Stand: 18.06.2015 19:16 Uhr

Ostsee-Pipeline: Zwei weitere Stränge geplant

Der russische Energiekonzern Gazprom und seine europäischen Partner wollen die im vorpommerschen Lubmin anlandende Ostseepipeline ausbauen. Wie das Unternehmen am Donnerstag auf dem internationalen Wirtschaftsforum im russischen St. Petersburg bekanntgab, sollen zwei weitere Pipeline-Stränge verlegt werden. Diese könnten ebenfalls in der Nähe der fertigen Nord-Stream-Pipeline in Lubmin bei Greifswald anlanden. Eine Machbarkeitsstudie von 2013 hält den Ausbau der bestehenden Trasse technisch, genehmigungstechnisch, finanziell und auch ökologisch für machbar. "Die Realisierung von Nord Stream hat gezeigt, dass der Gastransport durch die Ostsee eine zuverlässige Lösung ist, die zur Deckung des Energiebedarfs beiträgt", hieß es bei Deutschlands größtem Versorger Eon.

Memorandum unterzeichnet

An dem Projekt sind den Angaben zufolge auch die Konzerne OMV (Österreich), Shell (Großbritannien/Niederlande) und Eon beteiligt. Die Partner unterzeichneten in St. Petersburg ein entsprechendes Memorandum. Laut Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow wird der Gasmonopolist mindestens 51 Prozent der Anteile an der neuen Pipeline halten. Der russische Staat hält wiederum die Mehrheit am Gazprom-Konzern. "Der Bau der zusätzlichen Transport-Infrastruktur auf dem kürzesten Weg zwischen Gasfeldern im Norden Russlands und Märkten in Europa wird zur Erhöhung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Lieferungen nach neuen Verträgen beitragen", sagte Gazprom-Chef Alexej Miller.

Landesregierung hofft auf neue Jobs

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) begrüßte die Ankündigung zum Ausbau der Ostseepipeline. Sie sei auch ein Zeichen, dass Russland weiter auf eine Zusammenarbeit mit Deutschland setze, so der Regierungschef, der bereits in der kommenden Woche zu einer Wirtschaftsreise nach Russland aufbricht. Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) sagte, entscheidend beim Ausbau der Ostseepipeline sei, dass Mecklenburg-Vorpommern wirtschaftliche durch Aufträge profitiere. Das sei schon beim Bau der ersten Leitung so gewesen. Ein Unternehmen in Mukran habe die Röhren mit Beton ummantelt. Neue Pipeline-Jobs wären auch ein Signal für den Standort Vorpommern. "Das ist eine gute Nachricht für unser Land", teilte Energieminister Christian Pegel (SPD) mit. Durch einen Bau würden sich positive Effekte insbesondere für den Fährhafen Sassnitz ergeben. Zudem würde der Energiestandort Lubmin eine zusätzliche Stärkung erfahren, der neben der bereits vorhandenen Gasanlandung auch zentraler Einspeisepunkt für die Offshore-Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern sei, so der Minister.

Lieferkapazität soll verdoppelt werden

Bisher sind zwei Leitungen in Betrieb. Durch die 1.224 Kilometer lange Verbindung vom nordrussischen Wyborg nach Lubmin (Kreis Vorpommern-Greifswald) können bislang pro Jahr rund 55 Milliarden Kubikmeter Gas geleitet werden. Die Auslastung beträgt laut Nord Stream rund 83 Prozent. Die beiden neuen Stränge sollen weitere 55 Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich in die Europäische Union leiten. Erste Planungen für die neuen Stränge wurden bereits 2013 erörtert, danach hatte der Gazprom-Konzern das Projekt wegen politischer Spannungen aber auf Eis gelegt.

Verlauf der Nord-Stream-Pipeline © dpa Foto: Stefan Sauer
1.224 Kilometer von Wyborg nach Lubmin: Künftig könnte doppelt soviel Gas wie bisher die Leitung passieren.

Nord Stream dämpfte nach der Unterzeichnung des Memorandums die Erwartungen an einen schnellen Ausbau. "Es ist eine Absichtserklärung. Alles andere wird jetzt folgen müssen", sagte ein Sprecher. Das Konsortium rechnet damit, dass wegen der anderen Gesellschafterstruktur für die Stränge drei und vier eine neue Bau- und Betreibergesellschaft gegründet wird.

Transitland Ukraine umgehen

Russland baut die Leitungen, um die krisengeschüttelte Ukraine als bisher wichtigstes Transitland für die Energielieferungen nach Westen auszuschalten. Von 2020 an soll kein russisches Gas mehr durch die Ukraine nach Westeuropa fließen. Russland hält den Nachbarstaat für unzuverlässig und hatte sich in der Vergangenheit über illegales Abzapfen von Gas beklagt. Beide Staaten streiten zudem über Lieferpreise und Gasschulden. Um unabhängiger von Kiew zu werden, hatte Moskau auch bereits die bestehenden Nord-Stream-Stränge bauen lassen.

Zehn Daten zur Ostsee-Pipeline

- Gesamtinvestitionen: 7,4 Milliarden Euro
- Bauzeit: April 2010 bis Oktober 2012
- Länge: 1.224 Kilometer
- Ausgangspunkt: Wyborg an der russischen Ostseeküste an der Grenze zu Finnland
- Endpunkt: Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern
- Betreiber: Nord Stream AG
- Betrieb: Erster Pipelinestrang seit November 2011; zweiter Strang seit Oktober 2012
- Kapazität: Durch die zwei Röhren werden bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr geliefert
- Die Pipelines liegen auf dem Meeresboden auf, an manchen Stellen waren Aufschüttungen aus Gesteinsbrocken und grobem Kies notwendig

South-Stream-Planungen eingestellt

Die Realisierung des Projekts "South Stream", bei dem eine südliche Pipeline russisches Erdgas durch das Schwarze Meer nach Europa transportieren sollte, hatte Mehrheitseigner Gazprom wegen der Blockadehaltung der EU für beendet erklärt. Allerdings plant Russland neben den neuen Ostsee-Leitungen auch die neue Leitung Turkish Stream durch das Schwarze Meer in die Türkei und bis nach Griechenland. Sie soll eine Kapazität von 63 Milliarden Kubikmetern Gas im Jahr haben.

Umstrittenes Projekt

Die Ostsee-Pipeline war und ist wegen ihrer geostrategischen Bedeutung - der Unabhängigkeit Russlands von osteuropäischen Transitländern - nicht unumstritten. Russlands Präsident Wladimir Putin schrieb der Pipeline "die Leistung von elf Atomkraftwerken" zu. Als der Kremlchef und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) 2005 eine Absichtserklärung zum Bau der Pipeline unterzeichneten, warfen die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland Deutschland den Verrat gemeinsamer Interessen vor.

Polens damaliger Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski verglich den deutsch-russischen Vertrag gar mit dem Hitler-Stalin-Pakt. Die Betreiber betonen hingegen, dass es sich um ein internationales Projekt für eine sichere Energieversorgung der Europäischen Union handle. Dass das Projekt politische Bedeutung hat, machte die Inbetriebnahme deutlich: Neben dem damaligen Kremlchef Dmitri Medwedew war 2011 auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Lubmin gereist.

Weitere Informationen
Blick auf einen Strand der Anlandestation der Ostsee-Pipeline. dort hängt ein Schild mit dem Logo der Betreiberfirma Nord Stream an einem Gerüst. © dpa Foto: Stefan Sauer

Ausbau der Ostsee-Pipeline wieder im Gespräch

Der Pipeline-Bau südlich der Ukraine ist gestoppt - jetzt kommt der Ausbau der Ostsee-Pipeline wieder ins Gespräch. Die erweiterte Pipeline könnte den Großteil des europäischen Gas-Bedarfs decken. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 18.06.2015 | 15:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Energie

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Ein ausgebrannter Geldtransporter steht nach einem Überfall an der Anschlussstelle Gützkow in Mecklenburg-Vorpommern. © picture alliance/dpa

Geldtransporter bei Gützkow ausgeraubt: Ermittlungen eingestellt

Die gesammelten Beweise reichen laut Staatsanwaltschaft nicht aus, um zehn Tatverdächtige gerichtsfest zu überführen. mehr

Die neue NDR MV App

Ein Smartphone zeigt die Startseite der neuen NDR MV App © NDR Foto: IMAGO. / Bihlmayerfotografie

Mecklenburg-Vorpommern immer dabei - die neue NDR MV App

Artikel, Podcasts, Livestreams: Die NDR MV App ist ganz neu: übersichtlich, kompakt, benutzerfreundlich, aktuell. mehr