Erste Rohre für Nord Stream 2 auf Rügen
Das Projekt ist nach wie vor umstritten, Baugenehmigungen stehen noch aus und die politischen Spannungen zwischen der EU und Russland nehmen nicht ab: Dennoch gehen die Vorbereitungen zum Bau des zweiten Strangs der Ostseepipeline Nord Stream 2 zielstrebig voran. Am Donnerstag sind die ersten Stahlrohre nach Sassnitz auf die Insel Rügen gebracht worden. Dort sollen sie ab dem kommenden Jahr in einem Spezialwerk mit Beton ummantelt und für die Verlegung in der Ostsee vorbereitet werden. Auf dem Gelände in Sassnitz-Mukran will die malaysische Wasco Coatings Europe BV insgesamt rund 90.000 Stahlrohre mit Beton ummanteln und lagern. Dies könnte dort rund 150 zeitlich befristete Zusatz-Arbeitsplätze bringen.
Inbetriebnahme bis 2019 geplant
"Die Nord Stream 2 AG geht weiterhin davon aus, beide Stränge der Pipeline Ende 2019 in Betrieb zu nehmen." Die erste Ostseepipeline habe gezeigt, dass ein solches Projekt innerhalb eines ambitionierten Zeitplanes genehmigungsfähig und realisierbar sei. Die Gazprom-Tochter hatte bereits vor einem Monat damit begonnen, Rohre für die Unterwasserleitung an die finnische Küste liefern lassen. Zudem wurde in diesem Jahr im gesamten 1.200 Kilometer langen Offshore-Routenkorridor mit den ersten technischen und ökologischen Untersuchungen begonnen.
Bisher flossen rund 144 Milliarden Kubikmeter Erdgas
Denn noch fehlen aus allen betroffenen Ländern Genehmigungen: In Schweden beantragte Nord Stream 2 den Pipelinebau Mitte September 2016. Die Genehmigungsanträge in Deutschland, Dänemark, Finnland und Russland sollen nach Unternehmensangaben Anfang 2017 eingereicht werden. Der Nord-Stream-2-Doppelstrang verläuft fast parallel zur ersten Leitung und soll rund acht Milliarden Euro kosten. Durch den ersten Doppelstrang pumpt die Nord Stream AG sei 2011 unter Umgehung Polens sibirisches Erdgas über die Anlandestelle in Lubmin bei Greifswald nach Deutschland und Westeuropa. Laut Nord Stream flossen bislang rund 144 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch die Leitung. Die Auslastung steige von Jahr zu Jahr und liege 2016 bei etwa 80 Prozent. Mit der neuen Pipeline soll die Kapazität verdoppelt werden.
CDU-Politiker Röttgen: Projekt ist energie- und außenpolitisch falsch
Doch wie schon die Vorgänger-Pipeline ist auch Nord Stream 2 höchst umstritten. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen forderte die Bundesregierung nun auf, den Bau zu stoppen. Das Projekt sei "energie- und außenpolitisch" falsch. Es sei falsch davon auszugehen, dass die Pipeline ein rein geschäftliches und nicht politisches Projekt sei, sagte Röttgen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Polen, Balten und Ukrainer sehen durch dieses Pipeline-Projekt ihre Sicherheit bedroht", sagte er. Eine Kritik, die Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft teilt: "Deutschland widerspricht hier den Zielen, die Europa sich gesetzt hat - eben die Abhängigkeit von Russland zu vermindern. Durch diese Pipeline wird die Abhängigkeit sogar noch erhöht", sagte Kemfert dem NDR Fernsehen.
EU-Staaten fürchten um Sicherheit in Europa
Kritik war schon auf dem EU-Gipfel im Dezember 2015 laut geworden, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine deutliche Positionierung der Union gegen das Projekt verhinderte. Vor allem Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa hatten immer wieder bemängelt, dass Nord Stream 2 dem Vorhaben widerspreche, sich unabhängiger von russischen Gasimporten zu machen. Nord Stream 2 würde 80 Prozent der Lieferungen auf einer Route versammeln. Dies laufe dem Ziel der EU-Energiepolitik einer Diversifizierung der Energieversorgung zuwider, monieren Kritiker. Außerdem gerate die Sicherheit Europas in Gefahr, wenn Russland bei der Energieversorgung zu viel Gewicht erhält. Schon die erste Gasleitung durch die Ostsee hatte zu erheblicher Kritik vor allem aus Polen geführt. Die Ukraine befürchtet, dass durch eine Umleitung der Gasversorgung Westeuropas die Position Kiews gegenüber Russland geschwächt wird. Bislang ist die Ukraine eines der wichtigsten Transitländer.
Greifswalds OB warnt vor ökologischen Gefahren
Greifswald Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Bündnis 90/Die Grünen) verwies zudem auf ökologische Gefahren. "Die Ostsee ist ein sehr sensibles Gewässer. Wir müssen aufpassen, dass wir hier keinen Schaden anrichten" - aus ökologischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen etwa mit Blick auf den Fischfang.
Projekte umgehen Polen und die Ukraine
Derzeit hält die niederländische Gazprom Gerosgaz Holdings - ein Tochterunternehmen von Gazprom - sämtliche Anteile an Nord Stream 2. Mit einer zweiten Ostseepipeline und dem gerade beschlossenen Bau der Erdgas-Leitung Turkish Stream durch das Schwarze Meer könnte Russland die Ukraine und Polen bei der Belieferung der EU mit Gas sowie mögliche Transitkonflikte umgehen. Polen und die baltischen Staaten werden lediglich über das sogenannte Espoo-Verfahren an dem Bau beteiligt, in dem die sich nur zu möglichen grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen positionieren können. Der Grund: Die Pipeline läuft nicht durch die Hoheitsgewässer von Polen, Lettland, Litauen und Estland.