Stand: 09.02.2015 15:45 Uhr

Rendite mit gefährlichem Schiffsschrott

von Manuel Daubenberger & Nils Naber
Abwrackwerften
Unter furchtbaren Bedingungen werden in Südasien Schiffe abgewrackt. 2014 hatten 41 dieser Schiffe zuvor deutsche Eigentümer.

Ein Strand in Bangladesch, nahe der Stadt Chittagong: Ein alter Ozeanriese liegt neben dem anderen, teilweise schon zerlegt. Unzählige Menschen arbeiten hier, schneiden die Schiffe auseinander - mit einfachsten Mitteln, von Hand. Sie kommen mit Giftstoffen wie Schweröl oder Asbest in  Berührung. Ständig kommen bei den Arbeiten auf den Werften Menschen ums Leben oder ziehen sich teilweise sehr schwere Verletzungen zu.  

Die Eigentümer der Abwrackwerften haben kein Interesse daran, dass über diese Zustände berichtet wird. Sie sichern ihr Gelände mit bewaffnetem Sicherheitspersonal. Shahin Ali arbeitet in Chittagong für eine Organisation, die diese Zustände ändern will. "Die Besitzer der Abwrackwerften behandeln die Arbeiter wie Tiere. Wenn einer stirbt, wird er einfach durch einen anderen ersetzt, wie bei einer Maschine. Ihnen geht es nur um den Profit." Für die Menschen gibt es keine echte Alternative zur Arbeit auf den Abwrackwerften. Sie brauchen das Geld, um ihre Familien über Wasser zu halten. Auf diese Art und Weise werden in Bangladesch, Indien und Pakistan bis zu drei Viertel aller ausgemusterten Schiffe abgewrackt. 41 Schiffe, die im vergangenen Jahr in Südasien verschrottet wurden, hatten vorher deutsche Eigentümer.

Lukratives Geschäft

Jasper Eggers
Jasper Eggers organisiert das Abwracken von Schiffen. Finanziell am attraktivsten sei das in Südasien.

Für die Reedereien und Schiffseigentümer sei das Abwracken unter solchen Bedingungen finanziell am attraktivsten, sagt Jasper Eggers. Er organisiert das Abwracken von Schiffen. "Es ist ja klar, dass die Kosten dort am niedrigsten sind. Die Arbeitslöhne sind niedrig. Die Umweltstandards sind niedrig. Aber man kann die Situation auch verbessern, wenn man als Reeder Einfluss darauf nimmt, oder Einfluss darauf nehmen will." Eggers verweist auf einige ausländische Reedereien, die sich schon seit Jahren um ein grünes Recycling kümmern: Diese Schiffseigentümer nehmen zwar für das Schiff etwas weniger Geld ein, sorgen aber für bessere Bedingungen auf den Abwrackwerften vor Ort. Leider sind diese Reedereien deutlich in der Minderheit. Denn oft verkaufen die Reeder ihre Schiffe vor dem Abwracken an sogenannte Cashbuyer. Diese Unternehmer reichen die Schiffe dann an die Abwrackwerften in Südasien weiter, selbstverständlich nicht ohne daran mitzuverdienen. Wie viel für ein Schiff zu bekommen ist, hängt im Wesentlichen vom Schrottpreis ab.

"Deutsche Schiffseigentümer sind für uns sehr wichtig geworden"

Abwrackwerften
Schiffsfonds waren vor der Finanzkrise so lukrativ, dass es heute zu viele Schiffe auf dem Markt gibt. Darum wird jetzt abgewrackt.

In den letzten Jahren seien auch reihenweise Schiffe, die ehemals in deutsche Eigentümer hatten, an Südasiens Stränden abgewrackt worden, so Rakesh Khetan. Er arbeitet in Singapur für Wirana, das nach eigenen Angaben eines der größten Unternehmen für den Handel mit Abwrackschiffen weltweit ist. "Deutsche Schiffseigentümer sind für uns sehr wichtig geworden. In den vergangenen Jahren haben sie eine Menge ihrer Containerschiffe recycelt. Vor 2011 war das noch selten, aber jetzt sehen wir eine Menge deutscher Schiffe, die ins Recycling gehen."

Vor der Finanzkrise haben deutsche Reedereien, Banken, Emissionshäuser und Fondsgesellschaften mit viel Geld dafür gesorgt, dass viele Schiffe bestellt wurden. Alles in Erwartung eines ständig zunehmenden weltweiten Warenverkehrs. Jetzt gibt es zu viele Schiffe auf dem Markt, die Frachtraten sind niedrig. Mit dem Abwracken nehmen Reeder und Schiffseigentümer jetzt überzählige Schiffe vom Mark, um dann mit den restlichen Schiffen wieder mehr Geld verdienen zu können.

Schiffsrecycling überprüfen?

Über die Bedingungen auf den Abwrackwerften machen sich die Schiffseigentümer offenbar wenig Gedanken. Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim Verband deutscher Reeder, nimmt die deutschen Reeder dagegen in Schutz und pocht auf neue Gesetze. "Es hilft nur eine internationale Regel, um die Umstände für die Menschen dort zu verbessern. Es wird aber nur aufhören, wenn das internationale Gesetz - die sogenannte Hong-Kong-Konvention, die klare Vorgaben macht, wie man sauber, sicher, human und umweltfreundlich recycelt - in Kraft tritt." Die Konvention wurde 2009 ausgehandelt, tritt aber erst in Kraft, wenn sie von 15 Staaten ratifiziert wird, die 40 Prozent der Welthandelstonnage repräsentieren. Deutschland hat der Konvention bisher nicht zugestimmt. Ein Ratifizierungstermin ist laut Bundesverkehrsministerium noch nicht absehbar.

Jasper Eggers hält die Konvention allerdings nicht für die Lösung aller Probleme: "Die Hong-Kong-Konvention wird nicht das Allheilmittel sei. Es ist nach vor erforderlich, dass man sich einschaltet in das Schiffsrecycling, Kontrollen durchführt, wie einige Reeder es heute schon machen, um die Situation nachhaltig zu verbessern." Die Reeder und Schiffseigentümer müssen sich also selbst darum kümmern, dass es auf den Abwrackwerften menschen- und umweltfreundlich zugeht.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 10.02.2015 | 21:15 Uhr

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