Stand: 08.02.2015 22:00 Uhr

Wie eine Bank um zwielichtige Kunden wirbt

Winterliches St. Moritz in der Schweiz © picture-alliance/ ZB Foto: Andreas Lander
Haus- und Hotelbesuche, wie hier in St. Moritz, gehören für die HSBC-Berater offenbar zum Service. Auch auf Jachten ließen sie sich einladen.

Es muss eine angenehme Runde gewesen sein, die sich 30. März 2005 in St. Moritz eingefunden hat. Auf der einen Seite der deutsche Privatier, der sich in dem Nobelskiort für mehrere Jahre in ein Hotel eingemietet hat, auf der anderen Seite der Bankberater der HSBC-Filiale Genf. Man plaudert, stellt einander die Ehefrauen vor, und während die Damen gemeinsam zum Shoppen ins "JetSet" gehen, besprechen die Herren Anlage-Optionen für das Nummernkonto 9072056364. Rund 30 Millionen US-Dollar hat der Herr der HSBC anvertraut, und es soll mehr werden, am besten von selbst: Im Gespräch ist eine Investition in Türkische Lira. Außerdem möchte der Herr wissen, wie sich eine Verlegung des Wohnsitzes nach Monaco steuerlich auswirken würde. "Das Treffen war sehr direkt und persönlich", notiert der Bankberater später. Und: "Sein Hund heißt Quincy (Rauhaar-Dackel)" - "Persönliche Einladung auf seine Motorjacht in Monaco im Juni/Juli 05".

Bankberatung für die oberen Zehntausend

Zahlreiche Einträge wie diese finden sich in dem Datensatz, den das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ) jetzt gemeinsam mit NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" ausgewertet hat. Die Protokolle beziehen sich vor allem auf die Jahre 2000 bis 2007 und zeigen, wie die HSBC damals Bankberatung für die oberen Zehntausend verstanden hat. Gezielt hat die Bank offenbar Details über das Privat- und Geschäftsleben ihrer Kunden gesammelt: Wie läuft das Bauprojekt in Serbien? Ist der Kunde ein konservativer Anleger oder will er vor allem schnelle Rendite? Wo studiert die Tochter? In welchen Hotels trifft man sich, wohin geht man zum Lunch? Die Protokolle zeigen aber auch, wie in den Beratungsgesprächen die Grenze zwischen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder Geldwäsche und Kundenservice verwischt wird. Die Bank stellt wenig Fragen. Oder, wie es ein Berater selbst im Kundenprofil eines mittlerweile verurteilten Steuerhinterziehers aus Irland notiert: "[Der Kunde] hat große Sorge, dass […] Kundeninformationen weitergegeben werden könnten. […] Ich habe ihm erklärt, dass wir an das Schweizer Bankgeheimnis gebunden sind, welches eines der striktesten der Welt ist."

Hausbesuche und besondere Tipps

Gebäude der HSBC Private Bank in Genf © Picture-Alliance/KEYSTONE Foto: Gaetan Bally
In der Genfer Filiale der HSBC werden viele Kunden mit besonderen Wünschen vorstellig.

Im Februar 2005 möchte der Sportdirektor eines britischen Fußball-Clubs, der bereits ein nicht deklariertes Konto bei der Genfer HSBC führt, ein weiteres Konto für seine Familie eröffnen. Der Bankberater notiert daraufhin: "Unser Kunde antwortete, dass er sich sehr unwohl dabei fühle, mit einem Satz Unterlagen zur Kontoeröffnung durch die Gegend zu laufen. Ich bot ihm daraufhin an, seine Familie […] zu besuchen, wenn sie alle gemeinsam zu Hause sind." In einem vorhergehenden Eintrag ist zu lesen, dass HSBC-Berater demselben Kunden zu einer Kreditkarte geraten haben, mit der die Familie "Abhebungen an 'Cash Points' machen kann, wenn sie außerhalb Großbritanniens ist". Auf diese Art sollte die Familie das Konto "loswerden", also die darauf verbuchten rund 370.000 Euro an den Finanzbehörden vorbei ausgeben können.

Am 20. Mai 2005 bietet den Unterlagen zufolge ein HSBC-Mitarbeiter einer Kundin aus den USA an, dass sie Geld auf ihr nicht deklariertes Genfer Konto auch über eine Filiale der HSBC in Miami einzahlen könne. Einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet ein anderer Berater einem Kunden, der in Nordengland Geschäfte macht. Dem Kunden ist aber offenbar selbst das zu heikel, der Berater notiert: "H ist weder bereit, in die Schweiz zu fahren und Bargeld abzuholen, noch unsere Filiale in der Sloane Avenue in London zu besuchen, wo wir darauf hinwiesen, dass er dort nach Identifikation mit dem Pass Geld abheben kann."

Spezielle Angebote zur Steuervermeidung

Viele der Beratungsgespräche drehen sich um eine Steuerrichtlinie, die die EU 2005 eingeführt hat. Die EU-Sparzinsrichtlinie belegte bestimmte Sparguthaben privater Anleger mit einer Steuer. Für die HSBC offensichtlich eine gute Gelegenheit, ihren wohlhabenden Kunden das passende Produkt zu verkaufen, um diese Steuer zum umgehen. Am 13. April 2005 schlägt ein Berater einer Kundin einige Möglichkeiten vor: Sie könne entweder "das Konto nach Singapur verlegen" oder "eine bestehende U.K.-Stiftung in die Schweiz transferieren und für sie ein Konto eröffnen", um die neue Maßgabe zu umgehen. Trotzdem zeigen die Unterlagen, dass im Jahr 2005 fast täglich Kunden in die Genfer Filiale kamen, um große Bargeld-Abhebungen vorzunehmen. Die HSBC hat daraufhin auf Kundenwunsch große Mengen Schweizer Franken, Dollar, Euro und sogar Dänische Kronen zur Verfügung gestellt, zum Teil in "kleinen gebrauchten Scheinen".

Kunde lässt sich mit Pseudonym ansprechen

In einigen Fällen, so legen es die Dokumente nahe, nahm die Vorsicht der Kunden skurrile Züge an. Ein australischer Großindustrieller und Unterstützer der liberalen Regierungspartei ließ sich mit einem Pseudonym anreden - selbst bei vertraulichen Gesprächen in den Genfer Büros der Bank. Sein Berater vermerkte: "Der Kontoinhaber Herr Ch.B.G. möchte gern Mr. Shaw genannt werden. Also haben wir das gesamte Gespräch nur von Mr. Shaw gesprochen." Auf Anfrage des ICIJ erklärte der Geschäftsmann, die HSBC selbst habe ihm bei der Kontoeröffnung "aus Sicherheitsgründen" dazu geraten, mit einem Pseudonym zu arbeiten. Sein Konto habe er vor fünf Jahren aufgelöst und bei den australischen Behörden nachgemeldet.

Ein Geldeintreiber transferiert zu viel

Aber, auch das zeigen die Dokumente, die HSBC-Berater sind nicht grenzenlos in ihrem Verständnis für wohlhabende Kunden und deren Geschäfte. Am 18. Oktober 2005 betritt ein serbischer Geschäftsmann die Genfer Filiale. Er will eigentlich über ein privates Depot sprechen, in das er einige Millionen Euro transferieren möchte. Zunächst bitten ihn die Berater aber, in Zukunft nicht mehr so viel Geld auf einmal zu transferieren: "Er ist freiberuflicher Geldeintreiber und nutzt sein privates Konto, um die nicht unerhebliche Summe von EUR 20mio. zu transferieren. […] Habe erklärt, dass die Bank dieses Mal noch nicht in seine Geld-Transfers eingreift, es aber bevorzugen würde, wenn er seine Aktivitäten auf eine kleinere Größenordnung reduziert. [Er] versteht unsere Bedenken und wird kleinere Summen nutzen."

HSBC gibt sich geläutert

Die HSBC hat sich in einem schriftlichen Statement an das ICIJ und seine Partnermedien gewandt. Darin heißt es unter anderem, die Recherchen seien auf Grundlage gestohlener Daten zustande gekommen. Die Bank schreibt außerdem: "Wir sind verantwortlich für das Kontrollversagen in der Vergangenheit." Die Tochtergesellschaft HSBC Private Bank hätte "zu viele Hochrisiko-Konten" behalten. Die Bank verweist darauf, dass sie sich mittlerweile von allen steuerlich problematischen Kunden getrennt habe. In den vergangenen Jahren habe die Bank interne Kontrollen reformiert und "das Management-Team in der Schweiz ist heute grundlegend anders als im Zeitraum vor 2011". Seit 2007 habe man sich von beinahe 70 Prozent der alten Privatkunden getrennt, eine Zahl, die sich nicht nachprüfen lässt. Für ein Interview stand die Bank nicht zur Verfügung.

Dossier
Ein mit Dollar-Noten gefüllter und mit Schweiz Fahne markierter Metallkoffer steht in einem Serverraum (Montage). © fotolia.com Foto: Africa Studio, designsoliman, Fabian Schmidt

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Dieses Thema im Programm:

ARD Sondersendung | 08.02.2015 | 23:05 Uhr

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