Stand: 19.12.2016 12:21 Uhr

Für und wider Elbvertiefung

Von Marc-Oliver Rehrmann und Stefanie Lambernd, NDR.de

Kutter-Demonstration gegen die Elbvertiefung © dpa Bildfunk
Umweltschützer und Fischer sind Gegner der Elbvertiefung.

Während die Hamburger Hafenwirtschaft die geplante Elbvertiefung herbeisehnt, werden Umweltschützer nicht müde, vor schwerwiegenden Folgen für die Natur zu warnen. Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) wäre eine Vertiefung der Fahrrinne "der schwerwiegendste Eingriff in den Fluss seit 50 Jahren". Die Elbe drohe im Fall einer weiteren Ausbaggerung zu einem "Abwasser- und Schifffahrtskanal" zu verkommen, heißt es in der Hamburger Geschäftsstelle des Verbands.

Fischsterben durch Sauerstoffmangel befürchtet

Umweltschützer und Fischer fürchten Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt in der Elbe, die einzigartig sei, weil sich dort salziges Meer- mit süßem Flusswasser mischt. So warnt der NABU, dass der Schierlings-Wasserfenchel, eine nur an der Elbe zu findende Pflanzenart, durch die Elbvertiefung gefährdet sei, und führt an, dass besonders für Wasservögel und Fische wichtige Flachwasserbereiche verlanden würden, wenn die Elbe noch tiefer ausgebaggert wird. Schon heute gebe es häufig in der Unterelbe Sauerstoffmangel und Fischsterben. Dieser Effekt würde durch eine weitere Elbvertiefung verstärkt.

Die Planer des Fahrrinnen-Ausbaus sehen das anders. "Es gibt keine messbaren Auswirkungen der Elbvertiefung von 1999 auf den Sauerstoffgehalt der Elbe", sagte Jörg Osterwald von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Gespräch mit NDR.de. Das verstärkte Auftreten von Sauerstoffmangel-Situationen in den Jahren 1999 und 2000 sowie in einzelnen Folgejahren sei darauf zurückzuführen, dass die Mittelelbe in dieser Zeit außergewöhnlich wenig Wasser und viele Algen mitführte. Der Wasserbau-Ingenieur erklärt das Phänomen des Sauerstoffmangels wie folgt: Die Mittelelbe führt viele Schwebstoffe wie beispielsweise Algen mit sich. Im Hamburger Hafen, wo die Elbe wesentlich tiefer und die Strömung deutlich langsamer ist, sinkt ein großer Teil dieser Algen in tiefere und somit dunklere Bereiche ab. Ohne Licht sterben die Algen ab, ihre Biomasse wird von Bakterien abgebaut - in einem Prozess, der Sauerstoff verbraucht. "Deshalb kommt es in den Sommermonaten, wenn die Wassertemperatur hoch ist und die Mittel-Elbe viele Algen mitführt, häufig zu Sauerstoffmangel im Hamburger Elbabschnitt", führt Osterwald aus.

Obstbauern sind gegen Elbvertiefung

Die Obstbauern im Alten Land befürchten ihrerseits, dass der Salzwassergehalt im Fluss so weit ansteigt, dass sie ihre Apfelbäume nicht mehr mit dem Elbwasser beregnen können - etwa um die Blüten bei Frost im Frühjahr vor dem Erfrieren zu schützen. Denn der Salzwasserkeil könnte sich von der Nordsee aus weiter in Richtung Hamburg vorschieben, weil die Strömung nach der geplanten Fahrrinnen-Ausbaggerung womöglich zunimmt, sagen die Obstbauern. Der Bund geht nach eigenen Angaben davon aus, dass sich der Salzwassergehalt nach der geplanten Elbvertiefung nicht spürbar verändern wird.

Gegner wollen Hafenkooperation - Befürworter werben mit besserer Umweltbilanz

Aber auch wirtschaftliche Aspekte spielen bei der Argumentation der Umweltverbände eine Rolle. Reeder hätten sich längst an tide- und tiefenabhängige Einschränkungen gewöhnt, heißt es beim NABU. Da ohnehin rund 90 Prozent aller Waren über die deutschen Seehäfen importiert würden, werde der Hafenumschlag in Hamburg auch ohne Elbvertiefung wachsen. Der WWF verweist auf den Tiefwasserhafen JadeWeserPort und wirbt für eine Kooperation der drei deutschen Seehäfen Hamburg, Wilhelmshaven und Bremen. Das wäre aus Sicht der Umweltschützer besser als eine "Konkurrenz auf dem Rücken der Steuerzahler und der Natur".

Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) hingegen erteilt einer "Ladungslenkung", wie er es nennt, eine klare Absage: Es sei nicht realisierbar, große Schiffe nach Wilhelmshaven zu schicken, während kleinere die Häfen der Hansestädte anfahren sollten. Weder die Reeder noch die europäischen Wettbewerbshüter würden eine derartige Entwicklung akzeptieren. Die Entscheidung über den Weg der Ladung könnten nur Reeder und Spediteure treffen - nicht die Häfen und nicht die Politik.

Die Befürworter der Elbvertiefung argumentieren zudem, dass durch den Ausbau der Fahrrinne die modernen und umweltschonenden Containerschiffe den Hafen besser anfahren können. So würden weniger Schadstoffe in die Luft entweichen. Zudem habe der Schiffsverkehr eine wesentlich bessere Umweltbilanz als der Straßenverkehr. Ein Containerschiff mittlerer Größe könne dieselbe Menge an Waren transportieren wie 6.400 Lkw.

An anderer Stelle Elbe-Lebensräume aufwerten

Die Planer des Fahrrinnen-Ausbaus wissen aber auch, dass die Eingriffe in den Fluss Nebenwirkungen haben. Deshalb sind eine Reihe von - gesetzlich vorgeschriebenen - Kompensationsmaßnahmen vorgesehen. So ist unter anderem geplant, die heute stark verlandete Schwarztonnensander Nebenelbe zu vertiefen und besser an den Hauptstrom anzubinden. Ziel ist, 100 Hektar zusätzliche wertvolle Flachwasserflächen zu schaffen.

Ein anderes Beispiel: Im Bereich Allwörden soll der Sommerdeich geöffnet werden und so naturnahe Übergänge zwischen Wasser- und Landlebensräumen wiederhergestellt werden. "Insbesondere profitieren hiervon Wiesen-Vogelarten wie Uferschnepfe, Kiebitz, Wachtelkönig und Braunkehlchen, aber auch die Gastvogelarten wie Nonnengans und Graugans", erklärt Elbvertiefungs-Planer Osterwald. Insgesamt sollen Kompensationsmaßnahmen auf einer Fläche von mehr als 900 Hektar umgesetzt werden.

Die Flusslandschaft der Elbe zählt zu den größten Bioreservaten in Deutschland. Zugvögel nutzen den Flusslauf als Rast- und Überwinterungsgebiet. Für den Weißstorch ist die Elbe der wichtigste zusammenhängende Lebensraum.

 

Dossier
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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 09.02.2017 | 11:00 Uhr

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