardenkredite könnten Anleger beruhigen

Volkswagen will nun offenbar gegensteuern und sich noch in dieser Woche Milliardenkredite von mehreren Banken besorgen. Damit will der Konzern seine Finanzkraft demonstrieren. Das gab die Nachrichtenagentur dpa unter Berufun auf Konzernkreise bekannt. Das Unternehmen plant demnach die Unterzeichnung einer "Brückenfinanzierung" über mehrere Milliarden Euro. 13 Banken sollen Volkswagen jeweils Darlehen von 1,5 oder 2,5 Milliarden Euro gewähren, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Daraus ergebe sich eine Finanzierung im Gesamtumfang von rund 20 Milliarden Euro. Von Anlegern könnte das als positives Signal für die Kreditwürdigkeit aufgefasst werden. VW wollte sich dazu zunächst nicht äußern.

VW will knapp 324.000 Diesel in Indien zurückrufen

Vom Abgas-Skandal bleibt auch der indische Markt nicht verschont: Nun hat VW auch dort eine Rückrufaktion von knapp 324.000 Autos angekündigt. Entsprechende Pläne stellte der Konzern der indischen Regierung vor, wie VW mitteilte. Autos der Marken VW, Skoda und Audi seien mit dem Motor EA 189 ausgerüstet. In diesen Motor hatte Volkswagen eine Schummel-Software eingebaut. Die Software der Motoren soll jetzt überholt werden. Knapp 198.500 der in Indien betroffenen Autos sind VW, 88.700 sind Skoda und 36.500 kommen von Audi.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 02.12.2015 | 13:00 Uhr

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