Stand: 12.06.2015 14:00 Uhr

Bei Journalisten-Daten bitte Augen zu

von Fiete Stegers
Netzwerkkabel in einem Verteiler für Internetverbindungen © dpa Foto: Arno Burgi
Gespeichert werden die Daten sämtlicher Teilnehmer bei den Telekommunikationsunternehmen.

Erst mal wird alles mit gespeichert: Die geplante Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung erfasst jeden normalen Telefon- und Internetnutzer in Deutschland - und damit auch Journalisten und andere Berufe, für die Vertraulichkeit besonders wichtig ist. Die Verbindungsdaten aller Anrufe, Handystandorte und Internet-Nutzungsvorgänge sollen bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert und bei Ermittlungen aufgrund schwerer Straftraten an die Staatsanwaltschaft herausgegeben werden. Auch wenn Journalisten oder andere "Berufsgeheimnisträger", zu denen zum Beispiel auch Priester oder Anwälte gehören, nicht selbst das Ziel von Ermittlungen sind, können sie natürlich betroffen sein, sobald ihre Gesprächspartner erfasst werden. Medienverbänden und die Bundesdatenschutzbeauftragte äußern deshalb scharfe Kritik.

Dabei ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung (PDF) extra eine Ausnahmeregelung vorgesehen: Daten von Berufsgeheimnisträgern dürfen eigentlich gar nicht gespeichert werden. "Zufallsfunde unterliegen einem Verwertungsverbot", heißt es in den Erläuterungen.

Wer filtert für das "Verwertungsverbot" Geheimnisträger aus?

Soweit die Theorie. Nur: Wie soll das aussehen? Es gibt ja nirgendwo eine allumfassende Liste, auf der die Telefonnummern und IP-Adressen sämtlicher Berufsgeheimnisträger verzeichnet sind - die Nummern von ausgewiesenen Telefonseelsorge-Diensten ausgenommen. In der Praxis werden also zunächst alle Kommunikationsteilnehmer erfasst und ihre Daten an die Ermittler weitergegeben.

"In der Regel werden die Betroffen ja vorab über den Datenabruf unterrichtet", heißt es dazu aus der Pressestelle des Bundesjustizministeriums beruhigend. Journalisten und andere Berufsgeheimnisträger könnten sich dann gegenüber den Ermittlern zu erkennen geben und auf den besonderen Schutz zu berufen. Allerdings sieht das Gesetz auch die Möglichkeit vor, den Betroffenen aus ermittlungstaktischen Gründen zu verschweigen, dass sie betroffen sind - eine Ausnahme, die nach Einschätzung von Kritikern in der Praxis aber eher zur Regeln werden könnte. Wer will schon gern seinen Verdächtigen wissen lassen, dass er unter Beobachtung steht?

Andrea Voßhoff (CDU) auf der Zuschauertribüne im Bundestag. © dpa Foto: Maurizio Gambarini
Betroffene vorab informieren? Für die Bundesdatenschutzbeauftragte ist das "lediglich eine Pro-Forma-Regelung".

Eine unabhängige Instanz, die die vom Telekommunikationsunternehmen gespeichert Daten zunächst auf Berufgeheimnisträger prüft, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Diese Filterung übernimmt die Staatsanwaltschaft selbst nach Eingang der Daten. Häufig seien ja Berufsgeheimnisträgern "aus anderen Ermittlungsansätzen" identifizierbar und könnten aussortiert werden, erklärt das Justizministerium ZAPP. Sonst wirke das Verwendungsverbot, sobald dies geschehen sei.

"Strafprozessordnung bietet nur wenig Schutz"

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andre Voßhoff ist da allerdings skeptisch. In einer geharnischten Stellungnahme zum Gesetzentwurf schreibt sie:

Ist aufgrund einer nicht rechtzeitig erkannten Zuordnung eines erfassten Metadatums die Kommunikation von oder mit einem Berufsgeheimnisträger erst einmal in das Verfahren oder in die Akten eingeflossen, bietet die Strafprozessordnung nur wenig Schutz. Dies gilt beispielsweise, wenn ein Metadatum als Anlasstatsache für weitere Ermittlungen gedient hat oder als Verknüpfungsmerkmal in eine polizeiliche Datenbank eingeflossen ist

Obwohl das Justiziministerium so großen Wert darauf legt zu betonen, die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs umzusetzen, der eine frühere EU-Richtlinie-Vorratsdatenspeicherung aufgehoben hatte, sei das hier nicht erfüllt, meint Voßhoff. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt laut "SZ" ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. In seltener Einmütigkeit und einer gemeinsamen Erklärung sehen auch ARD, ZDF, private Rundfunksender und Verlegerverbände die Pressefreiheit gefährdet: "Sollte das Gesetz Realität werden, können Journalisten ihren Quellen keinen Schutz vor Aufdeckung mehr bieten." Das Verwendungsverbot sei nicht ausreichend.

Dieser Meinung ist offenbar auch Voßhoff, die davon spricht, "dass mittels kosmetischer Eingriffe die Grundrechtswidrigkeit zwar etwas 'verschleiert' wird, im Ergebnis aber nach wie vor bestehen bleibt." Die Datenschutzbeauftragte hält auch eine Ausnahmenliste für umsetzbar - anders als das Justizministerium:

Dazu müsste sämtlichen Telekommunikationsanbietern, von denen es in Deutschland ca. 1.000 gibt, mitgeteilt werden, wer Berufsgeheimnisträger im Sinne des § 53 StPO ist; diese Liste müsste dauernd aktualisiert werden. Ihre Erstellung, Übermittlung und Aktualisierung birgt auch im Falle des Einverständnisses der Betroffenen ein erhebliches Missbrauchsrisiko.

Neben der Praktikablität stehen einer solchen Liste, die zehntausende von Datensätzen umfassen müsste, in der Tat auch verfassungsrechtliche Probleme entgegen: Der Zugang zum Journalisten-Beruf ist in Deutschland aus Gründen der Pressefreiheit nicht reglementiert. Eine Liste offizieller Journalisten stünde dem entgegen.

Wann wird der Whistleblower zum "Datenhehler"?

Und noch eine andere zusammen mit der Vorratsdatenspeicherung geplante Neuregelung macht Voßhoff und den Medienverbänden Sorgen: Die Bundesregierung will ins Strafgesetzbuch den Tatbestand der "Datenhehlerei" einfügen. Künftig soll es ausdrücklich verboten sein, sich "nicht allgemein zugängliche" personenbezogen Daten zu verschaffen. Diese gut gemeinte Regelung zum Schutz persönlicher Daten könnte aber dafür sorgen, "dass insbesondere Journalisten, Blogger, Whistleblower etc., die auf Missstände hinweisen, indem sie sich auf nicht frei zugängliches Material berufen, in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen geraten", warnt die Datenschutzbeauftragte.

Der Meinung sind auch die Medienverbände: "De facto würde der neue Straftatbestand zu einer Kriminalisierung der Medien führen." Das Ziel journalistischer Arbeit, Informationen über ein mögliches strafbares Verhalten von Amtsträgern, Firmen oder Organisationen aufzudecken und damit zur Meinungsbildung beizutragen, würde konterkariert, schreiben sie. Dass solche Befürchtungen nicht ganz von der Hand zu weisen sind, zeigen die Ermittlungen gegen den französischen Journalisten, der den Luxleaks-Skandal aufdeckte.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 28.10.2015 | 23:40 Uhr

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