Stand: 01.12.2016 19:31 Uhr

Wie kann E-Mobilität endlich Fahrt aufnehmen?

von Dagmar Pepping, NDR Hauptstadtstudio, und Carsten Schmiester, ARD-Studio Stockholm

Probleme benennen, Lösungsansätze aufzeigen - das machen wir in der Reihe "NDR Info Perspektiven". In Deutschland soll E-Mobilität eigentlich seit Jahren Fahrt aufnehmen. Und zwar zum einen, um die deutsche Autoindustrie auch künftig weltmarktfähig zu erhalten, und zum anderen, um die klimaschädlichen CO2-Emissionen zu senken. Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein. Die staatlichen Anschubversuche kommen aber nicht recht in Schwung.

Was ist das Problem?

Eine Aufladestation für Elektro-Fahrzeuge steht in der Hamburger Innenstadt. © picture alliance / dpa Foto: Bodo Marks
Noch sind in Deutschland weit weniger als 100.000 E-Autos unterwegs. Das Ziel bis 2020: eine Million!

Tatsächlich hinken wir international deutlich hinterher. Weit weniger als ein Prozent der Fahrzeuge hierzulande sind E-Autos. Nicht einmal  60.000 fahren auf unseren Straßen. Bundesweit gibt es auch nur 6.500 Ladestationen.

Was hat die Kaufprämie für Elektroautos bewirkt?

Fast nichts. Die Prämie - maximal 4.000 Euro für ein Elektroauto, 3.000 Euro für ein Hybridfahrzeug - ist ein Ladenhüter. Seit Programmbeginn Anfang Juli sind weniger als 3.500 Anträge beim zuständigen Bundesamt eingegangen, obwohl Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) immerhin 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Das Förderprogramm endet spätestens 2020. Bis dahin gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Woran hakt es noch?

Ein großes Problem ist die geringe Reichweite vieler Modelle. Außerdem fehlen vor allem auf dem Land die nötigen Ladestationen für die E-Autos. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat zwar weitere 15.000 Ladesäulen angekündigt. Der Aufbau des Netzes braucht aber Zeit. Ein weiteres Problem: Das Aufladen dauert oft sehr lang. Die deutschen Autokonzerne wollen nun europaweit ein Netz von Schnell-Ladestationen aufbauen. Ziel ist das Aufladen der Batterie binnen weniger Minuten und ein Standardstecker, der für alle Marken und Modelle einsetzbar ist. Trotzdem: Das Ziel eine Million Elektroautos bis 2020 ist nicht erreichbar.        

Die Perspektive

Ein E-Auto vom Typ Tesla Model S parkt in Norwegen am Straßenrand. © dpa picture alliance Foto: Klaus Nowottnick
E-Auto-Besitzer genießen in Norwegen viele Vorteile - zum Beispiel müssen sie keine Maut- und Parkgebühren bezahlen.

Die Zwischenbilanz in Deutschland ist also ernüchternd. Dass es auch anders geht, zeigt der Blick ins benachbarte Ausland. Beispielsweise nach Norwegen. Nirgendwo sonst in Europa boomt der Verkauf von Elektroautos so wie dort. Jedes fünfte neu zugelassene Fahrzeug in Norwegen fährt inzwischen mit Strom.

Es klingt anders, aber nicht schlecht, wenn Pierre seinen Wagen startet: Da brummt nichts,  stattdessen eine kleine Melodie, Lämpchen und Digitalanzeigen werden hell und bunt und schon geht's durch die Innenstadt von Oslo. Pierre hat das "EL" auf dem Nummernschild, und das macht Autofahren in Norwegen zum reinen Vergnügen. In der Stadt dürfen Elektroautos die Busspuren benutzen, um am Stau vorbeizuschnurren. Da kommt Freude auf und noch mehr beim Blick aufs Konto: "Wir zahlen keine Mehrwert- und keine Kfz-Steuer, wir parken kostenlos und auch den Strom gibt's umsonst, den spendiert die Stadt Oslo!"

Jeder fünfte Neuwagen hat einen Elektromotor

2012 hatte der Staat in Norwegen ein umfangreiches Förderprogramm aufgelegt in der Hoffnung, bis 2018 50.000 Fahrzeuge mit Elektroantrieb auf den Straßen zu haben. Dieses Ziel ist längst übertroffen - und wie: Aktuell sind es gut 100.000 Autos, das entspricht vier Prozent aller Wagen im Land.

Jeder fünfte Neuwagen hat einen Elektromotor. Und der Trend hält an, vor allem bei Zweitwagen für Kurzstrecken in den Städten. Christina Bu vom Verband der Elektroautobesitzer ist sehr zufrieden mit dem Förderprogramm und all seinen Privilegien: "Der Personentransport verursacht doch die meisten Emissionen. Und 80 Prozent dieser Fahrten machen wir mit unserem Auto. Deshalb muss man genau da ansetzen."

Förderprogramm kommt den Staat teuer zu stehen

Das sehen in Norwegen inzwischen längst nicht mehr alle so. Die Kritik am E-Auto-Förderprogramm wächst, aber vor allem wegen seines unerwarteten Erfolges. Es hat den Staat nach Schätzungen bisher umgerechnet rund 400 Millionen Euro gekostet. Vor dem Hintergrund gesunkener Ölpreise und damit auch gesunkener Staatseinnahmen könne sich Norwegen das nicht mehr lange leisten, heißt es.

Andere bemängeln, dass die Bevorzugung von E-Autos im Straßenverkehr den Individualverkehr noch attraktiver macht und eben nicht den "grüneren" öffentlichen Nahverkehr. Ein Busfahrer in Oslo sieht das Problem aus seiner ganz eigenen Perspektive: als jemand, der immer öfter E-Autos auf "seiner" Spur hat, und zwar vor sich: "Die Sache hat zwei Seiten. Ich bin natürlich für Umweltschutz. Aber wie umweltfreundlich ist es denn, wenn dieses Programm doch auch dazu beiträgt, uns hier auszubremsen?"

Regierung steuert gegen

Das alles ist inzwischen auch bei der Regierung angekommen. Nun soll ein wenig auf die Bremse getreten werden, erklärt Erik Figenbaum vom Forschungsprojekt "Competitive Electric Town Transport", das Chancen und Grenzen der Elektroautos in Städten untersucht: "Die Regierung hat beschlossen, ab 2018 wieder die halbe Kfz-Steuer zu verlangen und ab 2020 dann den vollen Satz, es geht also stufenweise zurück. Und den Zugang zu den Busspuren haben sie ja schon eingeschränkt. Wer vom Süden her nach Oslo reinkommt, muss mindestens einen Mitfahrer haben. Wir müssen eben schon ein bisschen aufpassen, dass es nicht irgendwann zu viele E-Autos gibt!"

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 02.12.2016 | 06:38 Uhr

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